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Draußen vor der Tür

Während wir in warmen Wohnzimmern sitzen, schlafen sie unter Brücken, in Hallen, in zugigen Notunterkünften: Obdachlose werden von der kalten Jahreszeit hart getroffen. Viele deutsche Städte tun etwas für diese Menschen - bundesweit sind es über 245.000, die ohne Zuhause sind.

Von Verena Herb und Anke Petermann | 11.12.2011
    Autos fahren über die Helgoländer Allee, Touristen wandern – dick vermummt mit Mütze und Schal - von den Landungsbrücken den Hügel hoch Richtung Reeperbahn. Auf halber Strecke kommen sie unter der Kersten-Miles-Brücke hindurch. Auf der rechten Straßenseite liegen Schlafsäcke aufgereiht nebeneinander, die Decken und bunten Plastiktüten grenzen die jeweiligen Schlafplätze ab. Bierflaschen stehen herum. Am Abend, wenn in den Eisentonnen das Feuer angemacht wird, übernachten dort manchmal bis zu 40 Obdachlose.

    Im September dieses Jahres lässt der Amtsleiter für den Bezirk Mitte, Markus Schreiber, dort einen Zaun errichten. 20 Meter lang, 2 Meter 80 hoch. 18.000 Euro hat der Zaun gekostet.

    "Der Zaun hat verhindert, dass die Menschen da lagern."

    Erklärt der Sozialdemokrat. Es habe zahlreiche Beschwerden über Verunreinigung gegeben, außerdem mehrere Straftaten unter den Obdachlosen. Einen Fall von Totschlag und eine Vergewaltigung im Jahr 2010 bestätigt auch die Hamburger Polizei, die vielen Beschwerden hingegen nicht. Der Zaun zeigt Wirkung. Die Obdachlosen verschwinden – was folgt, ist Widerstand.

    "Wo ist meine Eisensäge, wo ist meine Flex? Verdammte Scheiße, dieser Schreiber und sein Zaun müssen weg. Asozial. Demokraten und wir schlagen Alarm. Denn ihr bekämpft nicht Armut, ihr bekämpft nur die Armen".

    Anwohner aus Sankt Pauli und der ganzen Hansestadt kommen zur Brücke. Der Zaun wird zum Mahnmal:

    "Schande für die ganze Stadt. Alles geleckt und sauber, das ist Eure Hansestadt. Wir wolln ne andere Stadt. Eine Stadt für alle Menschen. Ich sag und meine alle, ohne einen auszugrenzen."

    Kränze werden niedergelegt, Opferkerzen aufgestellt. Die Bürger fordern "Schreiber abschreiben", sie protestieren dagegen, ...

    "... dass die Stadt hier so nen Zaun aufstellt, und die Obdachlosen einfach aus dem Viertel vertreibt. Weil ich finde, die gehören auch ein Stück weit mit zu Sankt Pauli. Und wir sind – wir werden – zu schick.
    Wir als Anwohner, wir müssen hier deutlich machen, dass wir uns das nicht bieten lassen. Und dass wir solidarisch mit den Obdachlosen sind. Die auch unsere Nachbarn sind."

    Der Protest hat Erfolg. Der Sozialdemokrat Schreiber beugt sich dem Druck. Nach neun Tagen wird der Zaun abgerissen.

    Auf Anraten von Schreibers Partei, der SPD, wird ein runder Tisch initiiert – Sozialarbeiter und Politiker überlegen, wie die Situation unter der Kersten-Miles-Brücke verbessert werden kann. Das Ergebnis: Es wird eine öffentliche Toilette unter der Brücke errichtet. Außerdem sollen verstärkt mobile Sozialarbeiter eingesetzt werden, um vor Ort mit den Menschen zu reden. Für Stefan Karrenbauer, Sozialarbeiter bei der Obdachlosenzeitung Hinz und Kunzt, ist besonders wichtig, ...

    "... dass die Sozialarbeit nicht einfach sporadisch da vorbeigehen soll, sondern die muss wirklich die Aufgabe haben, eine Gesamtbefriedigung der Situation herzustellen. Das heißt, die müssen auch Kontakt aufnehmen zur Polizei. Die müssen Kontakt aufnehmen zur Bevölkerung, wenn dort eine Beschwerdelage vorliegt. Und dann muss man gucken, wie man das irgendwie in den Griff kriegt."

    Es geht darum, Regeln aufzustellen: Auch und vor allem, was die Sauberkeit angeht - Konflikte mit den Anwohnern sollen so vermieden werden. Den Bewohnern der Brücke wurden kürzlich Besen und Schaufel von der Stadt zur Verfügung gestellt. Auch fährt die Stadtreinigung dort regelmäßig vorbei. Ein erster kleiner Schritt. Die Lage scheint sich zu entspannen.

