Die neuen deutschen Heimatfilme dominierten eindeutig die gesamte Berlinale und auch den Wettbewerb um den goldenen Bären, der am Samstagabend verliehen wird. Deutschland muss den ausländischen Festivalbesuchern als kaltes trauriges Land vorkommen, in dem es tausend Gründe gibt, das Leben nicht mehr für lebenswert zu halten. Das hatte schon mit "Elementarteilchen" von Oskar Roehler begonnen, der mit seinen verschrobenen-melodramatischen Innenansichten deutscher Beziehungsunfähigkeiten immerhin schon die Einkäufer von 23 Ländern anlocken konnte.
Ein rasanter kommerzieller Erfolg. Der dürfte Valeska Griesebach schwerer fallen mit ihrer schlichten Provinztragödie "Sehnsucht". Vater, Mutter, Kind in einem 200-Seelendorf. Das unzertrennliche Ehepaar Ende Zwanzig ist fürs ewige kleine Glück bereit. Doch dann verliebt sich der Feuerwehrmann in eine Kellnerin aus dem Nachbardorf. Am Ende spekuliert eine Gruppe von Kindern, wie das weitergehen könnte – nach Selbstmordversuch, Trennung und Wiederversöhnung.
Leider gelingt es der jungen Regisseurin, die zur Berliner Schule um Christian Petzold gehört, nicht so Recht den naiven Erzählton konsequent in die filmisch strenge Form ihrer offensichtlichen Vorbilder von Robert Bresson bis Bruno Dumont umzusetzen. Man spürt die deutliche Absicht, dieses Leben im Aquarium der Provinz aufs philosophische Podest zu heben und sinkt verstimmt immer tiefer in den Kinosessel. Das Leben ist eben zu kurz für all die Sehnsucht nach lauter guten Filmen.
Manchmal ist nicht mal Zeit genug für einen neuen Anfang nach einem schrecklichen Leben als Triebverbrecher. Das erlebt Jürgen Vogel in Matthias Glasners Film "Der Freie Wille".
Vogel spielt einen Serienvergewaltiger, der nach neun Jahren aus dem Gefängnis kommt und in einer therapeutischen Wohngemeinschaft das Leben ohne sexuelle Gewalt lernen soll. Ausgerechnet mit Liegestützen und Karatekurs. Er begegnet Nettie und der Liebe, doch dann spürt er wieder den inneren Trieb zur Gewalttat.
Der Film beginnt mit einer brutalen Vergewaltigung, denn Hauptfigur Theo schlägt die Frauen erst halbtot, bevor er sich an Ihnen vergeht. 163 Minuten lang verfolgen wir dann seinen Versuch, dem Schicksal zu entgehen. Am Ende weiß er selbst nur einen Ausweg. Er wählt einen brutalen Freitod, den der Film als Schock und Erlösungserlebnis präsentiert.
Dieser Triebverbrecher hat, so die These des Films, keinen freien Willen und ist somit eine tragische Figur. Jürgen Vogel spielt nicht nur die Hauptrolle. Er hat sich für diesen Film auch als Koproduzent und Drehbuchautor engagiert. Manche sagen jetzt: Das sei die Rolle seines Lebens. Das große Ereignis des in seiner Grundthese fragwürdigen und in seiner Länge als Großepos kaum zu rechtfertigenden Films, ist aber Sabine Timoteo, die in ihrer Rolle als fragile Einzelgängerin schließlich den Opfergang dieser seltsamen und monströsen Liebe mitgeht.
Überhaupt kann man sagen, dass das neue deutsche Kino von einer Riege großartiger junger Schauspielerinnen geprägt wird, die mit ungeheurer Präsenz höchst komplexe Charaktere darstellen können. Dazu gehört ganz entschieden auch Sandra Hüller. Sie spielt die Hauptrolle in Hans Christian Schmidts neuem Film "Requiem".
Frei nach der authentischen Geschichte der Studentin Anneliese Michel, die 1976 nach einem offiziell genehmigten Exorzismus in der unterfränkischen Provinz starb und schon dem spektakulären Horrorfilm "Der Exorzismus der Emily Rose" als Vorbild diente, erzählt Hans Christian Schmid differenziert, schonungslos und bewegend das Psychogramm einer jungen Frau, auf der Suche nach Freiheit und Identität.
Sie leidet an epileptischen Anfällen und Wahnvorstellungen, die sie immer wieder überfallen. Sie fühlt, dass sie die krankmachenden Strukturen ihres Elternhauses mit einem liebenden, aber schwachen Vater und einer gestrengen gefühlskalten Mutter hinter sich lassen muss, um ihr eigenes Leben zu finden. Doch ihre streng religiöse Erziehung holt sie immer wieder ein. Die Geschichte des Films klagt die beteiligten Priester und die Eltern an. Hans Christian Schmidt bestreitet jedoch, einen politischen Film im Sinn gehabt zu haben.
