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Doping übersetzen

Immer mehr Wissenschaftler beschäftigen sich mit Antidopingforschung - in den Geisteswissenschaften bisher aber nur sehr wenige. Dabei geht es bei dem Betrug auch um moralisch-ethische Fragen. Ein neues Forschungsprojekt an der Humboldt-Universität in Berlin soll dies nun ändern - dank einer millionenschweren Förderung des Bundes.

Von Robert Kempe | 09.05.2009
    "Translating Doping - Doping übersetzen" ist ein bisher einmaliges interdisziplinäres Universitätsprojekt, eine Kooperation von Wissenschaftlern des Instituts für Sportwissenschaften der Berliner Humboldt-Universität und des Instituts für Philosophie der Technischen Universität Berlin, erläutert Forschungsleiter Professor Elk Franke:

    "Wenn über Doping diskutiert wird, dann ist es in vordergründiger Weise eine labor- oder pharmazeutische Diskussion. Wenn aber anschließend die Handlungen bewertet werden, haben wir einen relativ schlichten moralischen Diskurs. Dieses Projekt versucht hier geisteswissenschaftliches Argumentieren in stärkerem Maße wieder in die Öffentlichkeit zurückzuführen."

    Die Geisteswissenschaftler übersetzen mit ihren klassischen Gebieten wie Philosophie, Pädagogik, Soziologie und Geschichte die gängige Anti-Doping-Forschung in der Weise, dass die gesellschaftliche Sicht auf Doping nicht auf positiv und negativ reduziert wird. Denn allzu häufig geht es beim meist öffentlich geführten Diskurs nur um Schuld oder Unschuld, um Verantwortung oder Reue, um Schwarz oder Weiß. Sportethische Betrachtungen oder philosophische Fragen kommen da meist nicht zum Tragen.

    Der Sporthistoriker Giselher Spitzer, der bisher vor allem das Doping in der DDR erforscht hat, betont wie wichtig es ist, dass Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen hierbei zusammenarbeiten:

    "Das ist ein sehr fruchtbarer Prozess, wie die Vorarbeiten schon gezeigt haben. Denn der Naturwissenschaftler, der Arzt oder Mediziner profitiert davon, da wir Fragen beantworten können, für die er selber keine Zeit hat."

    Mit diesem neuen Ansatz der Berliner Forscher könnten neue sport-ethische Handlungsanweisungen gegeben werden, auch in aktuellen Fragen - wie im Fall der verantwortlichen ehemaligen DDR-Trainer, die einst Sportler dopten und heute weiter im Sportbetrieb arbeiten wollen. Dazu der Wissenschaftler Elk Franke:

    "Können Trainer 20 Jahre später sich pauschal von Trainingsopfern entschuldigen oder ist dies eine so spezifisch ethische Frage, dass eine glaubhafte Entschuldigung nur dann vorliegt, wenn explizit ein individueller Handlungsbezug vorgenommen worden ist."

    Professor Elk Franke glaubt auch bei dieser Frage, dass die naturwissenschaftliche und rechtswissenschaftliche Bewertung nur unzureichend sein kann. Hier muss die Wichtigkeit einer klaren ethischen Position der Wissenschaft deutlich werden.

    Ein anderes Beispiel: Das Spannungsfeld von Pflichten der Athleten bei Dopingkontrollen und dem Anliegen der Anti-Doping-Agenturen auf der einen Seite sowie den Persönlichkeitsrechten von Sportlern und dem Datenschutz auf der Anderen. Dies ließe sich auch auf andere Probleme ausdehnen. Professor Elk Franke:

    "Und wir können diese Palette erweitern, dass ein Großteil von Problemen, die mit dem Doping entstehen an den Rändern oder bei einer intensiveren Nachfrage gesellschaftspolitisch, moralisch, ethisch konnotiert wird. Und hier fehlt eine aktuelle, zeitgemäße, sportethische Diskussion."

    Das europaweit einzigartige Projekt "Translating Doping - Doping übersetzen" soll drei Jahre dauern. Auf Doping im Sport wollen sich die Wissenschaftler dabei nicht beschränken. Denn schon längst reicht Doping in die Gesellschaft hinein und wird zur Bedrohung - was soziologische Untersuchungen zum Freizeitsport oder der Jugendkultur beweisen.

    So ist das Ziel der Forscher um Elk Franke und Giselher Spitzer durch ihre erarbeiteten Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit Informationen, Unterrichtsmaterialien sowie Leitfäden zur reflexiven Auseinandersetzung mit Doping anzubieten. Das Projekt wurde am 1. April gestartet. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit bemerkenswerten 1,3 Millionen Euro. Zum Vergleich: Das umstrittene Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Sportwissenschaften für die Aufarbeitung des Dopings in der alten Bundesrepublik muss mit 500.000 Euro öffentlicher Förderung auskommen.