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Doping
Kein Wert auf Transparenz

Das Dopinggeständnis von Maria Scharapowa rückt die Verhältnisse im Tennis in ein grelles Licht. Wo von offizieller Seite gerne so getan wird, als seien Leistungsmanipulation und Wettbetrug kein wirkliches Problem. Das Verharmlosen der Situation gehört zur Politik der Schadensbegrenzung. So wie schon im Radsport und in der Leichtathletik.

von Jürgen Kalwa | 19.03.2016
    Maria Sharapowa spielt beim WTA-Tennisturnier im April 2015 in Stuttgart eine Vorhand.
    Maria Sharapowa (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    Vor ein paar Wochen bei den Australian Open in Melbourne wurde der beste Tennisspieler der Welt von einer alten Geschichte eingeholt: einer Niederlage in der ersten Runde eines Hallenturniers in Paris 2007 gegen einen sehr viel schlechteren Gegner. Die Sportart steht unter dem Verdacht massiver Manipulationen, bezahlt von Wettbetrügern weltweit. Novak Djokovic wehrte sich nachdrücklich gegen etwaige Mutmaßungen, aber dekorierte dies mit einem eigenartigen Satz: "Solange nicht jemand mit echten Beweisen herauskommt, ist das für mich nur Spekulation."
    Wenn man sich diese Feststellung lange genug durch den Kopf gehen lässt, bleibt einem eigentlich nur eine Schlussfolgerung: Dr. Paul Lambertz, Anwalt in Düsseldorf und Experte in Sachen Sportrecht: "Meines Erachtens ist das der Versuch, sich von den Vorwürfen freizustellen. Der letzte Halbsatz lässt für mich aber als kritischer Bobachter Zweifel daran zu, weil ich mir die Frage stelle: Wenn tatsächlich nichts an den Vorwürfen dran ist, wer soll denn dann mit Beweisen kommen?"
    Rafael Nadal unter Verdacht
    Man ist gewohnt, dass die führenden Figuren im Sport nicht nur alles abstreiten, sondern auch verharmlosen. Dass sie gegen Beschuldigungen gerichtlich vorgehen, ist eher selten. Das war die Spezialität eines Lance Armstrong. Das könnte nun erstmals auch im Tennis passieren. Es geht um diese Aussage der ehemaligen Ministerin für Jugend, Gesundheit und Sport, Roselyne Bachelot, vor ein paar Tagen im französischen Fernsehen über den Spanier Rafael Nadal. Man wisse zwar wenig über die berühmte Verletzung des Spaniers, der 2012 und 2013 sieben Monate lang ausgesetzt hatte. Aber die Abwesenheit gehe – so die Politikern – "sehr sicher auf eine positive Dopingprobe" zurück. Gab es als eine Sperre? Und wurde die verheimlicht?
    Nadal, Vertreter einer Generation von spanischen Erfolgsathleten quer durch viele Sportarten mit dubiosen Verbindungen zu Dopingärzten wie Eufemiano Fuentes und Luis Garcia del Moral, ging das zu weit: "Ich werde sie verklagen”, sagte er am Rande des Turniers von Indian Wells. "Und ich werde jeden verklagen, der in der Zukunft etwas ähnliches behauptet.” Der Sportrechtler Dr. Lambertz hätte nichts dagegen, wenn es wirklich dazu käme. "Mit der Aussage, er würde jeden, der etwas ähnliches behauptet, verklagen, lehnt er sich natürlich weit aus dem Fenster und öffnet auch kritischen Nachfragen Tor und Tür, wenn er tatsächlich nicht gegen diese Aussagen vorgeht.”
    Image wichtiger als die Wahrheit?
    Wichtiger als die Wahrheit allerdings scheinen Imagefragen. Kaum hatte sich Maria Scharapowa geoutet, schickte die WTA, die das Frauenprofitennis organisiert, eine Art Skript mit vorgefertigten Formulierungen herum, mit denen Spielerinnen auf die Fragen neugieriger Journalisten reagieren sollen. Ein Textbeispiel: "Ich denke, die Zukunft des Tennissports ist glänzend. Und das Spiel ist weiterhin weltweit sehr beliebt. Maria hat das Richtige getan, als sie die Öffentlichkeit informiert hat. Aber nun ist es wichtig, dass das Tennis-Anti-Doping-Programm seine Arbeit tut.” Kein Wunder, dass etwa Simona Halep aus Rumänien in Indian Wells so wirkte, als habe sie das Soufflierte bereits verinnerlicht. Die Leute wüssten, was zu tun sei und was es zu sagen gäbe, sagte sie. "Wir müssen abwarten.” Zum Problem selbst wollte sie nichts sagen.
    Dabei gäbe es gerade für die Sportler als unmittelbar Betroffenen schon lange Grund, nicht abzuwarten. So hatte der ehemalige Präsident des spanischen Tennisverbandes, Pedro Muñoz, 2013 erklärt, dass die Organisatoren der Sportart "vielfach” Dopingfälle in einer mysteriösen Stille abwickelten. Angeblich zum Schutz der Persönlichkeitsrechte betroffener Profis. Tatsächlich ist es wohl eher Schadensbegrenzung mit Blick auf Fernsehverträge und Werbepartner. Das Gemeinschaftsprojekt mehrerer Organisationen namens Tennis-Integritätseinheit legt übrigens ebenfalls keinen gesteigerten Wert auf Transparenz.
    Als die BBC neulich gemeinsam mit dem Internet-Portal BuzzFeed publizierte, wieviel Wettbetrugsfälle hinter den Kulissen über aktenkundig ist und wie wenig passiert, spielten die Ethikkommissare die Rechercheergebnisse herunter. In dieser Woche legte der Fernsehsender nach. Der Bericht zeigte einmal mehr, dass man im Tennis im Kampf gegen Manipulation nicht weiterkommt. Anders als die Staatsanwaltschaft im italienischen Cremona. Man hat dort mehr als 20 Tennisprofis im Visier, konzentriert sich allerdings für die Strafverfolgung nur auf italienische Spieler. Darunter: solche, die vom Verband bereits gesperrt wurden, aber der Strafen in der Berufung aufgehoben wurden.