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Doppelte Subventionen

Rund ein Drittel ihrer Einkommen beziehen Bauern in der Europäischen Union aus Subventionen. Verglichen mit ihren Schweizer Kollegen sind sie damit allerdings noch wahre Hungerleider: Die eidgenössischen Bauern bekommen rund 71 Prozent, also deutlich mehr als zwei Drittel ihrer Einnahmen vom Staat. Schweizer Landwirte, die in der Nähe der deutschen Grenze wohnen, können demnächst die Subventionen ihrer Heimat mit denen der EU kombinieren - was Berufskollegen aus Deutschland empört.

Von Thomas Wagner |
    Rüdlingen im Schweizer Kanton Schaffhausen - das kleine Örtchen besteht aus ein paar Höfen, die sich hinter einer saftig grünen Hügellandschaft den Blicken der Autofahrer weitgehend entziehen. Einer der Höfe gehört Erich Landolt, im Nebenamt Präsident des Schaffhauser Bauernverbandes:

    " Gleich hinter dem Haus verläuft die deutsch-schweizerische Grenze. Und das ist eigentlich normal für den Kanton Schaffhausen. Es gibt sehr viele Bauernhöfe im Kanton Schaffhausen. Bei denen verläuft eigentlich die Grenze zu Deutschland direkt über das Betriebsgelände. Also von daher übertritt man die Grenze mehrmals täglich, ohne dass man das überhaupt wahrnimmt."

    Dass die Schweizer Bauern im Grenzgebiet Felder dazupachten oder gar kaufen, erscheint da fast normal:

    " Es ist tatsächlich so, dass man in Deutschland das Land preisgünstiger bekommt. Die Preise sind dort wesentlich niedriger sowohl zum Kaufen als auch zum Pachten. Wenn das Angebot vorhanden ist, bekommt man in Deutschland Boden so zwischen 10 000 und 20 000 Euro pro Hektar. Und wenn ich die gleiche Fläche kaufen will, gleiche Qualität, dann ist das in der Schweiz schon mal das Doppelte."

    3500 Hektar Acker- und Grünland zwischen Waldshut und Konstanz befinden sich in der Obhut Schweizer Landwirte - ein Ärgernis aus Sicht der deutschen Bauern. Denn sie verdienen längst nicht so gut wie ihre Schweizer Kollegen. Ewald Leichenauer, Landwirt in Tengen an der Grenze zum Kanton Schaffhausen:

    " In der Schweiz gilt der Landwirt noch was. Der Schweizer Landwirt hat viel höhere Einkommen. Er hat ungefähr das Dreifache beim Getreide, hat viel mehr bei der Milch. Und somit sind die zahlungskräftiger."

    Das heißt: Wenn im deutschen Grenzgebiet Felder und Grünland zum Kauf oder zur Neuverpachtung anstehen, schnappen die Schweizer mit den dickeren Geldbeuteln zu:

    " Wenn einer in Deutschland sein Feld verpachtet oder verkaufen will, dann sagt jeder: Wer mehr zahlt, der kriegt das."

    Doch damit nicht genug. Seit kurzem steht den deutschen Landwirten neuer Ärger ins Haus. Erwin Leichenauer:

    " Die EU hat jetzt den Schweizer Landwirten EU-Beihilfen gewährt. Die kriegen jetzt die EU-Prämie."

    Dass EU-Agrarfördermittel zukünftig auch noch an die direkte Konkurrenz im Nicht-EU-Nachbarland Schweiz gezahlt werden sollen, klang für die betroffenen Landwirte auf deutscher Seite zunächst wie ein schlechter Scherz. Doch mittlerweile wissen sie: Die EU will damit Ernst machen. Erich Landolt vom Schaffhauser Bauernverband:

    " Der Grund dafür liegt in der Reform der EU-Agrarpolitik. Also die Europäische Union ändert ihre Agrarpolitik insofern, dass sie die Förderung der Landwirtschaft nicht mehr über die Produkte-Stützung macht, also nicht mehr die Preise von Fleisch oder Milch stützen will, sondern dass sie die Bauern unterstützen will, indem sie den Bauern direkte Beiträge zahlt pro Hektar."

    Erich Landolt ist sich in einem Punkt mit den deutschen Bauern einig: An die besondere Situation im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet hat bei dieser Agrarreform in Brüssel niemand gedacht:

    " Da hat die EU-Kommission in Brüssel entschieden, dass es keine Rolle spielt, wer das Land bewirtschaftet. Also ich gehe mal davon aus, die haben gar nicht so sehr an die Schweizer Bauern gedacht. Man muss natürlich auch die Relation mal sehen: Wenn Sie diese Flächen nehmen, die von Schweizer Bauern im EU-Raum bewirtschaftet werden, dann ist das aus Sicht eines EU-Funktionärs absolut vernachlässigbar."

    Aus Sicht der betroffenen baden-württembergischen Landwirte aber keineswegs: Immerhin winken jährliche Förderprämien von 300 Euro pro Hektar Ackerland und 70 Euro pro Hektar Grünland. Da kommen, haben die Landwirtschaftsämter ausgerechnet, so um die eine Million Euro EU-Agrarförderung heraus, die in die Schweiz fließen. Die deutschen Bauern wittern dahinter eine ungerechte Subventionierung ihrer Schweizer Konkurrenten. Und die wird ausgerechnet durch die EU finanziert, also teilweise auch durch Steuergelder der deutschen Bauern. Ein Unding, findet der Tengener Landwirt Erich Landolt:

    " Versagt hat die EU. Es kann nicht sein. Die Schweiz ist nicht in der EU und pickt sich die Rosinen raus. So geht das nicht."

    Landolt fordert im Gleichklang mit dem Badisch-Landwirtschaftlichen Hauptverband eine Änderung der europäischen Agrar-Subventionsregeln, die die Schweizer Landwirte ausschließt. Von denen haben vorsichtshalber viele die Antragsformulare schnell ausgefüllt. Jürgen Boschart vom Landwirtschaftsamt im Landkreis Konstanz:

    " Es sind keine Einzelfälle. Das ist eine ganze Menge. Wir sind natürlich verpflichtet von der Verwaltungsseite her, diese Anträge anzunehmen und auch entsprechend zu bearbeiten. Und die werden dann, wenn sich politisch nichts ändert, auch bewilligt werden."

    Allerdings haben nicht alle Schweizer Landwirte, die Flächen in Deutschland bewirtschaften, Förderanträge gestellt. Denn derzeit ist unklar, ob ein Landwirt weiterhin Schweizer Fördergelder bekommt, wenn er die EU-Prämien beantragt. Erich Landolt aus Rüdlingen gehört zu denjenigen, die für ihre deutsche Parzelle auf die EU-Fördergelder verzichten:

    " Wenn dieses Geld einmal fließen sollte, dann ist das verbunden mit einer rigorosen Kontrolle. Also auch der Schweizer Bauer wird sich der Kontrolle, wie sie die EU vorschreibt, also diese Cross-Compliance-Kontrolle, nicht entziehen können. Und das ist relativ kompliziert und relativ aufwändig. Und da muss ich sagen: Für meine kleine Fläche lohnt sich dieser administrative Aufwand meines Erachtens nicht."