"Requiem" ist der mit Abstand stärkste deutsche Film im Berlinale-Wettbewerb und einer der besten Überhaupt. Schmid beweist mit ihm Reife und frühe Meisterschaft noch dazu am schwierigen Sujet. Scheinbar mühelos gelingt es ihm den "Krieg der Welten" zwischen Studentenfreizügigkeit und fundamentalistische Prinzipienstrenge, der im Kopf dieser jungen Frau tobt, sichtbar zu machen – ganz ohne spektakuläre Szenen und gewagte Hypothesen. Manchmal ist es schon schwer genug, ein einziges Leben zu leben.
Ein rasanter kommerzieller Erfolg. Der dürfte Valeska Griesebach schwerer fallen mit ihrer schlichten Provinztragödie "Sehnsucht". Vater, Mutter, Kind in einem 200-Seelendorf. Das unzertrennliche Ehepaar Ende Zwanzig ist fürs ewige kleine Glück bereit. Doch dann verliebt sich der Feuerwehrmann in eine Kellnerin aus dem Nachbardorf. Am Ende spekuliert eine Gruppe von Kindern, wie das weitergehen könnte – nach Selbstmordversuch, Trennung und Wiederversöhnung.
Leider gelingt es der jungen Regisseurin, die zur Berliner Schule um Christian Petzold gehört, nicht so Recht den naiven Erzählton konsequent in die filmisch strenge Form ihrer offensichtlichen Vorbilder von Robert Bresson bis Bruno Dumont umzusetzen. Man spürt die deutliche Absicht, dieses Leben im Aquarium der Provinz aufs philosophische Podest zu heben und sinkt verstimmt immer tiefer in den Kinosessel. Das Leben ist eben zu kurz für all die Sehnsucht nach lauter guten Filmen.
Manchmal ist nicht mal Zeit genug für einen neuen Anfang nach einem schrecklichen Leben als Triebverbrecher. Das erlebt Jürgen Vogel in Matthias Glasners Film "Der Freie Wille".
Vogel spielt einen Serienvergewaltiger, der nach neun Jahren aus dem Gefängnis kommt und in einer therapeutischen Wohngemeinschaft das Leben ohne sexuelle Gewalt lernen soll. Ausgerechnet mit Liegestützen und Karatekurs. Er begegnet Nettie und der Liebe, doch dann spürt er wieder den inneren Trieb zur Gewalttat.
Der Film beginnt mit einer brutalen Vergewaltigung, denn Hauptfigur Theo schlägt die Frauen erst halbtot, bevor er sich an Ihnen vergeht. 163 Minuten lang verfolgen wir dann seinen Versuch, dem Schicksal zu entgehen. Am Ende weiß er selbst nur einen Ausweg. Er wählt einen brutalen Freitod, den der Film als Schock und Erlösungserlebnis präsentiert.
Dieser Triebverbrecher hat, so die These des Films, keinen freien Willen und ist somit eine tragische Figur. Jürgen Vogel spielt nicht nur die Hauptrolle. Er hat sich für diesen Film auch als Koproduzent und Drehbuchautor engagiert. Manche sagen jetzt: Das sei die Rolle seines Lebens. Das große Ereignis des in seiner Grundthese fragwürdigen und in seiner Länge als Großepos kaum zu rechtfertigenden Films, ist aber Sabine Timoteo, die in ihrer Rolle als fragile Einzelgängerin schließlich den Opfergang dieser seltsamen und monströsen Liebe mitgeht.
Überhaupt kann man sagen, dass das neue deutsche Kino von einer Riege großartiger junger Schauspielerinnen geprägt wird, die mit ungeheurer Präsenz höchst komplexe Charaktere darstellen können. Dazu gehört ganz entschieden auch Sandra Hüller. Sie spielt die Hauptrolle in Hans Christian Schmidts neuem Film "Requiem".
Frei nach der authentischen Geschichte der Studentin Anneliese Michel, die 1976 nach einem offiziell genehmigten Exorzismus in der unterfränkischen Provinz starb und schon dem spektakulären Horrorfilm "Der Exorzismus der Emily Rose" als Vorbild diente, erzählt Hans Christian Schmid differenziert, schonungslos und bewegend das Psychogramm einer jungen Frau, auf der Suche nach Freiheit und Identität.
Sie leidet an epileptischen Anfällen und Wahnvorstellungen, die sie immer wieder überfallen. Sie fühlt, dass sie die krankmachenden Strukturen ihres Elternhauses mit einem liebenden, aber schwachen Vater und einer gestrengen gefühlskalten Mutter hinter sich lassen muss, um ihr eigenes Leben zu finden. Doch ihre streng religiöse Erziehung holt sie immer wieder ein. Die Geschichte des Films klagt die beteiligten Priester und die Eltern an. Hans Christian Schmidt bestreitet jedoch, einen politischen Film im Sinn gehabt zu haben.
"Requiem" ist der mit Abstand stärkste deutsche Film im Berlinale-Wettbewerb und einer der besten Überhaupt. Schmid beweist mit ihm Reife und frühe Meisterschaft noch dazu am schwierigen Sujet. Scheinbar mühelos gelingt es ihm den "Krieg der Welten" zwischen Studentenfreizügigkeit und fundamentalistische Prinzipienstrenge, der im Kopf dieser jungen Frau tobt, sichtbar zu machen – ganz ohne spektakuläre Szenen und gewagte Hypothesen. Manchmal ist es schon schwer genug, ein einziges Leben zu leben.