Michael Köhler: Ein bisschen klösterlich geht es bei unserem nächsten Teil weiter, wir wechseln zur Opernbühne: Je eine Episode aus den drei Teilen von Dantes "Divina Commedia" zu einem Zyklus zu verbinden, das war Grundidee für Giacomo Puccinis abendfüllende Drei-Einakter-Oper "Il trittico". "Il tabarro", der Mantel, ein Milieudrama, ein packendes Eifersuchtsdrama, "Schwester Angelica" und "Gianni Schicci", das sind die drei Teile, aus denen der Abend besteht. Frage an den Kollegen Thomas Vogt: Gibt es bei diesen drei Opern-Einaktern ein verbindendes Thema?
Thomas Vogt: Ja, das war schon immer die Frage, gleich nach der Uraufführung 1918 in New York hat man sich gefragt, was haben die drei Stücke eigentlich miteinander zu tun? Und das führte im Verlauf der Aufführungsgeschichte auch zu merkwürdigen Konstruktionen, dass man ein Stück weggelassen hat, nämlich die "Suor Angelica" - das Mittelstück - meistens, ausgerechnet das, was Puccini am meisten am Herzen lag, oder dass man das mit anderen Stücken, zum Beispiel "Gianni Schicci" und "Salome" hat man mal in der Met kombiniert, aus welchem Grund auch immer, ja, weil die eine Pause brauchten, und das war es.
Köhler: Hat man auch die Reihenfolge manchmal auf den Kopf gestellt?
Vogt: Die Reihenfolge auf den Kopf gestellt, alles mögliche mit anderen Stücken kombiniert, was Sie wollen. Und der Regisseur Claus Guth hat eben zeigen wollen, dass diese drei Stücke wirklich eine Verbindung haben, und diese Verbindung, da könnte man natürlich jetzt oberflächlich erst mal sagen, sie handelt von Leben und Tod, aber das handeln ja fast alle Opern. Das Verbindungsstück ist das Eingeschlossen-Sein, das Nicht-Entkommen-Können. Das Eifersuchtsdrama spielt auf einem Kahn, das hat Guth genommen als Anlass …
Köhler: Das ist "Il tabarro".
Vogt: "Il tabarro", der Mantel, das Ganze auf einem, na ja, nicht gerade Traumschiff, aber auf einer Art Luxusliner spielen zu lassen, und bietet einen Querschnitt mit dem üblichen Treppenhaus, was ja gern bei Claus Guth in der Inszenierung ist, und verschiedenen, na ja, Kajüten kann man nicht sagen, das sind schon nette Appartements. Und auf dem Oberdeck befinden sich weißgekleidete Tote, die Leute, die in dem Stück sterben, werden dann eben auch weißgewandet, gehen die Treppe rauf und nehmen dann auf dem Oberdeck Platz. Dieses Bühnenbild zieht sich also durch alle drei Stücke, ist die Verbindungsklammer und macht auch plausibel: Es geht darum, man kann dem Schicksal und dem Raum, in dem man sich aufhält, nicht entkommen, man kann höchstens einen anderen Raum betreten, aber man kommt von dem Schiff nicht runter.
Köhler: Frage: "Schwester Angelica", haben Sie eben im Nebensatz gesagt, sei sein Lieblingsstück gewesen. Da gibt es persönliche Gründe für, er kommt aus einer religiösen Familie, die Schwester war im Kloster und so weiter.
Vogt: Genau.
Köhler: Das ist ein ganz hartes, schweres, unglaublich dramatisches Stück über eine Nonne im Kloster.
Vogt: Ja, Selbstmord einer Nonne, die dann erfährt, dass ihr Kind - das ist ein uneheliches wahrscheinlich, und deswegen musste sie auch ins Kloster -, es wird ihr mitgeteilt, dass das schon zwei Jahre lang tot ist, und damit hat sich ihr Lebenssinn erfüllt. Also, sie ist kundig in Heilkräutern, aber auch in Giftpflanzen, und hat sich aus den Giftpflanzen, die sie schon von langer Hand gezogen hat, einen Trank gebraut, und den trinkt sie und stirbt.
Köhler: Bevor Sie uns sagen, wie gesungen wurde: Gibt es so etwas Konventionelles wie eine Bühne, auf der man ein Kloster sieht? Eine Äbtissin? Das Thema der Überwachung? Oder hat Claus Guth, der 43-jährige Regisseur, der sonst modernes Regietheater, moderne, zeitgenössische Oper macht, das anders gelöst?
