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Doppelt angeklagt: Der Fall Krombach

Man nehme: den mysteriösen Todesfall einer französischen Teenagerin mit dem deutschen Stiefvater als mutmaßlichen Täter, einen unerbittlich kämpfenden leiblichen Vater, zwei Rechtssysteme mit unterschiedlichen Auffassungen und eine Entführung: Die Mischung ergibt den Fall Krombach–Bamberski.

Von Burkhard Birke | 29.03.2011
    Letzterer, Bamberski, der leibliche Vater der 1982 mysteriös in Deutschland ums Leben gekommenen Kalinka, ist sogar bereit, ins Gefängnis zu gehen.

    Im Gegensatz zum mutmaßlichen Täter, dem deutschen Arzt Krombach: Verkehrte Welt!? Krombach lehnte es stets ab, sich der französischen Justiz zu stellen, wie er in einem seltenen Auftritt vor einigen Jahren einem französischen Fernsehteam gestand, das ihn an seiner Haustür überrumpelte:

    "Ich war sogar bereit, aber in Frankreich würde ich sofort festgenommen und im Gefängnis vergewaltigt – das ist normal im Knast. Hätte ich wie in Deutschland ins Hotel gekonnt ... aber in Frankreich käme ich sofort ins Gefängnis ..."

    Mittlerweile liegt der herzkranke Krombach in einer französischen Gefängnisklinik, freilich wider Willen, dank einer Entführung. Am 16. Oktober 2009 wurde er vor seiner Wohnung in Scheidegg im Allgäu von drei Männern zusammengeschlagen, geknebelt, gefesselt und im Laufe der Nacht in der Nähe eines Gerichtsgebäudes im elsässischen Mühlhausen auf die Straße geworfen. Anschließend verständigten die Entführer Bamberski, der wiederum die französische Justiz informierte.

    Eine Komplizenschaft akzeptiere er schlimmstenfalls, nicht aber die Mittäterschaft bei dieser Entführung, sagte André Bamberski unlängst in einem Interview:

    "Mein größter Fehler ist, aufrichtig zu sein, und ich habe zugegeben, dass ich meine Zustimmung zur Entführung gegeben habe."

    Gegen Bamberski läuft auch in Frankreich deshalb ein Verfahren. War er doch am Tag nach der Entführung im Elsass mit 18.000 Euro Bargeld gefunden worden. Bamberski behauptet allerdings, kein Geld gezahlt zu haben, befindet sich meldepflichtig auf freiem Fuß.

    "Es handelt sich um zwei verschiedene Verfahren, um den Fall Krombach vor dem Geschworenengericht und das Verfahren Bamberski. Beide sind juristisch betrachtet voneinander unabhängig, beim Strafmaß dürfte das eine sich aber auf das andere auswirken."
    Bamberski's Anwalt Laurent de Caunes erwartet Milde für den der Beihilfe zur Entführung und der Körperverletzung Verdächtigten in Frankreich.
    Dieter Krombach indes darf wohl kaum mit Milde rechnen, wenn es zum Prozess kommt. Denn zunächst muss vor dem Pariser Schwurgericht geklärt werden, ob er für ein Delikt zwei Mal belangt werden kann.

    1995 war Krombach in Frankreich wegen Kalinkas Tod zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, allerdings in Abwesenheit. Deshalb erkannte der Internationale Menschenrechtsgerichtshof das Urteil nicht an. Deutschland verweigerte stets die Auslieferung Krombachs. Die deutsche Justiz hatte wegen Kalinka kein Verfahren eröffnet, trotz zahlreicher Ungereimtheiten.
    Nach der Entführung verfährt Frankreich jetzt nach dem Prinzip male captus – bene detentus – schlecht erwischt, bleibt er für die französische Justiz ein guter Gefangener. Und Deutschland will auf die Rechtstaatlichkeit seines Partnerlandes vertrauen.

    Er erwarte von Deutschland und Frankreich, sich in dieser Angelegenheit korrekt zu verhalten, diesen Wunsch hatte Bamberski auch per Brief dem Staatspräsidenten und der Kanzlerin mitgeteilt. Denn ganz offensichtlich prallen unterschiedliche Rechtsempfinden aufeinander und der Fall wirft eine Fülle Fragen auf: Wie steht es um den europäischen Haftbefehl? Darf man Personen entführen und der Justiz überstellen? Kann mehr als 28 Jahre nach dem Tod Kalinkas, der Krombach ein Mittel gespritzt und die er anschließend vergewaltigt haben soll, die Wahrheit ermittelt werden? Zu denken gibt, dass bei der Obduktion von Kalinkas Leiche in Deutschland durch einen mit Krombach angeblich befreundeten Arzt die Geschlechtsteile entfernt worden sein sollen. Krombach ist 1997 überdies wegen Vergewaltigung einer sechzehnjährigen narkotisierten Patientin zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Obwohl ihm die Approbation entzogen wurde, wirkte er weiter als Arzt und rechnete mit den Krankenkassen ab. Umstände aus einer anderen Zeit, die der Unschuldsvermutung nicht gerade zuträglich sind. Ab heute liegt Dieter Krombachs Schicksal zunächst bei Richtern und Schöffen des Pariser Schwurgerichtes.