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Dreckiges Belgien

Forscher zweier amerikanischer Universitäten haben kürzlich die Lage der Umwelt in 146 Staaten der Erde verglichen. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos präsentierten sie dann den "Nachhaltigkeitsindex". Sieger war dabei Finnland, Verlierer Nordkorea. Deutschland kam auf Platz 31. Besonders schlecht schnitt Belgien ab – das Land, in dem auch die Umweltpolitik der Europäischen Union konzipiert wird, kam nur auf Platz 112.

Von Ruth Reichstein |
    Der innere Stadtring, der das Brüsseler Zentrum umgibt. Tag für Tag schieben sich hier Tausende von Autos entlang. Nur nachts und an wenigen Stunden tagsüber ist hier ein schnelles Vorankommen möglich. Meistens stehen die Autos Stoßstange an Stoßstange im Stau.

    Es ist vor allem der Verkehr, der in Belgien für einen hohen CO2-Ausstoß sorgt. Und zwar für einen so hohen, dass Belgien sich in einer Untersuchung von 146 Ländern, die kürzlich in Davos vorgestellt worden ist, auf Platz 112 wiederfindet – zwischen Togo und der Demokratischen Republik Kongo. Untersucht wurde dabei nicht nur die Luftverschmutzung, sondern zum Beispiel auch die Wasserqualität. Jean-Francois Fauconnier von Greenpeace:

    "Belgien verbraucht sehr viel Energie und hat ein hohes Transportaufkommen von Lastwagen und Autos. Das hat negative Auswirkungen auf den Klimawandel, weil wir viel Kohlendioxid ausstoßen. Außerdem haben wir herausgefunden, dass die belgischen Häuser sehr schlecht isoliert sind im Vergleich zu Schweden zum Beispiel. Wir haben ungefähr die gleiche Isolation wie in Spanien und Portugal, aber natürlich nicht das gleiche Wetter.
    Und natürlich hat das auch noch andere Probleme zur Folge, zum Beispiel die hohen Ozonwerte oder die Luftverschmutzung von Schwefel, die die Gesundheit gefährdet."

    Das belgische Umweltministerium erkennt zwar an, dass es Probleme gibt und weitere Maßnahmen notwendig sind, meint aber auch, dass die für den Davoser Bericht verwendeten Indikatoren besonders für kleine und hochindustrialisierte Länder wie Belgien von Nachteil sind. Das unterstreicht auch Olivier van der Maaren vom belgischen Industrieverband:

    "Was die Methode angeht, sind manche Kriterien wirklich fraglich. Als kleines Land ist es ziemlich schwierig, die Grenzen einzuhalten. Da vermischt es sich schnell mit den Nachbarländern. Außerdem kommt viel Verschmutzung von außen. Zum Beispiel das Wasser, das aus Frankreich kommt oder aus dem Meer, das ist schon dreckig, wenn es bei uns ankommt. Das verfälscht natürlich das Ergebnis. Und das liegt nicht unbedingt an den belgischen Unternehmen."

    Tatsächlich ist Belgien ein Durchgangsland. Viele Waren kommen im Antwerpener Hafen an und werden durch Belgien nach ganz Europa transportiert. Aber auch die Niederlande haben mit Rotterdam einen großen Hafen, sind ein ebenfalls ziemlich kleines Land und haben auf der Liste dennoch besser abgeschnitten. Alternative Energien sind nämlich bei den belgischen Nachbarn bereits wesentlich verbreiteter als in Brüssel und Umgebung.

    Aber nicht nur im eigenen Land bleibt für die Belgier viel zu tun. Greenpeace hat nämlich festgestellt, dass Belgien auch im Ausland kräftig die Luft verpestet. Eine halbstaatliche Agentur, die so genannte Ducroire, vergibt besonders günstige Kredite und Bürgschaften an solche Unternehmen, die in Entwicklungsländern risikoreiche Geschäfte aufbauen. Und das sind sehr oft umweltschädliche Unternehmungen. Greenpeace-Experte Jean-Francois Fauconnier:

    "Diese Agentur versichert belgische und ausländische Unternehmen, die im Ausland Projekte entwickeln, die sich auf Öl oder Kohle stützen, die während ihrer ganzen Lebenszeit mehr als eine Milliarde Tonnen Co2 ausstoßen. Das bedeutet: die Fortschritte, die Belgien zu Hause macht, werden mehr als wett gemacht mit dem, was Belgien im Ausland anrichtet. Die Verschmutzung ist nämlich 20 Mal so groß wie die Reduzierung, die wir im Inland haben. "

    Weder im Umweltministerium noch beim Industrieverband wollte man sich zu diesen Vorwürfen äußern. Man kenne sich in der Sachlage nicht gut genug aus, hieß es.

    Immerhin: einen ersten Ansatz gibt es bereits. Die Unternehmen haben sich in so genannten Branchen-Vereinbarungen verpflichtet, alte, umweltschädliche Technik gegen neue auszutauschen. Sie bauten zum Beispiel neue Filteranlagen ein und setzen vermehrt auf alternative Energien.

    Als kürzlich das Kyoto-Protokoll in Kraft trat, bedankte sich die Betreibergesellschaft des Brüsseler Personen-Nahverkehrs bei den Kunden mit Durchsagen für ihren Beitrag zum Klimaschutz. Damit Busse und Bahnen in Zukunft von noch mehr Belgiern genutzt werden, hat das Umweltministerium jetzt eine Bahn-Initiative gestartet. Tom van Irland, zuständig für Klimaschutz im Kabinett des Umweltministers Bruno Tobback:

    "Eine Maßnahme, die wir jetzt angeschoben haben, ist für die Pendler gedacht: Die Regelung sieht so aus, dass das Unternehmen des jeweiligen Angestellten 80 Prozent des Abonnements für den öffentlichen Nahverkehr und den Zug bezahlt und der Staat 20 Prozent. Das heißt, der Bürger muss gar nichts mehr bezahlen.
    Das ist auch ein kleiner Beitrag zu Kyoto. Die Zahlen sprechen für sich. Ein Kilometer Zugfahren produziert 68 Gramm Co2, mit dem Auto sind das 125 Gramm. Wenn man bedenkt, dass der Belgier im Durchschnitt 50 Kilometer von zu Hause zu seinem Arbeitsplatz fährt, kommt da ganz schön was zusammen. Bis zu 12 % kann der Co2-Ausstoß damit vermindert werden und jeder Bürger kann seinen Beitrag zu Kyoto leisten."

    So hofft die belgische Regierung, die Luftverschmutzung in den kommenden Jahren zu reduzieren und auf der Davoser Umweltsünder-Liste weiter nach oben zu rücken.