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Dopingskandal in Russland
Moskauer Labor untersuchte trotz Sperrung weiter Blut

Im Zuge des russischen Dopingskandals wurden 2015 sowohl die Russische Anti-Doping-Agentur als auch das Moskauer Doping-Kontroll-Labor suspendiert. Die WADA ließ sich jedoch auf Kompromisse mit den Russen ein und verstrickte sich so in ein Gewirr aus Halb- und Unwahrheiten.

Von Heinz Peter Kreuzer | 09.06.2019
Russlands Anti-Doping-Agentur Rusada dementiert das angebliche Doping-Eingeständnis seiner Chefin.
Die Russische Anti-Doping-Agentur RUSADA wurde im September vergangenen Jahres wieder eingesetzt - die WADA machte Kompromisse (picture alliance / Anton Denisov / Sputnik / dpa)
Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat die Politik über den Schutz des sauberen Athleten gestellt. So kann man die Durchsetzung von Sanktionen beim russischen Staatsdoping bewerten.
Kaum hatte die WADA das Moskauer Doping-Kontroll-Labor suspendiert, gab es schon wieder die erste Lockerung. Denn die Sperre im November 2015 drohte die Sportwelt in ein Dilemma zu stürzen. Zahlreiche Verbandsfunktionäre erklärten damals, Russland sei ein großes Land und habe so viele Athleten, dass die Untersuchungen für den biologischen Blutpass schon aus logistischen Gründen nicht außerhalb Russlands geleistet werden könnten. Außerdem stand damals ein Großereignis vor der Tür, erinnert sich Andy Brown von der "Sports Integrity Initiative", eine Initative, die seit einigen Jahren Missstände im Sport beleuchtet:
"Das Hauptproblem war, dass die Olympischen Spiele in Rio vor der Tür standen. Und die Verbände benötigten Blutprofile für den biologischen Blutpass. Im Moskauer Labor hatten sie die Ausstattung für die Analysen. Deshalb hat die WADA sechs Monate nach der Suspendierung das Labor wieder für die Untersuchungen für den Blutpass zugelassen."
Das Analyseverfahren für den Blutpass wird mit einem automatisierten Gerät durchgeführt und wurde auch ständig von der WADA kontrolliert. Daher sah die WADA keine Gefahr der Manipulation. Von einem Neuanfang konnte keine Rede sein. Das Labor war immer noch im gleichen Gebäude und wurde trotz gegenteiliger Beteuerungen weiter staatlich finanziert. Die Zuständigkeit wechselte zwar vom Sportministerium zu einer Moskauer Universität. Aber bis heute zahlt ein staatlicher Hochschulfond die Kosten an Stelle des Ministeriums.
Problematisch ist vor allem das Personal des Labors. Denn das ist zum großen Teil identisch mit dem, dass auch an den Manipulationen bei den Winterspielen 2014 in Sotschi beteiligt war. Ein Grund für die WADA, seit Mai 2016 die Arbeit in Moskau zu beaufsichtigen.
WADA ließ sich hinhalten
Im Klartext: Die obersten Dopingbekämpfer hatten schon ab diesen Zeitpunkt Zugang zum Labor, nur nicht zum Labor-Informations-Managementsystem LMS und den 2.262 Proben von 2010. Das hat die Welt-Anti-Doping-Agentur mittlerweile bestätigt. Und das steht im Widerspruch zu der Behauptung, Schwierigkeiten beim Zutritt zum Moskauer Labor zu haben.
Der Zugang zu Proben und zum LMS wurde jedoch jahrelang mit der Begründung verweigert, ein Untersuchungsausschuss ermittelt noch gegen Grigory Rodchenkow, den früheren Leiter des Labors. Andy Brown:
"Bisher sind noch keine Ergebnisse bekannt. Vier Jahre später gibt es immer noch keine Strafen und es ist kein Ende in Sicht. Wer weiß, ob die Ermittlungen je beendet werden. Die WADA hätte sagen können, wir brauchen die Proben nach Ende der Ermittlungen, sonst können wir das Labor nicht wieder akkreditieren."
Doch die WADA ließ sich hinhalten. Auch der Umgang mit der Russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA ist umstritten. Die wurde im September vergangenen Jahres wieder eingesetzt, obwohl Jonathan Taylor, der Vorsitzende des Compliance Review Committee der WADA, einräumte, einen Kompromiss geschlossen zu haben, der die eigenen Kriterien nicht erfüllt hat.
"Das ist der kleinste gemeinsame Nenner nach den Ergebnissen des Untersuchungsberichts, ohne dass wir Bedingungen gestellt haben", sagt Taylor in einem Audiomitschnitt der Exekutivsitzung. In einem schriftlichen Protokoll ist die Bemerkung nicht zu finden. Schon im Mai 2017 hatte die WADA erlaubt, dass die RUSADA unter Aufsicht der britischen Anti Doping-Agentur wieder Blut- und Urinkontrollen durchführen darf.
Auch dies ein Beispiel dafür, dass die Welt-Anti-Doping-Agentur offenbar dem sportpolitischen Druck vor allen vonseiten des IOC offenbar nicht gewachsen war.