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Drittmittel besser einwerben

Sie tüfteln jahrelang, fahren aufwendigste Versuchsreihen und kommen möglicherweise zu einem interessanten Ergebnis. Doch das bleibt dann in der Schublade, weil die Akademiker ihr Forschungsprojekt nicht vermarktet bekommen. Außerdem zieht sich die öffentliche Hand aus der Finanzierung der Hochschulen zunehmend zurück. Drittmittel sind daher immer wichtiger. Ihnen widmet sich die internationale Tagung "Wissenschaft und Märkte aktiv verbinden" an der Fachhochschule Münster. 60 Wissenschaftler aus Hochschulen in Südafrika, Australien, den USA Europa und Deutschland stellen ihre Vermarktungsideen vor und diskutieren über neue Strategien.

Von Eva Bendix |
    Wissenschaftler aus Amerika wollten mit ihrem Forschungsprojekt hoch hinaus. Sie entwickelten einen Stift, mit dem Astronauten problemlos im schwerelosen Weltall schreiben können. Es entstand der Space Pen - ein Hightech-Stift mit aufwendigem Pumpsystem. Verkauft bekamen die Forscher ihren Stift nicht - denn die Astronauten bevorzugten den kostengünstigeren Bleistift.

    Eine Anekdote, mit der Professor Thomas Baaken, Marketingexperte der Fachhochschule Münster deutlich machen möchte, wie Wissen besser vermarktet werden sollte:

    Die Einbindung von Forschungskunden, sprich Unternehmen, zu einem relativ frühen Zeitpunkt in die Forschung und nicht erst wie das häufig an Forschungseinrichtungen passiert: Erst mal eine Technologie entwickeln, und wenn sie fertig ist, mal schauen, wer das denn überhaupt gebrauchen könnte und wo man eine solche Technologie einsetzen könnte.

    Münster sei der absolute Drittmittelkönig in Deutschland, sagt Thomas Baaken und verweist stolz auf eine Bilanz der Fachhochschule:

    Unser Einsatz von Marketingmethoden hat dazu geführt, dass wir 25 bis 30 Prozent pro Jahr mehr Drittmittel einwerben können über die Zeit hinweg und heute mit 7,2 Millionen Drittmittel 23 Prozent unseres Hochschulbudgets bestreiten. Das ist ein absoluter Spitzenwert, den keine andere Hochschule in BRD so erreicht.

    Seinen Kollegen aus dem In- und Ausland stellt Baaken auf der Tagung Strategien seines Erfolgskonzeptes vor. Das etwas schwerfällige Geschäft, Kunden für Forschungsprojekte zu werben, versüßt die FH Münster mit speziellen Anreizen, so Baaken:

    Wir haben für jeden Fachbereich oder jedes Labor eine gewisse Quadratmeter-Vorgabe, die sich an Vergleichswerten von anderen Hochschulen orientiert. Wenn die mehr Raum haben wollen, müssen sie dafür Miete bezahlen. Das hat zum Gegenstand, dass sie mehr zusammen rücken oder vielleicht mit anderen Labors oder Fachbereichen besser zusammenarbeiten, damit sie diese Mietzahlungen umgehen. Wenn sie Drittmittel einwerben, bekommen sie pro 70.000 Euro eingeworbener Drittmittel im Jahr 23 Quadratmeter mehr Raum für Büro oder Laborfläche. Das ist eines der Instrumente, die ganz hervorragend funktionieren.

    Erfolgreiche Wissensvermarktung, da sind sich Experten auf der Tagung einig, heißt nicht, schöne bunte Prospekte zu gestalten oder Forscher auf Messen zu schicken, sondern bei potenziellen Kunden nachzufragen: Wo sind eure Probleme und welche Lösungen könnte die Forschung dafür bieten?

    Wir machen keinen Tag der offenen Tür oder Forschungstag mehr. Sondern wir gehen viel gezielter auf den Markt. Zum Beispiel laden wir mehrere Unternehmen ein, die dann mit einer ganzen Gruppe von Vertretern aus dem Hause kommen. Entwicklungsleiter, Projektleiter, Marketingleiter, Vorstände und von unserer Seite sind es 15-20 Professoren. Dann finden sich sehr schnell Partner. Wir schließen die dann einfach weg, sage ich mal salopp. Wir stellen also Räume zur Verfügung. Darin müssen sie eine Stunde bleiben, und nach einer Stunde hat sich dann eine Vielzahl von Projekten ergeben, die aus diesen Zweiergesprächen entstanden sind, weil da sofort und sehr konkret Probleme auf den Tisch kommen und Lösungen andiskutiert werden. Daraus entstehen gemeinsame Projekte, die in Forschung oder in Entwicklungsleistung münden.

    Was erwarten Kunden von Forschungseinrichtungen? Nach welchen Kriterien suchen sich Firmen Hochschulen aus? Wie läuft die Zusammenarbeit? Und wie zufrieden ist man mit den Ergebnissen? Diese Fragen untersucht die Fachhochschule Münster in einer groß angelegten Studie. Erstmalig fand eine dazu eine Erhebung unter den Kunden statt - quer durch alle Branchen und deutschlandweit. Das ernüchternde Ergebnis:

    Das Allerwichtigste, was Unternehmen erwarten, sind Ergebnisse. Klingt vielleicht trivial, aber wenn Sie das in eine Hochschule reinkommunizieren, sind Forscher nicht unbedingt ergebnisorientiert. Sie sind prozessorientiert und sie forschen auf ein Ziel hin, aber nicht auf ein zu lieferndes Ergebnis hin. Entsprechend ist die Zufriedenheit. Was Unternehmen bekommen haben an Ergebnissen, ist dramatisch schlecht. Daraus klafft eine Riesenlücke zwischen Erwartung und dem, was sie bekommen.

    Deutsche Wissenschaftler könnten von ihren niederländischen Nachbarn lernen. Die stellen die Bedürfnisse ihres Kunden in den Mittelpunkt und kommunizieren ganz anders, sagt Baaken. Auch die australischen Kollegen haben den Deutschen einiges voraus.

    Australien selbst steckt etwas weniger Geld in die Grundlagenforschung. Dafür sind sie erheblich besser im Aufgreifen von Forschungsergebnissen, die irgendwo auf der Welt entstanden sind. Sie machen die marktreif und anwendungsfertig und entwickeln daraus Produkte und vermarkten die weltweit. Das machen die uns vor. Bei uns liegen viele Forschungsergebnisse in Schubladen, weil sie weniger anwendungsorientiert entstanden sind.

    Voneinander lernen und Ideen für neue Marketingkonzepte mit in die Hochschule nehmen, dass erhoffen sich die Teilnehmer dieser ersten internationalen Tagung.