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Draculas Erbe

Dracula - der Name löst Schaudern und Faszination aus. Für Rumänien eine gute Mischung. Denn mit dem Blutsauger lässt sich Geld verdienen, war doch das historische Vorbild für den Vampir ein Rumäne: der walachische Fürst Vlad. Bis 1989 war der Dracula-Tourismus allerdings verboten, weil Diktator Ceausescu nicht mit dem Blutsauger verglichen werden wollte. Danach kam das Vampir-Geschäft in Schwung, etwa in den Südkarpaten mit der Festung Poenari, wo einst die Residenz Vlads war. Ein Bericht von Keno Verseck.

    Tapfer schleppen die Touristen aus den USA ihr Gewicht empor zur Festung; 1.480 Stufen. Nach einer knappen Stunde endlich oben, in 860 Metern Höhe. Stöhnend lehnen die Amerikaner an Mauern, zwischen denen vor fünf Jahrhunderten Vlad der Pfähler alias Dracula wandelte. Maliziös lächelnd blickt der Festungswächter Adrian Sandu die Touristen an.

    "Viele Ausländer fragen, ob er wirklich hier gewohnt hat, ob er Vampir war, ob es hier Geister gibt. Viele haben Angst, aber ich sage ihnen immer, dass sie einfach furchtlos durch die Festung gehen sollen."

    Der Touristenführer Bogdan Popa hat seine Gäste aus den USA ein wenig verschnaufen lassen. Nun hält er einen Vortrag über die Festung und den Pfähler. Der bärtige 30-Jährige ist Historiker an der Bukarester Universität. Im Nebenberuf arbeitet er als Touristenführer bei der "Transylvanian Society of Dracula", einer Firma, die Dracula-Reisen veranstaltet und dabei auch in Poenari Station macht.

    "Wer sich für die Geschichte von Vlad dem Pfähler oder für den Grafen Dracula von Bram Stoker interessiert, der muss diesen Ort besuchen. Die Festung ist Teil der realen Geschichte des Pfählers, und auch Coppolas Dracula-Film beginnt damit, dass die Frau des Pfählers sich aus dieser Festung stürzt, um nicht in türkische Gefangenschaft zu geraten."

    Andrea Halley hängt förmlich an den Lippen des Touristenführers. Die 25-jährige US-Amerikanerin hat vor einigen Monaten den Dracula-Roman gelesen, nun will sie alles über Vlad den Pfähler erfahren.

    "Es ist wunderbar, die Orte zu sehen, an denen er war, an denen er vor 600 Jahren umher gelaufen ist und Befehle gab. Es ist sehr interessant. Ich kann gar nicht genug davon bekommen."

    Während die Touristen Bogdan Popa lauschen, schreit ein paar Schritte weiter eine rumänische Lehrerin ihre Schulkinder an. Die Zweitklässler sollen nicht umherrennen, sie sollen begreifen, dass Vlad der Pfähler die Walachei von diesem Ort aus grausam, aber gerecht regiert hat. Bogdan Popa lächelt, als er das hört. Er weiß: Für die meisten Rumänen ist Vlad der Pfähler ein Nationalheld.

    "Rumänien bedeutet viel Korruption, im Großen wie im Kleinen. Rumänien bedeutet einen sehr laxen Umgang mit dem Gesetz. Klar, dass die Leute sich einen Führer wie Vlad den Pfähler wünschen. Vom Staatschef wird viel erwartet, manchmal eben auch extreme Maßnahmen. Aber wir leben im 21. Jahrhundert, nicht im Mittelalter. Wir pfählen nicht mehr einfach willkürlich Leute. Heute ist es Aufgabe der Justiz, Recht zu sprechen."