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Drastische Folgen für Polen befürchtet

Die Pläne der EU-Kommission, die staatlichen Beihilfen für die Steinkohle bereits im Jahr 2014 zu stoppen und alle unrentablen Bergwerke bis dahin zu schließen, haben in Polen heftige Reaktionen ausgelöst. 60.000 Bergleute und ihre Familien fürchten um ihre Existenz.

Von Ludger Kazmierczak | 22.07.2010
    Die Windräder im Nordosten Polens lassen auf einen ökologischen Sinneswandel schließen, aber der Eindruck täuscht. Wichtigster Energieträger des Landes ist und bleibt die Steinkohle. In den verbliebenen knapp 20 Bergwerken des Landes arbeiten trotz eines massiven Stellenabbaus immer noch mehr als 60.000 Menschen. Sollte der Vorschlag der EU-Kommission tatsächlich von den 27 Mitgliedsstaaten abgesegnet werden, wäre das für Polen ein Desaster, sagt Vize-Wirtschaftsminister Janusz Steinhoff in einem Telefoninterview.

    "Damit wäre es nicht mehr möglich, in die Steinkohle zu investieren. Dabei wird die besondere Situation hierzulande übersehen. Wir produzieren 90 Prozent unserer gesamten Energie aus Rohstoffen. Das ist also keine gute Nachricht."

    Die Regierung hat Maßnahmen ergriffen, um unabhängiger von der Kohle zu werden. So soll bis 2020 das erste AKW des Landes entstehen. Dieses wird aber allenfalls 15 Prozent des benötigten Stromes liefern können. Ohne Kohle wird es daher auch langfristig nicht gehen. Die Gruben, die vor allem in Schlesien und in der Nähe von Lublin liegen, gehören drei großen polnischen Gesellschaften. Alle haben das gleiche Problem: Die Gewinne, die vor allem die jüngeren, modernen Bergwerke abwerfen, reichen nicht aus, um die Verluste der älteren, meist maroden Anlagen wett zu machen. 400 Millionen Zloty, umgerechnet etwa 100 Millionen Euro hat der Staat im vergangenen Jahr zuschießen müssen, um alle Standorte erhalten zu können. Sollte Brüssel solche Subventionen verbieten, würde das drastische Folgen für Polen haben, so der Gewerkschaftssprecher Dominik Kolorz.

    "Es kann sein, dass diese Betrieb ohne Hilfe des Staates in zehn Jahren nicht mehr in der Lage sind, Kohle zu fördern."

    Der Regierung von Premier Donald Tusk kommt der Vorstoß der EU-Kommission vermutlich nicht ganz ungelegen. Sie würde selbst gerne unrentable Bergwerke dicht machen, will sich aber nicht mit den Kumpeln anlegen – aus Angst vor Streiks und dem Verlust von Wählerstimmen. Polen wählt nächstes Jahr ein neues Parlament. Mit 60.000 Bergleuten will es sich natürlich kein Politiker verscherzen.