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Drachen, Doppelgänger und Dämonen

Wir sehen Dinge, die es nicht gibt, spüren Berührungen, obwohl uns niemand berührt, und riechen Gerüche, die längst verflogen sind. Halluzinationen entstehen durch Krankheiten, aber auch durch Drogen oder emotionale Ekstase. Sie entführen uns in eine nicht existierende Welt. Das macht sie rätselhaft und manchmal bedrohlich.

Rezension: Michael Lange | 17.03.2013
    In der für ihn typischen Mischung aus wissenschaftlicher Neugier und menschlichem Einfühlungsvermögen beschreibt der Neurologe Oliver Sacks eine Welt im Kopf, die als real wahrgenommen wird, obwohl sie nicht real ist. Unser Gehirn erfindet Formen und Gestalten scheinbar ohne Bezug zur Realität. Und dennoch haben viele Halluzinationen irgendwie mit den persönlichen Erfahrungen zu tun. Statt mit Hilfe der Sinnesorgane die Außenwelt in unserem Kopf abzubilden, schafft das Gehirn eine eigene Welt und kombiniert sie mit der so genannten Wirklichkeit. Und so wohnt in diesen Trugbildern ein Zauber, den Oliver Sacks auch für jene spürbar macht, die ihn bisher nicht kannten.

    Auch wenn viele Informationen in diesem Buch für Fachleute nicht neu sein mögen, Oliver Sacks verschafft wie in seinen früheren Büchern seinen Lesern die Möglichkeit, sich in andere Menschen hinein zu versetzen. Seine Informationen stammen von seinen Patienten und Lesern, aus der Wissenschaftsgeschichte und manchmal auch aus eigener Erfahrung. Die Art wie er darüber schreibt, macht den 79jährigen zu einem Medizinerzähler, wie es nur wenige gibt. Vielleicht sogar nur einen.
    Oliver Sacks: Drachen, Doppelgänger und Dämonen. Über Menschen mit Halluzinationen
    Übersetzung von Hainer Kober
    ISBN: 978-3-498-06420-4
    Rowohlt, 352 Seiten, 22,95 Euro