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Dopingmittel mit Nebenwirkung

Medizin. - Erythropoietin, kurz EPO, hat einen denkbar schlechten Ruf, ist es doch vornehmlich als körpereigenes Dopingmittel für Hochleistungssportler in den Schlagzeilen. Doch das Hormon hat offenbar auch ganz ungeahnte Talente. Ärzte der Medizinischen Hochschule Hannover gaben heute Hinweise auf organschützende Wirkungen bekannt. Mit Professor Hermann Haller, Direktor der Abteilung Nephrologie, sprach Ralf Krauter.

    Krauter: Ist EPO nun wirklich das neue Wunder Mittel gegen Herz- und Nierenversagen?

    Haller: Ja, mit aller Vorsicht kann man das sagen, aufgrund der experimentellen Befunde, die bislang vorliegen, und der ersten Befunde bei Menschen, haben wir neue Wirkungen dieses Hormons Erythropoietin entdeckt. Von ihnen nehmen wir an, dass sie über die bekannten Wirkungen hinaus wichtig sind und in der kardiovaskulären Medizin tatsächlich vielleicht nicht Wunderwerke, aber doch Organprotektion und hervorragende therapeutische Wirkung erzielen können.

    Krauter: Neue Konzepte zum Schutz von Organen verspricht man sich. Wie könnten diese Konzepte denn aussehen?

    Haller: Wir haben ja in den letzten Jahren, was Organschutz angeht, viel über Stammzellen gelernt. Man hat die Vorstellung, dass diese Stammzellen, diese Vorläuferzellen, die aus dem Knochenmark ausgeschwemmt werden, in geschädigte Organe gehen können und dieser Organe reparieren. Das heißt, dort an der Regeneration der Gewebe mithelfen können. Was wir nun entdeckt haben, war erstens, dass diese Stammzellen aus dem Knochenmark durch Erythropoietin beeinflussbar sind, das war vorher nicht bekannt. Wenn man Patienten mit Erythropoietin behandelt, dann kann man die Zahl der zirkulierenden Stammzellen im Blut erhöhen und darüber hinaus deren Differenzierungseigenschaften, das heißt das Regenerationspotenzial verstärken. Das haben wir zuerst bei den Patienten festgestellt, die weniger gut funktionierende Stammzellen haben. Dazu zählen zum Beispiel Patienten mit Niereninsuffizienz, von denen bekannt ist, dass sie an kardiovaskulären Erkrankungen leiden. Die Patienten haben wir behandelt, und gesehen, dass die Stammzellen zunehmen. Das zweite Wichtige ist, dass diese therapeutische Wirkung auf die Stammzellen in Konzentrationen einsetzt, die die bislang bekannten Wirkung auf die roten Blutzellen nicht beeinflusst. Das heißt, wir haben eine spezifische Wirkung von Erythropoietin auf diese Stammzellen, ohne bislang bekannten Nebenwirkungen.

    Krauter: Nun gab es eine Studie von deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, darin wurde genau auf die Nebenwirkungen von Erythropoietin hingewiesen. Danach sinkt die Prognose auch von Krebspatienten eher, wenn man das gibt. Aber das war in einem ganz anderen Dosisbereich, oder?

    Haller: Also ein ganz anderer Dosisbereich und eine ganz andere Indikation. Dort war man ja davon ausgegangen, dass es den Patienten hilft, indem es die roten Blutbildung fördert. Man hat also in den Dosierungen gearbeitet, in denen die roten Blutbildung angeregt wird. Wir arbeiten in Dosen, die deutlich darunter liegen. Deshalb ist das so interessant, man würde sonst mit Nebenwirkungen auf die roten Blutbildung rechnen, Aber das ist bei den Dosierungen, mit denen wir arbeiten, nicht zu sehen, sondern nur die Wirkung auf die Stammzellen beobachtet wird.

    Krauter: Therapie fast ohne Nebenwirkungen, dass klingt eigentlich zu gut, um wahr zu sein. Wo genau wäre denn eine Anwendung?

    Haller: Also, hier eröffnet sich natürlich ein weites Spektrum. Wir haben eine erste Studie vorgelegt, das ist bislang experimentell gezeigt. Das erste, das ich Ihnen erzählt habe, war am Menschen. Wir haben an einem Tiermodell Niereninsuffizienz, chronische Niereninsuffizienz erzeugt, und haben diese Tiere mit Erythropoietin in niedrigen Dosierungen behandelt, und konnten dort eine wirklich hervorragende schützende Wirkung auf die Entwicklung der chronische Niereninsuffizienz beobachten. Eine amerikanische Arbeitsgruppe hat Untersuchungen bei Herzinfarkt durchgeführt, auch am Tiermodell, und konnte dort zeigen, dass die Herzinfarktgröße um 50 Prozent verringert wird. Unter der Behandlung mit diesen niedrigen Erythropoietin-Dosierungen. Das zeigt Ihnen schon das Spektrum. Bei allen kardiovaskulären Erkrankungen, auch bei Nierenerkrankungen könnte man Erythropoietin einsetzen. Unsere Vorstellung ist, dass es im Gewebe über Stammzellen, aber möglicherweise auch über andere Mechanismen eine schützende Wirkung entfaltet.