Vogt: Das sind alles zeitgenössische Kostüme, vor allen Dingen "Gianni Schicci", was ja zu Dantes, also im Florenz des 13. Jahrhunderts, spielen soll, das spielt alles im Heute, und es kommt sehr gut. Man vermisst auch weder die Klostermauern, noch das historische Florenz, sondern der Sinn des Stückes, die Energie des jeweiligen Stückes, wurde von dem Regisseur benutzt, und es kracht dann auch richtig, es zündet. Es gibt ja nichts Schlimmeres, als wenn potenzielle Energie verpufft und ungenutzt bleibt, und Guth hat wirklich den Nerv des Stückes getroffen, indem er die Figuren so geführt hat, dass man immer genau wusste: Aha, das ist jetzt der Knackpunkt, und deshalb sind die so und nicht anders.
Köhler: "Suor Angelica", ein Stück für lyrischen Sopran?
Vogt: Ja, das war in Frankfurt Angelina Ruzzafante, sie ist eingesprungen, sollte erst eine kleinere Rolle spielen und hat die Angelica dann übernommen und das sehr, sehr gut gemacht. Aber für mich das Highlight des Abends war die Darstellerin der Giorgetta im "tabarro", das ist die Südafrikanerin Elza van den Heever, und sie hat einen ganz tollen Moment im "Mantel" gehabt, den hören wir jetzt.
Überhaupt muss man sagen, dass Frankfurt in den letzten Jahren in der Intendanz von Bernd Loebe wirklich ein sehr gutes Händchen für Besetzungen hat. Es sind dabei noch Zeljko Lucic als Michele im "Mantel" und als Protagonist in "Gianni Schicci", Carlo Ventre als Luigi, Julia Juon in den drei Mezzorollen, und vor allen Dingen Massimiliano Pisapia, der lyrische Tenor, als Renuccio. Das muss man erst mal an größeren Häusern hinkriegen, ganz großes Kompliment, Hut ab für diese Besetzung.
Köhler: Abschließend ganz kurz geantwortet´, Thomas Vogt: Sie sagen, das Konzept ist aufgegangen, das Thema des Nicht-Entrinnen-Könnens ist flüssig dargestellt, transponiert ins frühe 20. Jahrhundert?
Vogt: Unbedingt, ich habe das nie so überzeugend aktualisiert gesehen wie in Frankfurt gestern.
Köhler: Thomas Vogt über "Il trittico", drei Opern, Einakter, gesehen am Frankfurter Opernschauspiel von Puccini in der Regie von Claus Guth.
Thomas Vogt: Ja, das war schon immer die Frage, gleich nach der Uraufführung 1918 in New York hat man sich gefragt, was haben die drei Stücke eigentlich miteinander zu tun? Und das führte im Verlauf der Aufführungsgeschichte auch zu merkwürdigen Konstruktionen, dass man ein Stück weggelassen hat, nämlich die "Suor Angelica" - das Mittelstück - meistens, ausgerechnet das, was Puccini am meisten am Herzen lag, oder dass man das mit anderen Stücken, zum Beispiel "Gianni Schicci" und "Salome" hat man mal in der Met kombiniert, aus welchem Grund auch immer, ja, weil die eine Pause brauchten, und das war es.
Köhler: Hat man auch die Reihenfolge manchmal auf den Kopf gestellt?
Vogt: Die Reihenfolge auf den Kopf gestellt, alles mögliche mit anderen Stücken kombiniert, was Sie wollen. Und der Regisseur Claus Guth hat eben zeigen wollen, dass diese drei Stücke wirklich eine Verbindung haben, und diese Verbindung, da könnte man natürlich jetzt oberflächlich erst mal sagen, sie handelt von Leben und Tod, aber das handeln ja fast alle Opern. Das Verbindungsstück ist das Eingeschlossen-Sein, das Nicht-Entkommen-Können. Das Eifersuchtsdrama spielt auf einem Kahn, das hat Guth genommen als Anlass …
Köhler: Das ist "Il tabarro".
