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Doping-Sündern auf der Spur

Medizin. - Mit einer einfachen Anfrage beim Internationalen Olympischen Komitee im Jahr 1998 kam der Stein ins Rollen. Ein russischer Sportmediziner wollte wissen, ob es erlaubt sei, den Athleten Insulin zu spritzen – auch wenn sie nicht unter Diabetes leiden. Das IOC erkannte darin eine Form von Doping und setzte Insulin auf die Liste der verbotenen Substanzen. Doch ein Problem gab es bislang: Insulin-Doping ließ sich kaum nachweisen. Jetzt aber haben Forscher aus Köln aber eine Methode gefunden.

Von Arndt Reuning | 26.04.2007
    Insulin ist ein Stoff, den jeder gesunde Mensch im Körper bildet. Ein Hormon, das den Blutzuckerspiegel reguliert. Wenn nach einer Mahlzeit die Konzentration der Glucose im Blut - also des Traubenzuckers - ansteigt, dann lagert das Insulin den Zucker in den Körperzellen ein, in Form des Energiespeicherstoffes Glykogen. Außerdem verhindert das Hormon, dass der Körper Muskelmasse abbaut. Diabetiker leiden unter einem Insulinmangel und müssen daher regelmäßig künstliches Insulin injizieren. Diese Medikamente können aber auch von Sportlern missbraucht werden.

    "Diabetes mellitus ist ein weit verbreitetes Krankheitsbild, und von daher ist es nicht sonderlich schwierig, im Bekanntenkreis oder auch im Verwandtenkreis Personen ausfindig zu machen, die möglicherweise Insulin zu Dopingzwecken bereitstellen würden."

    So der Chemiker Mario Thevis, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln. Bisher gibt es noch keinen Beleg dafür, dass Insulin tatsächlich die Leistungen eines Sportlers fördern kann. Unbestritten ist aber, dass jeder, der das Hormon als Dopingmittel missbraucht, sich einem gewissen Gesundheitsrisiko aussetzt. Thevis:

    "Insulin ist ein sehr gefährliches Dopingmittel, denn der Körper reagiert sehr empfindlich auf Umstellungen des Insulinspiegels, was dazu führen kann, dass ein Athlet ins Koma fällt oder im Zweifelsfall sogar daran verstirbt."

    Es gibt verschiedene künstliche Insulin-Präparate, schnell wirkend oder langsam. Vom menschlichen Hormon unterscheiden sie sich nur in wenigen Details ihrer Molekül-Architektur. Zunächst einmal suchten die Wissenschaftler nach Spuren der verbotenen Substanzen im Blut von Testpersonen. Als das funktionierte, wagten sie sich an einen Nachweis auch in Urin. Das ist für die tägliche Praxis der Doping-Kontrolleure ganz entscheidend. Weil den Athleten in der Trainingsphase kein Blut abgenommen werden darf. Im Fall des Insulins stellt das die Wissenschaftler aber vor ganz besondere Herausforderungen. Denn im Urin ist viel weniger Insulin enthalten als im Blut. Die Probe muss daher zunächst aufkonzentriert werden. Das Konzentrat fließt dann über kleine Kunststoff-Kügelchen, die das Insulin herausangeln. Thevis:

    "Sie können sich das so vorstellen, als ob sie einen Magneten hätten, der ganz besonders nur eine Nadel im Heuhaufen herausfischt. Und mit dem gehen Sie im Grunde über den ganzen Heuhaufen, die Urinprobe, das Konzentrat. Die Nadel wird herausgezogen, und alles andere wird tatsächlich verworfen."

    Das funktioniert mit künstlichen Antikörpern, die auf der Oberfläche der Kunststoff-Kügelchen sitzen. Sie binden sich bevorzugt an das Insulin. So wie sich ihre natürlichen Verwandten des Immunsystems an ganz bestimmten Krankheitserregern festsetzen. Von den Kügelchen können die Forscher anschließend den Wirkstoff wieder abwaschen. Normalerweise haben sie dann genug Wirkstoff gesammelt, um ihn mit Hilfe eines Massenspektrometers nachzuweisen. Das ist ein Standard-Werkzeug in der Analytik, eine Art von Molekülwaage. Lange Zeit sind diese Geräte nicht empfindlich genug gewesen, um damit relativ schwere Eiweißverbindungen wie Insulin im Urin zu finden. Thevis:

    "Aber die Kombination einer sehr spezifischen Aufreinigung und die Verbesserung der Empfindlichkeit, der Nachweisbarkeit durch die Massenspektrometrie hat dann dazu geführt, dass das Verfahren jetzt eingeführt werden konnte."

    Die meisten Insulin-Präparate können die Kölner Forscher um Mario Thevis nun nachweisen. Entweder direkt oder in Form ihrer Abbauprodukte. Schwierigkeiten bereitet im Moment noch so genanntes Humaninsulin. Es wird von genveränderten Bakterien hergestellt, stimmt aber chemisch überein mit dem Insulin aus der menschlichen Bauchspeicheldrüse. Vom Prinzip her ist dieser Nachweise aber auch kein Problem, bloß etwas aufwändiger. Ob die Methode aus Köln bald schon zum Standard-Repertoire der Doping-Fahnder gehört, das wird die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA demnächst entscheiden.