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Drastisches Ende einer Forscherkarriere

Wissenschaftspolitik. - Seit dem vergangenen August hat eine Untersuchungskommission der Universität Frankfurt die Fälschungsvorwürfe gegen den Anthropologie-Professor Reiner Protsch von Zieten untersucht. Der Wissenschaftler soll Daten in großem Umfang gefälscht haben. Das Gremium empfahl, dem mittlerweile in den Ruhestand getretenen Forscher das Ruhegehalt abzuerkennen. Der Kommissionsvorsitzende Professor Ulrich Brandt erläuterte im Deutschlandfunk den Bericht. Die Fragen stellte Uli Blumenthal.

17.02.2005
    Blumenthal: Die Schuld ist durch die Kommission festgestellt worden, welches Strafmaß trifft Rainer Protsch von Zieten denn nun?

    Brandt: Das kann man natürlich so nicht beantworten. Wir haben das Strafmaß festgestellt, wie wir das als nichtjuristische Instanz konnten. Das heisst, wir haben Untersuchungen angestellt, ohne natürlich die Möglichkeiten einer Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts zu haben. Das Strafmaß bleibt letztlich den Disziplinargericht vorbehalten. Wir haben aber sehr wohl auf Grund der Schwere und des Umfangs des wissenschaftlichen Fehlverhaltens, das wir feststellen mussten, angeregt, im Disziplinarverfahren die Aberkennung der Pension anzustreben. Was jetzt nach der Pensionierung von Herrn Protsch die maximale Strafe sozusagen wäre.

    Blumenthal: Meinen Sie denn auch, dass diese Empfehlung umgesetzt werden kann?

    Brandt: Das kann ich nur grundsätzlich beantworten: Es ist durchaus möglich, auch auf Grund von wissenschaftlichen Fehlverhalten, so eine Maßnahmen zu verhängen. Aber wie gesagt, das bleibt den Juristen vorbehalten, das letztendlich zu beurteilen. Man muss natürlich auch noch berücksichtigen, dass parallel ein Strafverfahren läuft. Es werden also auch noch Straftatbestände von der Frankfurter Staatsanwaltschaft geprüft, und das wird natürlich zusammen zu einer disziplinarrechtlichen Bewertung führen.

    Blumenthal: Was bedeutet der Abschlussbericht jetzt wissenschaftlich für die Universität, aber auch für das Fachgebiet der Anthropologie? Muss jetzt einen " neues Bild der Entwicklung des modernen Menschen " gezeichnet werden?

    Brandt: Das ist natürlich den Experten vorbehalten, und das stand natürlich auch bei unseren Untersuchungen nicht im Mittelpunkt. Allerdings haben die Experten, die wir befragt haben, sich dahingehend geäußert, dass das in dem Maße nicht notwendig ist, weil viele der Ergebnisse von Protsch schon seit Jahren angezweifelt wurden. Insofern steht das Bild nicht unverrückbar da. Allerdings werden natürlich viele Ergebnisse, die immer noch in der Literatur diskutiert wurden, jetzt anders bewertet werden müssen. Im Einzelfall ist das wirklich schwer abzuschätzen unseren dem Fachgebiet vorbehalten bleiben.

    Blumenthal: Seit fast 20 Jahren war bekannt, dass es Manipulationen gab. Wie kann es sein, dass Kollegen das wissen und darüber geschwiegen haben?

    Brandt: Also, es ist ein bisschen komplizierter. Immer wieder sind Vorwürfe vorgebracht worden, man hat sich auch in an der Universität immer wieder damit beschäftigt. Allerdings hat man das lange Jahre immer nur unter dem strafrechtlichen Aspekt gesehen. Und diese Sensibilität, dass wissenschaftliches Fehlverhalten an sich schon vor einer strafrechtlichen Relevanz verfolgt werden muss, ist eigentlich erst Ende der 90er Jahre wegen einiger prominenter Fälle gewachsen. Und seit 1998 gibt es unsere Kommission, es gibt auch einen Ombudsmann zum Umgang mit wissenschaftlichen Fehlverhalten. Dann hat es offensichtlich noch einige Jahren gedauert, bis dann wieder ein Fall zu Tage trat, ein eklatante Fehlverhalten, das jetzt diesen ganzen Prozess in Gang gesetzt hat. Und das läuft jetzt seit einem Jahr, und in dieser Zeit hat das jetzige Präsidium sehr konsequent und zielstrebig dann auch dafür gesorgt, die Dinge aufzuklären.

    Blumenthal: Reicht ein Ombudsmann aus, wenn im Abschlussbericht von der Mitverantwortung des Fachbereichs Biologie oder gar der Universität die Rede ist. Man würde natürlich denken, dass man da jetzt einiges umkrempeln müsste, oder ist es nicht so?

    Brandt: So schlimm ist es nicht. Aber wir haben dem Präsidium empfohlen, und sie werden auch der Empfehlung folgen, das Bewusstsein in der Universität erheblich zu verschärfen. So hat das Präsidium angekündigt, dass in Zukunft bei jeder Berufung im Rahmen der Berufungsverhandlung auf diese Gremien und auf die Bedeutung dieses Gegenstands hingewiesen wird.