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Doppelt hält besser

Biologie. - Kakerlaken bestehen auch in widrigster Umgebung. Jetzt stießen Forscher auf ein Phänomen, das ein Schlüssel zu dieser Überlebenskraft der Tiere sein könnte: Fortpflanzung auf verschiedenen Wegen.

Von Michael Stang |
    Weibchen haben es bei der Fortpflanzung nicht leicht. Ein reifes Ei zu produzieren, ist für sie ein erheblicher energetischer Aufwand. Ganz im Gegensatz zum männlichen Geschlecht: Männchen können je nach Spezies pro Tag hunderttausende Spermien produzieren. Der enorme Aufwand der Weibchen steht noch nicht einmal in Relation zu ihrem Fortpflanzungserfolg, da ihr fruchtbares Zeitfenster oft sehr klein ist, sagt Patricia Moore von der University of Exeter im britischen Cornwall:

    "Wir haben uns gefragt, warum die Eier der Weibchen verderben, auch wenn sie gar nicht befruchtet wurden. Das ist eigentlich nicht logisch. Die Weibchen haben nicht viel Zeit, ihre Eier zu befruchten, sobald sie reif sind. Falls sie keinen Partner finden, können sie sie entweder verderben lassen oder sie auffressen, damit der immense Energieaufwand nicht völlig umsonst war."

    Einige Tiere wie zum Beispiel Ameisen können zwar männliches Sperma zum Teil über mehrere Jahre in ihrem Körper konservieren, eine effektive Strategie ist das jedoch auch nicht. Die britische Biologin untersuchte deshalb das Erbgut von Kakerlaken, um herauszufinden, warum Weibchen nicht in der Lage sind, ihre Eier über eine längere Zeit frisch und fruchtbar zu halten. Dabei hat Patricia Moore sich nicht für einzelne Gene interessiert, sondern für bestimmte Gengruppen. Bei ihren Versuchen paarte sie verschiedene Männchen mit einigen Weibchen. Bei den jeweiligen Halbgeschwistern, die alle entweder denselben Vater oder dieselbe Mutter hatten, hat sich Patricia Moore anschließend deren genetische Verteilung angeschaut.

    "Wir haben bei den Kakerlaken eine weitaus größere Variation gefunden als wir das erwartet hatten. Alle weiblichen Nachkommen bildeten zwei klare Gruppen: Die Vertreter der ersten Gruppe bekamen sofort Nachwuchs und zwar reichlich. Die Vertreter der zweiten Gruppe konnten ihre Eier zwar etwas konservieren, dafür bekamen sich aber wesentlich weniger Kinder. Offenbar hatten sie einen Teil der Eier verloren. Beide Gruppen konnten wir einfach voneinander unterscheiden und zwar abhängig davon, welchen Vater sie hatten."

    Die Biologin sah auch, dass die genetischen Unterschiede größer waren, sobald die frisch geschlüpften Kakerlakenweibchen unterschiedliche Väter hatten. Das Erbgut des Vaters bestimmt letztendlich die Fortpflanzungsstrategie der Töchter. Beide haben unterschiedliche Vor- und Nachteile.

    "Die Eier auf "Teufel komm raus" zu behalten, ist nicht zwangsläufig die beste Strategie bei den Kakerlaken. Wenn die Eier rechtzeitig abgestoßen werden, weil ein Weibchen keinen Partner gefunden hat und seine Eier auch noch eine nahrhafte Mahlzeit darstellen, ist das unter Umständen sehr effektiv. Wir vermuten, dass es eine Art Ausgleich zwischen beiden Taktiken gibt: entweder die Eier behalten und sich sofort paaren können oder nur in Zyklen fruchtbar zu sein."

    Die effektivere Strategie ist im Prinzip die, dass ein Weibchen seine Eier so lange wie möglich fruchtbar hält, damit es sich gegebenenfalls direkt mit einem Männchen paaren kann, sobald ihn eins über den Weg läuft. Das geht jedoch nicht nur auf Kosten der Anzahl der Nachkommen, sondern hat auch Auswirkungen auf die Qualität. Bei früheren Studien konnte Patricia Moore nachweisen, dass solche Weibchen keine Rücksicht mehr darauf nehmen, ob das Männchen zu ihm passt, Hauptsache, seine Eier werden schnell befruchtet. Dass es bei Kakerlaken tatsächlich zwei so unterschiedliche Strategien gibt, hatte die Forscherin nicht erwartet.

    "Die Ergebnisse waren schon sehr überraschend, weil wir nicht gedacht hätten, dass es solch klare genetische Unterschiede gibt. Normalerweise hat eine Strategie so deutliche Vorteile, dass sie sich mit der Zeit durchsetzt oder so klare Nachteile, dass sie einfach verschwindet."

    Keine der beiden Varianten konnte sich jedoch vollständig gegen die andere behaupten. Vielleicht ist gerade diese zweigleisige Strategie der Erfolg der Insekten, da er offensichtlich das Überleben einer Kakerlakenpopulation wahrscheinlicher macht. Doppelt hält eben besser.