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Dopingsünder-Liste gehört ins Internet

Die Nationale Antidoping-Agentur Nada und Sportverbände erweisen sich ausgerechnet beim Umgang mit Dopingsündern als Hüter von Persönlichkeitsrechten. Allerdings ignorieren sie damit die Rechtslage.

Von Grit Hartmann | 06.06.2010
    Im neuen Nada-Jahrbuch findet sich eine brisante Passage, die indes leicht zu überlesen ist: Eher nebenbei teilt der Nada-Ombudsmann für Datenschutz mit, dass er wie andere aus seiner Zunft nichts davon hält, "sportrechtliche Entscheidungen mit Personenbezug" im Internet zu veröffentlichen. Sehr verständnisvoll ist von den Rechten "betroffener Athleten" die Rede, was freilich Dopingsünder meint. Der Datenschützer lobt die Diskretion der Nada, die generell auf Namensnennung verzichtet, und appelliert an die Verbände, es ihr online gleich zu tun.

    Sprengstoff birgt ein winziger Einschub: Diese Empfehlung, heißt es da, widerspreche "einem anderslautenden obergerichtlichen Urteil".

    Der Hinweis, dass die Nada es für angebracht hält, die Rechtslage zu ignorieren, wirft schon für sich genommen Fragen auf. Noch aufschlussreicher ist das erwähnte Urteil. Der 7. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichtes entschied jüngst, dass Internet-Veröffentlichungen über Dopingsünder keineswegs Persönlichkeitsrechte verletzen. Und zwar nicht einmal dann, wenn ein Verband geringe Sanktionen wie Verwarnungen mitteilt.

    Geklagt hatte ein Kaderathlet des Deutschen Ruder-Verbandes. Schon die Pressekammer des Hamburger Landgerichts, eigentlich als "Zensurkammer" berüchtigt, befand, der Sportler müsse Publizität hinnehmen. Denn er habe sich freiwillig den Anti-Doping-Regeln seines Verbandes unterworfen. Vor allem aber betont das Urteil das öffentliche Interesse an Information. Schließlich sei die Dopingbekämpfung "ein zentrales Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz". Dabei gehe es auch darum, "das Vertrauen auf Wettkämpfe ohne Dopingmanipulation wiederzugewinnen". Und deshalb verstoße eine Online-Veröffentlichung nicht, so schön formulieren die Richter tatsächlich, "gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden".

    Die juristische Lektion in Sachen Transparenz könnte klarer nicht sein. Noch dazu beschert sie dem deutschen Sport international ein Dilemma. Auch der Code der Welt-Antidoping-Agentur sieht nämlich vor, im Internet namentlich über Doping-Verstöße zu informieren. Weltweit wird das respektiert: In fast allen Ländern finden sich Übersichten auf den Webseiten der Antidoping-Agenturen oder der Verbände, oft schon über eingeleitete Verfahren. Die deutsche Nada jedoch hat ihren Code für einen angeblich vom Datenschutz diktierten Sonderweg modifiziert. Veröffentlichungspflicht besteht nur bei abgeschlossenen Verfahren und nur in der jeweiligen Verbandszeitschrift.

    Selten kommuniziert daher ein Verband so offen wie die Leichtathleten, die jüngst schon die positive Probe des Hürdenmeisters Thomas Goller mitteilten. Der Bund Deutscher Radfahrer hingegen hat neuerdings seine Praxis geändert. Zwar stellt er online Sportler für Belangloses an den Pranger, etwa, wenn sie Gebühren zu spät überweisen. Aber nach Dopingsperren sucht man seit Herbst vergeblich, immerhin vier waren´s bekanntlich seither.

    Auch über die anonymisierte Jahresübersicht der Nada darf die Öffentlichkeit rätseln: Gegen welchen Athleten des Deutschen Skiverbandes hat der Weltverband im Winter 2009 ein Verfahren eingeleitet? Oder: Wer verbirgt sich hinter den drei Dopingfällen im Deutschen Schwimm-Verband? Nur einer ist bekannt. Die Frage ist, wem die Nada mit ihrer Heimlichtuerei dienen will. Womöglich, um mit dem Hamburger Urteil zu sprechen, dem öffentlichen "Vertrauen" in den gern beschworenen sauberen deutschen Sport? Das wäre eine sehr spezielle Interpretation. Wie der Datenschutz als Vorwand für diese international ziemlich einzigartige Verschwiegenheit herhalten muss, lässt nur kaum einen anderen Schluss zu.