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Doping und Corona
Anti-Dopingsystem vor dem Kollaps

In Zeiten der Coronavirus-Krise liegt der Anti-Dopingkampf fast brach. Weltweit sinkt die Zahl der Kontrollen. Die Labore haben weniger zu tun, in Madrid, Barcelona, Rom und Montreal wurden die Institute von den Behörden geschlossen. Auch in Deutschland ist die Lage kritisch.

Von Heinz Peter Kreuzer |
Düsseldorf, Blutuntersuchung: Teströhrchen in Zentrifuge
Dopingproben in einem Labor. (imago)
Mangelnde Chancengleichheit im Anti-Dopingkampf ist schon in normalen Zeiten ein Dauerthema. Denn die Kontrolldichte in den einzelnen Ländern ist sehr unterschiedlich. In der Coronavirus-Krise jetzt verschärft sich die Situation noch einmal drastisch. Wenige Monate vor den Sommerspielen in Tokio können die notwendigen Kontrollen für die potentiellen Olympiastarter kaum durchgeführt werden. Witold Banka, Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, mahnt im ZDF:
"Das ist ein riesiges Problem für uns alle, für die gesamte Anti-Doping-Gemeinschaft und den Sport. Wir müssen alles dafür tun, das schnellstmöglich zu ändern und den Krieg gegen Corona zu gewinnen. Doch die Zeiten sind sehr schwierig, und viele Testprogramme weltweit sind aufgeschoben."
Dopingkontrollen in China seit Februar ausgesetzt
In China wurden alle Tests schon Anfang Februar abgesagt. Deutschland, die USA, Großbritannien oder Österreich konzentrieren die Arbeit der Kontrolleure derzeit auf die Perspektivkader für Olympia. Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Travis Tygart, der Chef der US-Anti-Dopingagentur USADA hat eine Videobotschaft an die Athleten geschickt. Darin heißt es unter anderem:
"Unsere Kontrolleure schützen sich bei der Probenentnahme mit Masken und Handschuhen. Denkt auch daran, dass in einigen Gemeinden diese Dinge Mangelware sind, weil sie für das Gesundheitswesen benötigt werden. Achtet deshalb auch auf einen Zwei-Meterabstand während der Kontrolle. Wascht Eure Hände vor und nach der Kontrolle, der Kontrolleur stellt auch Desinfektionsmittel bereit."
Der nächste Schritt in diesem Kontrollsystem führt in die Dopingkontroll-Labore. Diese Einrichtungen sind eh strengen Sicherheitsregeln unterworfen. Nun kommen die Pandemie-bedingten zusätzlichen Schutzmaßnahmen hinzu. Der Kölner Institutsleiter Mario Thevis beschreibt Einschnitte.
"Und dies beinhaltet beispielsweise die Reduzierung des Präsenzpersonals. Zahlreiche Mitarbeiter sind, dort wo technisch möglich, derzeit im Home Office. Die Büros und Labore sind nahezu ausschließlich einzeln besetzt. Es wird im Rotationsprinzip zur Minimierung der Kontaktzeiten gearbeitet. Und auch die Kontrolleure, beziehungsweise die Probenkuriere, liefern Ware auf Rolltischen an, so dass auch hier der von verschiedenen Organisationen empfohlene Mindestabstand zwischen den Personen eingehalten wird."
Große Beschränkungen wegen Corona
Bei der Bearbeitung der Dokumente und Datenerfassungen im Home Office müssen die hohen Sicherheitsstandards der Welt-Anti-Doping-Agentur und die Anforderungen der ISO-Zertifizierung eingehalten werden.
Thevis verzeichnet einen signifikanten Rückgang der Probenanzahl. Nicht nur von den internationalen Kunden, sondern auch von der deutschen Nationalen Anti-Dopingagentur. NADA-Geschäftsführerin Andrea Gotzman erklärt:
"Derzeit können wir kein normales Doping-Kontrollsystem durchführen. Das ist schon seit zehn Tagen so, dass wir mit dem Aufkommen der Corona-Problematik unser System des Dopingkontrollaufwandes zurückgefahren haben."
Mehr als 30.000 Proben hat das Kölner Labor 2019 analysiert. In diesem Jahr werden es deutlich weniger sein. Und das bedeutet auch: geringere Einnahmen: "Diese Entwicklung ist für das Dopingkontrolle-Labor auch in finanzieller Hinsicht problematisch, da die gesamte Jahresbudgetplanung mit dieser Entwicklung nicht gerechnet hat." Laborleiter Mario Thevis befürchtet, dass sich die Coronakrise dann auch auf den Mitarbeiterstab auswirken könnte:
"Unser Ziel ist es natürlich, Instrumente wie Kurzarbeit und Kündigungen nur in Erwägung zu ziehen, wenn sie alternativlos sind."