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Dritter Todestag von Daphne Caruana Galizia
Ein immer noch nicht aufgeklärter Mord

Vor genau drei Jahren wurde die Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia mit einer Autobombe ermordet. Die genauen Umstände der Tat sind bis heute nicht bekannt. Den Behörden fällt eine Aufklärung schwer, auch deshalb gibt es politischen Druck aus dem Ausland.

Von Iris Rohmann | 15.10.2020
Ein Schild vor der maltesischen Botschaft erinnert bei einer Mahnwache an die vor zwei Jahren ermordete maltesische Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia. Auf dem Schild steht: #Justice4Daphne. Zu der Mahnwache hatten "Reporter ohne Grenzen" aufgerufen und fordern von der maltesischen Regierung eine lückenlose Aufklärung der Tat.
Vor drei Jahren wurde die maltesische Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia ermordet - die Hintergründe sind bis heute nicht vollständig aufgedeckt (picture alliance/dpa/Christoph Soeder)
Die Enthüllungen von Daphne Caruana Galizia hatten vor allem seit dem Jahr 2016 und der Veröffentlichung der Panama-Papers einen Sumpf aus Korruption, Geldgier und Vetternwirtschaft zum Vorschein gebracht, der einer Bananen-Republik würdig wäre. Damit kam sie den Herrschenden zu nahe. Ihre Ermordung war für viele eine schockierende, aber letztlich nicht überraschende Eskalation. Daphnes Schwester Corinne Vella fasst den Stand der Mordermittlungen zusammen.
"Wo stehen wir drei Jahre nach dem Tod von Daphne: Eine Person, Yorgen Fenech, wurde angeklagt, den Mord geplant zu haben, in Auftrag gegeben zu haben und bezahlt zu haben. Drei Männer wurden angeklagt, die Vollstrecker des Verbrechens zu sein. Aber bis heute ist noch niemand für seine Taten bestraft worden."
47 Verleumdungsklagen
Von Anfang an hatte die Familie der Ermordeten der maltesischen Regierung zumindest eine Mitschuld an dem Mord gegeben. Mit allen Mitteln habe man Daphne zum Schweigen bringen wollen, unter anderem durch 47 Verleumdungsklagen. Mehr als 70 Prozent davon kamen von Regierungsbeamten und deren Geschäftspartnern, sagt Corinne Vella.
"Die für den Mord politisch Verantwortlichen, die an der Macht waren, als Daphne ermordet wurde, sind zum Teil mittlerweile zurückgetreten. Haben sie für ihre Verbrechen bezahlt? Noch nicht."
Mordfall Daphne Caruana Galizia: Wie sich Malta nach dem Mord verändert hat
Der Fall der ermordeten Journalistin erschüttert seit langem die Innenpolitik Maltas. Daphne Caruana Galizia hatte zu Korruption im Land recherchiert. Der Fall sorgt bis heute für Diskussionen.
"Struktur von Korruption"
Denn die politischen Prozesse in Malta werden bis heute von einem kleinen Machtkartell gesteuert, das enge, sprichwörtlich familiäre Beziehungen zur Wirtschaftselite des Landes hat. Wo jeder mit jedem verwandt ist, gibt es fast immer Probleme mit dem Rechtsstaat, sagt Frank Schwabe, der als Vorsitzender der Menschenrechtskommission im Bundestag von Anfang an mit der Ermordung Daphne Caruana Galizias zu tun hatte. Die Geschichte von kleinkriminellen Bombenlegern oder Einzeltätern habe er von Anfang an nicht geschluckt.
"Das war ja die Geschichte die am Anfang aufgetischt wurde. Das ist offensichtlich nicht die Wahrheit hinter dem Ganzen, sondern es geht um eine Struktur von Korruption und von Vetternwirtschaft, und das Ganze ist dann eben am Ende in diesem Fall eskaliert in einem Mord, und das System dahinter, das muss auf den Tisch gelegt werden, damit man es eben auch entsprechend ändern kann, und da sind wir noch nicht."
Staatliche Verstrickung
Das politische System hat mit allen Mitteln versucht, die Journalistin zum Schweigen zu bringen: Durch staatlich finanzierte Hetzkampagnen ebenso wie durch den Missbrauch von Steuergeldern und Gesetzen. Ein Untersuchungsausschuss in Malta bringt diese Dinge an den Tag – auf Druck der Europäischen Union und gegen den ausdrücklichen Wunsch der Regierung.
Diese forderte vor einigen Tagen erneut das Ende der Untersuchung. Man müsse endlich einen Schlussstrich ziehen - so Premier Abela. Es hagelte internationale Kritik dafür - auch von Rebecca Vincent, der Direktorin für internationale Kampagnen von "Reporter ohne Grenzen".
"Wir müssen sichergehen, dass die Kommission weiterarbeitet. Es war ein hart errungener Sieg, sie überhaupt einzusetzen, und wir sind alarmiert über Robert Abelas Versuch, sich hier einzumischen. Diese Untersuchung ist bisher das wichtigste Instrument zur Wahrheitsfindung gewesen. Und solange wir nicht verstehen, was mit Daphne genau geschehen ist, sind Journalisten, die Korruption in Malta aufdecken, in großer Gefahr. Es geht also nicht nur um Aufklärung der Vergangenheit, sondern um den aktiven Schutz von Journalisten, die heute in Malta arbeiten."
Söhne veröffentlichten Buch
Einen Einblick in die Angriffe und Repressalien, denen Caruana Galizia ausgesetzt war, gibt nun ein erstmals auf Deutsch erschienenes Buch. Sein Titel: "Sprich die Wahrheit, auch wenn Deine Stimme zittert". Es ist zugleich auch ein Protokoll ihres ungebrochenen Mutes und Teil ihres Erbes, sagt ihre Schwester Corinne Vella.
"Es wurde von ihren Söhnen Matthew, Andrew und Paul zusammengestellt. Es ist eine Art Hommage an ihre Mutter, die nie ein Buch schreiben konnte, während sie die Kinder großzog. Es ist einerseits ein Dankeschön ihrer Söhne an sie, und andererseits soll auf diese Weise ihr Vermächtnis fortbestehen."
Das journalistische Erbe von Daphne Caruana Galizia kommt so zu seinem Recht. Ihre Recherchen werden von Journalisten aus aller Welt fortgeführt. Nun fehlt noch die Gerechtigkeit, und dass alle Schuldigen an dieser Tat zur Verantwortung gezogen werden.