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Drittmittel an Universitäten
Einfluss der Geldgeber auf die Forschung bleibt unklar

Dass Unternehmen und Verbände mit viel Geld Forschungsprojekte an Hochschulen unterstützen, ist inzwischen gang und gäbe. Mittlerweile kommt damit durchschnittlich jeder vierte Euro in den Uni-Haushalten aus sogenannten Drittmitteln. Wie die Verträge genau aussehen, ist dabei meist unbekannt. Und damit auch, wie groß der Einfluss der Geldgeber ist.

Von Armin Himmelrath | 14.05.2016
    Details in einem Praktikumslabor am Institut für Anorganische und Analytische Chemie (IAAC) der Universität Jena.
    Wie sehr beeinflusst das Geld von Konzernen staatliche Forschung. (picture alliance / dpa / Jan-Peter Kasper)
    Bleiben Forscher unabhängig, wenn sie jährlich einen sechsstelligen Eurobetrag aus der Industrie bekommen? Ja klar, sagt der Kölner Uni-Sprecher Patrick Honecker mit Blick auf die jahrelange Zusammenarbeit seiner Universität mit dem Pharmakonzern Bayer. "Das ist eine sogenannte "preferred partnership", das heißt: Wir haben mit Bayer Leverkusen eine Kooperationsvereinbarung, wo zum Beispiel eine gemeinsame Graduiertenschule betrieben wird. Es geht darum, dass man zum einen natürlich auf Interna von Bayer zurückgreift, auf der anderen Seite natürlich auch wissenschaftlich gemeinsam geforscht wird. Letztendlich ist in diesem Rahmenvertrag geregelt, wie diese Art der Zusammenarbeit organisiert wird."
    Doch um was geht es bei dieser "preferred partnership" genau? Was wird konkret erforscht? Wem gehören die Forschungsergebnisse, die ja in staatlich finanzierten Labors entstehen? Das alles, sagen Kritiker, ist nicht bekannt. Dennoch muss die Uni keine Auskunft geben über den Vertrag – so hat es im vergangenen Herbst das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden. Und die Kölner Kooperation ist kein Einzelfall: Experten schätzen, dass die Unis jährlich deutlich über zehn Milliarden Euro Drittmittel bekommen – davon rund 1,5 Milliarden für die Auftragsforschung durch Konzerne. Mittlerweile kommt damit durchschnittlich jeder vierte Euro in den Uni-Haushalten aus Drittmitteln – externe Geldgeber werden an den Hochschulen also immer wichtiger. So sponsert an der RWTH, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen, ein Energieversorger das "E.ON Energy Research Center". Innerhalb von zehn Jahren stellt das Unternehmen dafür 40 Millionen Euro zur Verfügung. Und an der Ludwig-Maximilians-Universität München wird das "Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht" von einer Stiftung finanziert, die von Arbeitgeberverbänden getragen wird.
    Mitspracherecht bei der Ernennung von Professoren
    Das Online-Portal "hochschulwatch.de" sammelt solche Kooperationen – und macht sie öffentlich. Erik Marquardt gehörte vor vier Jahren zu den Initiatoren von Seite. Für ihn stellt der steigende finanzielle Einfluss der Industrie eine immer stärkere Bedrohung des freien akademischen Diskurses dar. "Das ist dann zum Beispiel so, dass T-Mobile relativ viel an der Uni Frankfurt investiert; die Institute für Ostasienwissenschaften an der Uni Göttingen von der chinesischen Regierung finanziert werden, also die Erweiterung dort; oder der Fall an der TU Berlin zum Beispiel, dass die Deutsche Bank sich in 'nem Kooperationsvertrag mit der HU und der TU relativ weitreichende Rechte, was die Berufung von Professorinnen und Professoren angeht, gesichert hat – aber auch die Veröffentlichungsrechte an den Forschungsergebnissen zum Beispiel."
    Insbesondere der Berliner Fall hatte seinerzeit für Aufsehen gesorgt: Erst durch die Indiskretion eines Professors kam heraus, dass die Deutsche Bank den Universitäten ein "Institut für Finanzmathematik" gesponsert hatte – und dafür im Gegenzug nicht nur ein Mitspracherecht bei der Ernennung von Professoren an diesem Institut, sondern auch bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen erhalten hatte. Unerwünschte Forschungsresultate hätten damit von der Bank blockiert werden können. Die Empörung war so groß, dass die Kooperation inzwischen beendet wurde.