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Dreiklang im Schweinestall

Viehhaltung. - In Deutschland leben über 25 Millionen Schweine. Jedes von ihnen hat laut Tierschutzgesetz Anspruch auf 0,65 Quadratmeter Stallfläche und - immerhin - eine Beschäftigungsmöglichkeit. Das kann zum Beispiel ein Beißschlauch sein. Auf einer Tagung in Braunschweig über Stallbau und Stalltechnik wird zurzeit ein raffiniertes Beschäftigungsgerät vorgestellt. Schweine sollen ihre Sinne nicht mehr nur im Spiel schärfen können, sondern sie sogar schärfen müssen. Denn sonst bekommen sie kein Futter.

Von Michael Fuhs | 02.03.2005
    Der Ton ist das Signal für das Schwein mit der Nummer 8 auf dem Rücken. Es springt auf und kriecht in den Ton-Schalter-Futterautomaten hinein. Er ist so groß wie ein Kühlschrank und gibt eine Portion Fressen aus.

    Man hört das Ausfallen des Futters und das Schwein frisst nun. Alle anderen Tiere, die sich in dieser Bucht zusammen mit dem Schwein sich befinden, bleiben ruhig, weil es nicht ihr individueller Ton ist.

    Gerhard Manteuffel ist Verhaltensphysiologe am Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere bei Rostock. Schwein Nummer 8 nimmt an seinem Experiment teil.

    Die Tiere werden ja, üblicherweise gerade die Schweine, in unserer klassischen Haltung, ziemlich reizarm gehalten. Also allenfalls ist mal eine Spielkette drin oder ein alter Ball. Aber das fordert die Tiere ja nicht wirklich heraus, so dass sie im wesentlichen ziemlich gelangweilt dort herumliegen und wissen, zweimal am Tag gibt es Futter.

    Dem will Gerhard Manteuffel mit dem Ton-Schalter-Futterautomaten abhelfen. Für ihn ist das Tierschutz, es soll aber auch der Gesundheit der Schweine dienen. Ein bisschen wie in der Natur sollen sie dazu angehalten werden, immer aufmerksam zu sein und ihre Sinne benutzen zu müssen, um das Futter zu finden. In dem Stall mit den acht Versuchsschweinen hat der Wissenschaftler dafür vier Automaten aufgestellt. Statt zweimal am Tag große Portionen bekommen die Tiere dort bis zu 20 Mal am Tag kleine Futtermengen, allerdings nur in dem Automaten, der ihren individuellen Ton spielt. Dann müssen sie hinrennen und einen Schalter an der Futterklappe mehrmals bedienen.

    Die Tiere lernen das innerhalb weniger Tage, was Gerhard Manteuffel nicht wirklich überraschte. Er wollte untersuchen wie sich das inszenierte Abenteuer für die Schweine auf ihr Verhalten und ihre Gesundheit auswirkt. In drei Jahren durchliefen dazu sieben mal je acht Schweine den Versuch, dazu eine gleich große Kontrollgruppe, die wie üblich gefüttert wurde. Die Tiere in dem Stall, der mit dem Ton-Schalter-Futterautomaten ausgestattet war, schnitten deutlich besser ab.

    Wir konnten zeigen, dass diese Tiere weniger Verhaltenspathologien aufweisen, was sonst in der Haltung sehr häufig ist. Wir haben das an einem Fall untersucht, ganz gezielt das so genannte Belly nosing. Das ist, wenn die Schweine sich ständig mit ihrer Rüsselscheibe beknabbern und gegenseitig an ihren Körpern rumspielen. Das tritt bei dieser Haltung wesentlich weniger auf. Zweitens konnten wir zeigen, dass die Wundheilung in einem Versuchsansatz, wo wir bei diesen Tieren künstlich eine Wunde gesetzt haben, wesentlich schneller abläuft.

    Gerhard Manteuffel nennt als Ursache dafür positiven Stress. Das ist ein bisschen so wie beim Autofahren. Man wird gefordert, aber man weiß, dass man die Situation beherrscht. Das ist gut für das Immunsystem. Einen ähnlichen Effekt haben Rangkämpfe auf die Gewinner. Dabei gibt es jedoch genauso viele Verlierer. Motivation für die Entwicklung des Futterautomaten war es, die Gewinn-Situation für alle Schweine herzustellen. Als Nebeneffekt, so scheint es, wird auch die Qualität des Fleischs besser:

    Das ist aber eine physiko-chemische Fleischqualität. Ob sich die im Geschmack niederschlägt, wage ich zu bezweifeln. Aber einiges an den Verarbeitungsparametern des Fleischs, zum Beispiel Wasserverlust, da gab es Unterschiede. Das wird weiter untersucht. Aber ich möchte hier in dem Zusammenhang mit diesen Versuchen nicht zuviel versprechen.

    Für Gerhard Manteuffel ist der Automat in erster Linie ein Schritt zu einer artgerechteren Tierhaltung, eine kleine Kompensation für die Abenteuer in der natürlichen Umwelt, die man den Tieren im Stall vorenthält, um das Fleisch bezahlbar zu halten.