
Die Geschichte klingt so kurios wie unglaublich: Da sitzt ein Arzt auf der Anklagebank, dem vorgeworfen wird, Dopingmittel hergestellt, in Verkehr gebracht und verwendet zu haben. Und zwar nicht irgendein Arzt. Sondern ein Sportmediziner, der an der Uniklinik Ulm ausgerechnet unter dem weltweit angesehen Professor Jürgen Steinacker gearbeitet hat. Steinacker ist sogar Mitglied der Gesundheitskommission der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA.
Der angeklagte Arzt gibt an, die Dopingmittel - unter anderem Anabolika - lediglich zum Eigenbedarf und gegen Bluthochdruck hergestellt zu haben. Er experimentierte also nur für sich so nebenher in seiner Wohnung in Neu-Ulm mit Dopingrohstoffen. An der Uniklinik Ulm gehörte er aber unter Professor Steinacker einem Ärzte-Team an, das unter anderem deutsche Bundeskader-Athleten im Rudern, Fechten und Kanu betreute. Heikel. Und jetzt wird die Geschichte außergewöhnlich: Denn der 39 Jahre alte Arzt hat vor seiner Zeit in Ulm an der Deutschen Sporthochschule Köln unter anderem mit den renommierten Analytikern des Deutschen Anti-Doping-Labors geforscht. Der Leiter des Kölner Labors Prof. Wilhelm Schänzer sagte dazu dem Bayerischen Rundfunk:
"Das ist natürlich schade, das bedauern wir, wenn ehemalige Mitarbeiter, die jetzt nicht direkt bei uns gearbeitet haben, auch bei den Kollegen hier vom anderen Institut, dann in so eine Lage geraten. Wir bedauern das, das tut uns natürlich leid, aber in wie weit sich Menschen dann in diese Richtung entwickeln, dass lässt sich in der Regel auch nicht vorhersehen.
Keiner will sich äußern
Im Gegensatz zu Prof. Schänzer will aber weder die Sporthochschule Köln noch das Uniklinikum Ulm zu dem Fall Stellung nehmen. Unter Verweis auf das laufende Verfahren weigert sich selbst der Chef der Ulmer Sportmedizin Prof. Steinacker, ein Interview zu geben. Dabei könnte der, noch dazu als renommierter WADA-Experte, für Aufklärung sorgen. Nach wie vor steht nämlich noch ein Vorwurf der Staatsanwaltschaft im Raum: Der angeklagte Arzt soll sich Dopingmittel sogar direkt an die Adresse seines Arbeitgebers liefern haben lassen. An die Uniklinik also. Dazu wollen sich auch die Anwälte des Mediziners nicht äußern.
Sie bekräftigen aber, ihr Mandant habe niemals Sportlern oder deutschen Kaderathleten an der Uniklinik Dopingmittel angeboten. Er sei dort nicht einmal in die medizinische Behandlung von Sportlern eingebunden gewesen. Doch - und jetzt wird's kurios - in zwei Fällen soll der Arzt dann doch Dopingmittel weitergegeben haben. Aber nur, weil er dazu gezwungen wurde, sagt sein Anwalt Oliver Bauer.
"Das war eine Weitergabe an einen Patienten von ihm. Und zwar relativ lange nach der Behandlung, dadurch, dass er private Kontakte zu ihm hatte. Und das andere war, dass dieser Bekannte einen ganz anderen ins Spiel gebracht hat, der unter dem Vorzeigen einer Schusswaffe ihm zum Eigenbedarf hergestellte Mittel abgenötigt und abgenommen hat."
Bei dem Mann mit der Pistole soll es sich übrigens um ein Mitglied eines bekannten Motorrad-Rockerclubs gehandelt haben. Dubios, was sich so abspielt, im Umfeld einer Universitätsklinik, in der deutsche Spitzensportler betreut werden. Und, die offiziell als sportmedizinisches Untersuchungszentrum des Deutschen Olympischen Sportbundes gilt.