Vogt: "Il tabarro", der Mantel, das Ganze auf einem, na ja, nicht gerade Traumschiff, aber auf einer Art Luxusliner spielen zu lassen, und bietet einen Querschnitt mit dem üblichen Treppenhaus, was ja gern bei Claus Guth in der Inszenierung ist, und verschiedenen, na ja, Kajüten kann man nicht sagen, das sind schon nette Appartements. Und auf dem Oberdeck befinden sich weißgekleidete Tote, die Leute, die in dem Stück sterben, werden dann eben auch weißgewandet, gehen die Treppe rauf und nehmen dann auf dem Oberdeck Platz. Dieses Bühnenbild zieht sich also durch alle drei Stücke, ist die Verbindungsklammer und macht auch plausibel: Es geht darum, man kann dem Schicksal und dem Raum, in dem man sich aufhält, nicht entkommen, man kann höchstens einen anderen Raum betreten, aber man kommt von dem Schiff nicht runter.
Köhler: Frage: "Schwester Angelica", haben Sie eben im Nebensatz gesagt, sei sein Lieblingsstück gewesen. Da gibt es persönliche Gründe für, er kommt aus einer religiösen Familie, die Schwester war im Kloster und so weiter.
Vogt: Genau.
Köhler: Das ist ein ganz hartes, schweres, unglaublich dramatisches Stück über eine Nonne im Kloster.
Vogt: Ja, Selbstmord einer Nonne, die dann erfährt, dass ihr Kind - das ist ein uneheliches wahrscheinlich, und deswegen musste sie auch ins Kloster -, es wird ihr mitgeteilt, dass das schon zwei Jahre lang tot ist, und damit hat sich ihr Lebenssinn erfüllt. Also, sie ist kundig in Heilkräutern, aber auch in Giftpflanzen, und hat sich aus den Giftpflanzen, die sie schon von langer Hand gezogen hat, einen Trank gebraut, und den trinkt sie und stirbt.
Köhler: Bevor Sie uns sagen, wie gesungen wurde: Gibt es so etwas Konventionelles wie eine Bühne, auf der man ein Kloster sieht? Eine Äbtissin? Das Thema der Überwachung? Oder hat Claus Guth, der 43-jährige Regisseur, der sonst modernes Regietheater, moderne, zeitgenössische Oper macht, das anders gelöst?
Vogt: Das sind alles zeitgenössische Kostüme, vor allen Dingen "Gianni Schicci", was ja zu Dantes, also im Florenz des 13. Jahrhunderts, spielen soll, das spielt alles im Heute, und es kommt sehr gut. Man vermisst auch weder die Klostermauern, noch das historische Florenz, sondern der Sinn des Stückes, die Energie des jeweiligen Stückes, wurde von dem Regisseur benutzt, und es kracht dann auch richtig, es zündet. Es gibt ja nichts Schlimmeres, als wenn potenzielle Energie verpufft und ungenutzt bleibt, und Guth hat wirklich den Nerv des Stückes getroffen, indem er die Figuren so geführt hat, dass man immer genau wusste: Aha, das ist jetzt der Knackpunkt, und deshalb sind die so und nicht anders.
Köhler: "Suor Angelica", ein Stück für lyrischen Sopran?
Vogt: Ja, das war in Frankfurt Angelina Ruzzafante, sie ist eingesprungen, sollte erst eine kleinere Rolle spielen und hat die Angelica dann übernommen und das sehr, sehr gut gemacht. Aber für mich das Highlight des Abends war die Darstellerin der Giorgetta im "tabarro", das ist die Südafrikanerin Elza van den Heever, und sie hat einen ganz tollen Moment im "Mantel" gehabt, den hören wir jetzt.
Überhaupt muss man sagen, dass Frankfurt in den letzten Jahren in der Intendanz von Bernd Loebe wirklich ein sehr gutes Händchen für Besetzungen hat. Es sind dabei noch Zeljko Lucic als Michele im "Mantel" und als Protagonist in "Gianni Schicci", Carlo Ventre als Luigi, Julia Juon in den drei Mezzorollen, und vor allen Dingen Massimiliano Pisapia, der lyrische Tenor, als Renuccio. Das muss man erst mal an größeren Häusern hinkriegen, ganz großes Kompliment, Hut ab für diese Besetzung.
Köhler: Abschließend ganz kurz geantwortet´, Thomas Vogt: Sie sagen, das Konzept ist aufgegangen, das Thema des Nicht-Entrinnen-Könnens ist flüssig dargestellt, transponiert ins frühe 20. Jahrhundert?
Vogt: Unbedingt, ich habe das nie so überzeugend aktualisiert gesehen wie in Frankfurt gestern.
Köhler: Thomas Vogt über "Il trittico", drei Opern, Einakter, gesehen am Frankfurter Opernschauspiel von Puccini in der Regie von Claus Guth.