    Im gesamten Bundesgebiet leben 22.000 Männer und Frauen auf der Straße. Thorsten Meiners ist einer von ihnen. Seit sechs Jahren ist er obdachlos.

    "Aber es gibt in Hamburg unzählige leer stehende Häuser, von Geschäftsräumen bis hin zu Bürogebäuden oder leer stehenden Villen. Und die suche ich mir. Und ohne, dass ich da einbrechen muss, komme ich da rein."

    Die Menschen, die auf der Straße leben – Platte machen – sie sind nur ein kleiner Teil. Die meisten Wohnungslosen leben in Notunterkünften, Heimen und Pensionen, wo sie nicht selten zu fünft in einem Zimmer leben. Die Hansestadt Hamburg zum Beispiel stellt über 3500 Schlafplätze in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung. Zusätzlich gibt es in den Wintermonaten von November bis April - wie in allen größeren deutschen Städten auch - ein Winternotprogramm.
    In diesem Jahr hat die SPD-geführte Sozialbehörde zum Winternotprogramm unweit des Hauptbahnhofs ein Bürogebäude umfunktioniert. Sozialsenator Detlef Scheele:

    "Wir haben diese Übernachtungsplätze, glaube ich, in einer Form, wie sie auch die Menschen gewünscht haben, die für Obdachlose sich in Hamburg engagieren, in Zwei-, Vier- und Sechsbettzimmern – also keine Schlafsäle. Wir haben getrennte Wasch- und Duschgelegenheiten für Männer und Frauen. Und wir haben uns auch bemüht, Schlafplätze für Menschen mit Hunden einzurichten."

    160 zusätzliche Plätze sollten es sein – inzwischen aber übernachten zeitweise fast 200 Obdachlose in der Spaldingstraße. Die Auslastung liegt bei knapp 150 Prozent: Wie alle Obdachloseneinrichtungen in Hamburg ist auch diese temporäre Anlaufstelle maßlos überlaufen. Der 47-jährige Obdachlose Thorsten Meiners würde die Spaldingstrasse nur aufsuchen, wenn es gar nicht anders geht.

    "In der Sportallee, wo bisher die meisten untergebracht waren, war´s tatsächlich so, dass da viel geklaut worden ist. Viel Ärger gab, weil wenn das Elend dieser Menschen aufeinandertrifft, dann spiegelt man sich ja quasi immer selbst. Und dann wird einem das eigene Elend auch bewusster. Und es kommt dann einfach zu Aggressionen, wenn man dann in Vierer- oder Achtbettzimmern schläft."
    Nach neuesten Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe wird die Zahl der Obdachlosen in Deutschland weiter steigen. Waren im vergangenen Jahr 248.000 Menschen in Deutschland ohne Obdach, rechnen die Armutsforscher bis 2015 mit einem Anstieg auf 280.000.

    Es hat sich viel verändert in den letzten zwei Jahrzehnten, sagt auch Sozialarbeiter Stefan Karrenbauer, der seit 16 Jahren für die Obdachloseninstitution Hinz und Kunzt arbeitet. Im Zuge der Osterweiterung kommen seit einigen Jahren vermehrt Menschen aus Ost- und Südosteuropa nach Deutschland, um hier zu arbeiten.

    "Wanderarbeiter, die versucht haben, hier Fuß zu fassen. Sind gescheitert und leben halt hier auf der Straße. Es fing mit Polen an. Jetzt dürfen die ja ganz normal hier arbeiten, was sie die Jahre zuvor halt auch nicht konnten. Sprechen kaum Deutsch. Und es ist ganz schwierig, mit denen in Kontakt zu treten. Und jetzt, seit drei, vier Jahren haben wir verstärkt Menschen aus Bulgarien und Rumänien."

    Lange Zeit haben die Politiker diese gescheiterten Arbeitsmigranten ignoriert – während die sozialen Einrichtungen an ihre Grenzen kommen, die Menschen zu versorgen und Zugang zu ihnen zu finden, um ihnen auch helfen zu können.

    Die Hansestadt hat jüngst als eine der ersten Großstädte in Deutschland eine Anlaufstelle speziell für osteuropäische Obdachlose eingerichtet – auch um Rückführungsangebote zu machen. Ein polnischer Sozialarbeiter ist dort täglich vor Ort. Dolmetscher für Bulgarisch und Rumänisch werden von den Konsulaten zur Verfügung gestellt.

    Unabhängig vom Zuzug der Menschen aus dem ost- und südosteuropäischen Ausland: Die Zahl der Obdachlosen in Deutschland wird weiter wachsen – und es wird immer schwieriger, Menschen, die bereits auf der Straße leben, wieder zurück in ein normales Leben zu führen. Armutsforscher Harald Ansen von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg:

    "Die Erfolge sind mäßig. Und fehlen bezahlbare Wohnungen, die vermittelbar sind. Viele Kommunen haben den sozialen Wohnungsbau zurückgefahren. Manche auf null. Sodass die Verfügbarkeit von Wohnraum im unteren Preissegment nicht vorhanden ist. Das ist ein Aspekt. Der zweite: Auch wenn Menschen in eine Wohnung vermittelt werden, bleiben Sie oft dem System treu. Ein Herauslösen aus dem Milieu ist schwierig, weil oft die Akzeptanz im neuen Milieu nicht einfach herstellbar ist."

    Genau das, also den Übergang zwischen der Obdachlosigkeit und einem Leben in einer festen Wohnung, will man andernorts, in Frankfurt am Main erleichtern.

    Zwei Wohnwagen stehen ein bisschen versteckt neben der St.-Dionysius-Kirche in Frankfurt-Sindlingen. In dem hinteren wohnt Thomas, den Nachnamen möchte er nicht preisgeben. Beim Eintreten in den engen Raum zieht Helmut Michaeli, Sozialarbeiter vom Frankfurter Caritasverband, den Kopf ein. Er gibt Thomas einen Antrag auf Einrichtungsbeihilfe.

    "- Michaeli: Jetzt können wir nämlich die graue Theorie verlassen, und jetzt geht's nämlich ans Eingemachte
    - Thomas: Genau.
    - Michaeli: Wann gibt's den Schlüssel, Anfang Dezember, gell?"

    Die Kontakte der Caritas haben geholfen. Thomas wird demnächst eine Wohnung beziehen. 2002 hatte der Softwareentwickler seinen Job verloren.

    "Was ich damals an Vermögen hatte, hab ich in mehreren Versuchen, mich selbstständig zu machen, völlig aufgebraucht, davon waren zwei Versuche, unter anderem der letzte, im Ausland. Das ging genauso schief wie alle anderen Versuche, und eines Tages musste ich zurück und bin in Frankfurt gelandet und habe nichts mehr besessen, als was ich in einer Reisetasche hatte."

    Kirchliche Beratungsstelle am Flughafen, Notunterkunft der Diakonie und ein Obdachlosenheim waren die nächsten Stationen. "Ich war ganz unten", erinnert sich der Mann im grauen T-Shirt. Seit einem Jahr wohnt er in einem der 24 Wohnwagen, die mehrere Frankfurter Kirchengemeinden auf Anregung der Caritas auf ihrem Gelände aufgestellt haben. Sozialarbeiter Helmut Michael schaut bei allen regelmäßig vorbei. Bei Thomas habe sich in den letzten drei Wochen viel getan.

    "Zum einen hat er über die Schuldnerberatung wieder ein Konto eröffnen können, das ist ja auch so ein Manko bei Wohnungslosen, dass sie kein eigenes Konto haben und gerade wenn man in eine Wohnung zieht, ist es gut, wenn man ein eigenes Konto hat und über die Schuldnerberatung auch angebunden ist, da läuft viel bei ihm. Und vor zwei Tagen hat er mit dieser Arbeitsgelegenheit begonnen, und ich find das dann auch gut, wenn die Leute nicht nur im Wohnwagen rumhängen, sondern auch eine Tagesstruktur bekommen."

    Mit der Wohnung und einem 1,50 Euro-Job gewinnt Thomas' gesamtes Leben allmählich wieder an Struktur. Auch weil der Sozialarbeiter immer wieder zur Stelle ist und nachhakt - freundlich, aber energisch.

    Auf diese Weise fand auch Josef Schmied wieder eine Bleibe. Der 58-Jährige hat gerade Christrosen vor Sankt Dionysius gepflanzt. Auch als Dankeschön an die Sindlinger Kirchengemeinde, die ihn unterstützte, als er am Boden war. Schmieds Geschichte ist schnell erzählt: An der Börse verspekuliert, ein Vermögen verloren, Scheidung, Verlust von Job und Wohnung, Nächtigen am Frankfurter Hauptbahnhof - obdachlos mit Mitte 50. Mit anderen ins Heim - das kam für den ehemaligen Bankangestellten nicht infrage. Ein Wohnwagen auf Kirchengelände schon. Einerseits brauchte er Unterstützung, andererseits bot er der Gemeinde seine Hilfe an:

    "Wenn irgendwelche Sachen zu machen sind, Briefe auszutragen oder hier am Kirchengelände was zu machen ist, dass ich da gern zur Verfügung stehe, und das hat dann gar nicht so lange gedauert, bis die Hilfe in Anspruch genommen wurde. Das wurde dann immer intensiver letztendlich."
    Allmählich traute sich Schmied wieder mehr zu, das Wohlwollen der Gemeindemitglieder bestärkte ihn. Schließlich konnte er unter drei Wohnungsangeboten das Passende für sich auswählen. Ehrenamtlich hilft er Senioren und Kranken, verwaltet die neue Sindlinger Sporthalle. Nur eine bezahlte Arbeit hat der gepflegte Endfünfziger noch nicht gefunden.

    Mit 24 Plätzen ist das Caritas-Wohnwagenprojekt die kleinste und vermutlich günstigste Frankfurter Unterbringungsmöglichkeit für Wohnungslose. Das Projekt lebt davon, dass Obdachlose über Kontakte mit Gemeindemitgliedern in die örtlichen Vereine finden, auf Job- und Wohnungsangebote stoßen. Sozialarbeiter Michaeli:

    "Und das ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass weniger manchmal doch mehr ist, also weniger Betreuung und mehr Eigenverantwortung. Also, viel Wohnungslose oder Betroffenen haben doch mehr auf'm Kasten, als man ursprünglich glaubt. Man sieht das dann, wenn man ihnen die Gelegenheit gibt, sich zu entfalten."

    Allerdings hat das innovative Caritas Wohnwagen-Projekt nur wenige Plätze und begrenzte Möglichkeiten, so Helmut Michaeli:

    "Wen wir nicht aufnehmen können, sind insbesondere Menschen mit massiven psychischen Problemen, mit Suchtmittelabhängigkeiten, die über das normale Maß weit hinausgehen, und wen wir auch nicht nehmen können, sind Menschen, die diese Verbindlichkeit, die wir einfordern im Wohnwagenprojekt, nicht eingehen wollen oder können."

    Damit liegt die Schwelle hoch: Wer am Wohnwagenprojekt teilnehmen will, sollte nach etwa einem Jahr wieder eine eigene Wohnung beziehen wollen und können. So steht es im Nutzungsvertrag für den Wohnwagen. Die Wohnwagenregelung legt unter anderem fest, dass der Wohnwagen und sein Umfeld sauber zu halten sind und dass die Bewohner Kontakte mit Sozialarbeitern halten. Wer sich nicht daran hält, riskiert rausgeworfen zu werden. Allerdings hat der Caritasverband in den vergangenen zwei Jahren nur einem Bewohner vorzeitig gekündigt.

    Das Projekt entstand, als die Obdachlosigkeit Anfang der 90er-Jahre einen Höchststand in Deutschland erreicht hatte. Damals lebten in der reichen Bankenstadt rund 300 Menschen auf der Straße, heute sind es nur noch etwa 100. Mit 2200 Schlafplätzen in Notunterkünften und Obdachlosenheimen plus Erweiterungsmöglichkeiten hat Frankfurt also eigentlich genug Plätze, um jeden Bedürftigen unterzubringen. Doch ein harter Kern bleibt trotz Minusgraden nachts draußen, sagt Frankfurts Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld von der CDU. Außer den Wanderarbeitern aus Osteuropa seien es hauptsächlich schwer psychisch Kranke,

    " ... die zum Beispiel Verfolgungsangst haben, die Angst haben oder die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen ihr Hab und Gut geklaut wird, die einfach Angst haben, Nähe von anderen Menschen zu spüren und die es einfach in vier Wänden nicht aushalten können."

    Für sie öffnet die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main nachts eine Etage im unterirdischen Gebäude des S-Bahnhofs Hauptwache, die sogenannte B-Ebene. Dorthin und zu anderen bekannten Aufenthaltsplätzen fahren Sozialarbeiter des Frankfurter Vereins für soziale Heimstätten nachts mit dem sogenannten Kältebus. Sie bringen Decken, Schlafsäcke und heißen Tee, erzählt Brigitte Heinrichs vom Frankfurter Verein.

    "Wir warten nicht mehr, bis es kalt ist. Das ist nicht zielführend. Das heißt, wir beginnen schon früh, sodass die Menschen, die auf der Straße sind, überhaupt schon mal Vertrauen in die Einrichtung entwickelt haben. Das heißt, wir bereiten das in der Phase, in der wir noch keine Krise haben vor, damit erst gar keine Krise entsteht."

    Nicht "vertreiben" ist das Motto der schwarzgrünen Frankfurter Obdachlosenpolitik, sondern "in Kontakt bleiben". Immer wieder bieten die Sozialarbeiter des Frankfurter Vereins Obdachlosen an, sie mit dem Kältebus zu einer Notunterkunft zu bringen. Zuweilen steigen Menschen ein, die sich bis dahin einer festen Bleibe verweigerten.

    Eine Übernachtungsmöglichkeit bietet die Notunterkunft Ostpark mit 50 zweistöckig gestapelten Wohncontainern samt Toiletten und Duschen. Die Pforte im kleinen Containerdorf nahe den Bahngleisen ist rund um die Uhr besetzt, hier wird jeder aufgenommen, jederzeit. Zwei Drittel der 160 Bewohner leben nur übergangsweise in den Zwei- und Vierbettzimmern. Rund 50 Menschen bleiben dauerhaft in der Container-Anlage am Rand des Parks, darunter schwer Drogenabhängige und psychisch Kranke. Andere Städte begrenzen die Aufenthaltsdauer ihrer Notunterkünfte auf einige Tage, so Peter Hovermann, Geschäftsführer des Frankfurter Vereins.

    "Wir halten das für fachlich falsch, weil dann Menschen wieder auf der Straße sind, und wir wissen, dass, je länger und je häufiger jemand auf der Straße ist, um so eher wird das Problem zementiert, und irgendwann gehört er zu dem Personenkreis, wo man froh wäre, wenn er wieder hier wäre. Also, das macht aus unserer Sicht überhaupt keinen Sinn."

    Aus Brandschutzgründen muss das Frankfurter Containerdorf demnächst weichen. Derzeit plant der Frankfurter Verein, die neue Notunterkunft in Zusammenarbeit mit Obdachlosen-Vertretern und Künstlern zu gestalten: Laubengänge und grüne Innenhöfe wünschen sich die Bewohner, um der räumlichen Enge gelegentlich entfliehen zu können. Kojenartige Betten, auf denen man aufrecht sitzen kann, würden ein Mindestmaß an Intimität auch im Mehrbettzimmer sichern. Angelegt werden soll die neue Notunterkunft im alten Bürgerpark. Aus Holz und Stahl konstruiert soll sich die Außenfassade in die historische Parkanlage einfügen.

    Zum Lebensraum O 16, wie das Projekt unter Bezug auf die Hausnummer heißt, gehört auch ein Café im Ostpark, das von Parkbesuchern und Obdachlosen gemeinsam genutzt werden soll. Peter Hovermann hofft jedenfalls, dass das mit Hilfe von Sozialarbeitern gelingt.

    "Für die Leute, die wir hier betreuen, für Menschen von der Straße, ist es total wichtig, an der Normalität teilhaben zu können, ein normales Café besuchen zu können und sehen zu können, wie verhalten sich die Menschen da drin. Und die Idee dabei ist aber auf der anderen Seite auch, dass es für Bürger, auch für jüngere Erwachsene mit Kindern total wichtig ist zu erleben, o. k., Menschen auf der Straße, die randständig sind, die sehen anders aus, die benehmen sich anders, es ist manchmal auch ein bisschen schwierig, mit denen umzugehen. Aber es sind auch Menschen, die haben genauso ein Recht, da zu sein wie wir, und es gibt Orte, die kann man teilen, ohne dass das gefährlich ist, anstrengend oder was auch immer."

    In Frankfurt am Main wurden Menschen, die am Rand leben, bislang tendenziell akzeptiert, meint Peter Hovermann. In einer Zeit, in der sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffne, gehe die Akzeptanz aber zunehmend verloren. Orte wie das geplante Café im Ostpark könnten dem entgegenwirken, hofft Hovermann. Auch Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld setzt auf sozialen Zusammenhalt. Zu Beginn der kalten Jahreszeit bittet sie die Frankfurter ausdrücklich, sich beim Kältebus zu melden, sollten sie jemanden beobachten, der im Freien übernachte. Mit Denunzieren habe das nichts zu tun, sondern mit dem Anliegen der Stadt zu prüfen,

    "... ob wir wirklich alle Menschen erfasst haben, damit am Schluss das gilt, was in den letzten Jahren gegolten hat: in Frankfurt erfriert niemand."

    Bundesweit hingegen gibt es noch Handlungsbedarf. Im vergangenen Winter starben nach Aussage der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslose vier Obdachlose an Erfrierungen. In Trier, Ulm und zwei Männer in Hamburg. Im Winter davor waren es sogar 17 Menschen. Abhilfe schaffen, das können vor allem die Winternotprogramme. Damit die auch greifen, braucht es ausreichend Plätze und eine Ausstattung, die von den Menschen angenommen wird.