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Draußendisco mit Dosenbier

Vier Monate reiste Regisseurin Sonja Heiss mit ihrem Filmteam durch Südostasien, um ihren ersten Spielfilm zu drehen. "Hotel Very Welcome" heißt die Low-Budget-Komödie, in der spirituelle Esoteriker auf der Suche nach sich selbst und Pauschaltouristen auf der Suche nach der nächsten Disco begleitet werden.

Von Josef Schnelle | 29.11.2007
    Svenja ist gestrandet in Südostasien. Sie kommt gar nicht mehr aus ihrem Hotel in Bangkok heraus und sucht nun einen Flug zurück nach Hause. Doch der Inder an der Hotline versteht nicht nur alles falsch, er verliebt sich auch in Sie, will am Schluss am liebsten mitverreisen.

    Globalisierte Glücksverwirrung als Running Gag - nur eine der originellen Ideen von Regisseurin Sonja Heiss. Sie schnappte sich ein paar Schauspieler und reiste mit ihnen mehrere Monate durch Asien, inszenierte und improvisierte fast dokumentarisch wirkende Szenenfolgen, mit denen sie den fernöstlichen Meditationsparadiesen das bisschen Wirklichkeit abtrotzte, das sie entzaubert.

    Marion ist aus der Enge ihrer heimischen Beziehung in ein indisches Meditationscenter geflüchtet und arbeitet dort total hart am Glücklichsein. Der Weg zur erhofften Spiritualität erweist sich jedenfalls als ziemlich steinig. Unter anderem muss sie unterscheiden lernen zwischen plumper Anmache am Pool und wahrer Liebe trotz esoterischem Touch.

    Im einstigen Bagwan-Aschram in Poona macht sie sich auf die mühevolle Suche nach sich selbst. Vier weitere Figuren werden außerdem auf ihren Reisen durch Indien und Thailand und zu sich selbst begleitet. Der Ire Liam erfreut sich aufrichtig am authentischen Leben der Inder mit Farbpulver und Glücksversprechen, aber bei seinen Problemen daheim hilft ihm das auch nicht weiter. Er ist vor einer Beziehungskrise mit One-Night-Stand davongelaufen, die er in den Telefongesprächen aus der Ferne auch nicht lösen kann.

    Die Briten Joshua und Adam hingegen sind in Partylaune. Sie sind wild entschlossen, die "Fullmoonraves" zu genießen, die legendären Vollmonddisconächte am Strand und doch sind sie gefangen in der Draußendisco mit Dosenbier im Dollartakt. Und dann findet der Freund eine Freundin. Der größte anzunehmende Unfall im Plan der Kumpelreise.

    Die Frage, die der Film stellt: Was in aller Welt haben wir eigentlich da draußen zu suchen? In der Welt. Keine Ahnung vom Reiseland und dumm-dreiste Selbstbedienungsmentalität kennzeichnen die Realität der globalisierten Sinnsuche mit Rucksack und Billigflug.

    Natürlich kann man wo auch immer hinreisen und hat doch immer eine schwere Last dabei: sich selbst. Die polyglotte Weltgewandtheit verdeckt nur die Heimatlosigkeit, die im Backpackerrucksack immer mitreist.

    Der Anfängerin Sonja Heiss ist mit ihrem jetzt schon mehrfach preisgekrönten Film Hotel Very Welcome ein ebenso kluger wie lustiger Essay über die Last mit der Selbsterfahrung gelungen. Bestenfalls finden wir in der Ferne doch nur das, was wir tief drinnen sowieso wissen und mitbringen. Die endgültige Erleuchtung ist oft weniger wert, als ein Flug nach Hause.

    Der Film ist ein großer Glücksfall. Eine semidokumentarische Komödie mit Lubitschtouch: heiter-ironisch und doch so ehrlich, dass man immer spürt, wie schmal der Grat zwischen entschlossenem Selbstbetrug und weiser Selbstironie sein kann.