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Drähte, dick wie Oberarme

In diesen Wochen beginnt der Bau des ersten Offshore-Windparks vor Borkum. Doch auf dem Meer, wo der Strom entsteht, wird er nicht gebraucht: Die Elektrizität muss an Land. Deshalb rechnen die Hersteller von Seekabeln mit einer Auftragswelle. Dazu gehören auch die Norddeutschen Seekabelwerke in Nordenham.

Von Theo Geers |
    "Der Fertigungsprozess als solcher ist Hightech und das Verpacken der Adern in diesen Verbund und der Umgang mit diesen Gewichten – das ist Hightech. Eine Trommel, die wir in unser Verseilgerät einspannen, ist 50 Tonnen schwer. Und davon drei Stück, das müssen sie umeinander drehen, und dann müssen sie dieses Produkt so ablegen, dass es unbeschadet armiert, also mit Stahldrähten umwickelt werden kann und dann müssen sie dieses Produkt auf ein Schiff bringen, was ihnen dieses Produkt dann auch verlegen kann."
    Wenn Rudolf Stahl, der Geschäftsführer der Norddeutschen Seekabelwerke, die neue Verseilmaschine beschreibt, kommt er genauso auf Touren wie die Maschine selbst. 40 Millionen Euro haben das gut 50 Meter lange Monstrum und die dazugehörige neue fast 200 Meter lange Halle am Ufer der Unterweser in Nordenham gekostet. Wenn jetzt auch noch die zweite Armierungssektion ihre Testläufe absolviert hat, dann ist NSW endlich das, was es schon immer sein sollte: Ein Anbieter für
    "Alle Kabel, die mit Wasser zu tun haben.'"

    Tatsächlich sind die Norddeutschen Seekabelwerke mit der neuen Verseilmaschine in eine neue Dimension vorgestoßen. Seit über 100 Jahren hat das Unternehmen einen Namen als Anbieter von Seekabeln für den Telefon- und Datenverkehr. Mit der neuen Maschine kann NSW auch im Boom-Markt der Zukunft mitmischen – der Verkabelung von Windturbinen auf See untereinander und dem Anschluss dieser Offshore-Windparks auf See an die Stromnetze an Land. 160 Milliarden Euro werden in den kommenden Jahren weltweit in Offshore-Windparks investiert, zehn Prozent davon entfallen auf die Verkabelung und von diesem Kuchen will sich die NSW in Nordenham ein dickes Stück abschneiden:

    "Das wären 40 Prozent vom Kuchen. Also wenn man von 16 Milliarden ausgeht davon 40 Prozent ... Also wir haben mal eine Größenordnung drei bis vier Milliarden als Marktgröße gesetzt, das ist jetzt rein Größenordnung Windparks und Windparkverkabelung. Und Wir sind relativ sicher, dass wir da auf das richtige Pferd setzen."
    Dick wie ein Oberarm sind die Anschlusskabel für die Verbindung von Windturbinen untereinander. Das Sammelkabel für den Stromtransport an Land ist dann so dick wie ein kräftiger Oberschenkel.

    Ungefähr 30 Zentimeter Durchmesser und da kommen sie auf 35 bis 40 Kilometer Länge auf acht bis 10.000 Tonnen Kabelgewicht!

    Produziert werden sie in zwei Schritten: Drei etwa daumendicke Kupferstränge für den Strom, ein Glasfaserkabel für die spätere Fernsteuerung von Land aus sowie mehrere Kunststoffstränge, welche die Hohlräume ausfüllen, werden zunächst in der riesigen Verseilmaschine zu einem kilometerlangen Strang verflochten und außen vor der Halle auf dem sogenannten Turntable erst einmal aufgewickelt. Vom Turntabel, der an eine überdimensionale Kabeltrommel mit gut 20 Meter Durchmesser erinnert, durchläuft der Strang die Armierungsmaschine. Hier wird der Strang mit Stahldraht umwickelt, damit das Seekabel hinterher nicht reißt, und am Schluss mit schwarzem Kunststoff ummantelt.

    Das dann fertige kilometerlange Kabel wird auf einem zweiten Turntable aufgewickelt und zwischengelagert, bis es von dort auf die riesigen Kabeltrommeln des firmeneigenen Verlegeschiffs geht. Die Fähigkeit, das Seekabel auch gleich zu verlegen, ist ein zusätzliches Verkaufsargument bei NSW, aber nicht das einzige.

    "Ein Kabel zu verlegen, ist relativ simpel, aber wie reparieren sie so ein Kabel? Da glauben wir schon, dass wir gut dastehen. Das Segment wo wir uns bewegen ist Infield-Verkableung und Inselverbindungen, damit haben wir ein relativ gutes Alleinstellungsmerkmal."

    Entsprechend groß ist der Optimismus von Rudolf Stahl. Auch wenn sich der Bau etlicher Windparks wegen der Finanzkrise immer weiter verzögert – die Investition in die neue Verseilmaschine hat sich schon jetzt gelohnt. Durch den Einstieg in das Energiekabelgeschäft haben die NSW ihren Jahresumsatz von 110 auf 200 Millionen Euro fast verdoppelt. Und das in nur zwei Jahren. In drei weiteren Jahren sollen es 300 bis 350 Millionen Euro sein, was die Position auf dem Weltmarkt absichert:

    "Wir rangieren so zwischen drei und Nummer vier - weltweit."
    Und da will Rudolf Stahl die Norddeutschen Seekabelwerke, eine 100-prozentige Tochter des US-Konzerns General Cable, auch halten. Vor über 100 Jahren waren es die Telefonkabel, vor 30 Jahren kamen die Glasfaserkabel hinzu, vor zwei Jahren die Energiekabel. Das Zukunftsgeschäft liegt in der Kombination von Kommunikation und Stromversorgung vor allem dann, wenn Öl und Gas nicht mehr wie jetzt mit Plattformen auf See gefördert werden, sondern wegen der immer größer werdenden Wassertiefen mit Anlagen am Meeresgrund. Noch ist das Zukunftsmusik. Erste Erfahrungen sammeln die NSW deshalb mit der Fernsteuerung von konventionellen Öl-Gas-Platformen.-

    "Heute ist es wichtig, die Anlagen so lange wie möglich laufen zu lassen. Und wenn mal ein Sturm kommt im Golf von Mexiko, dann ist wichtig, dass diese Anlagen möglichst spät abgeschaltet werden und dazu braucht man viele Daten und wir liefern die Möglichkeit, dass diese Anlagen auch unbemannt weiter betrieben werden bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, um dann abgeschaltet zu werden."

    Die Norddeutschen Seekabelwerke im Internet: