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Dröhnland und Götterhämmerung

Dem Altrocker, dem Schlapphut-Schleicher und Krawall-Kasper Udo Lindenberg ist eine Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte gewidmet, denn der Sänger ist auch schon eine Person der Zeitgeschichte. "Keine Panik" ist der Titel - ist doch klar.

Von Walter Filz |
    Lindenberg-Fans in der DDR, 1979:
    "Udo Lindenberg. - Lindenberg ist gut. - Da drüber brauchste gar nicht drüber zu diskutieren, weil et sowieso nicht geht.- Warum? - Da steht der Palast nicht mehr."

    Berlin Ost, 1979. Nach einem Konzert der Puhdys im Palast der Republik fragt ein Westreporter Jugendliche, welchen Sänger aus dem Westen einmal in der auftreten soll.

    Lindenberg-Fans:
    "Udo Lindenberg, der stellt ja seine Wirtschaftspolitik, also die, die in der BRD vorhanden ist, real dar. Und wenn er zum Beispiel singt wir wollen ja nur zusammen sein mit dem Mädchen aus Ost-Berlin und so."

    Walter Momper:
    "Sie haben die Mauer in den Köpfen vieler schon eingerissen als sie noch ganz unversehrt dastand."

    Berlin West 1989. Zwei Wochen nach dem Mauerfall erhält Udo Lindenberg von Walter Momper das Bundesverdienstkreuz:

    "Sie, Udo haben in den letzten Jahren manches in den Köpfen junger Leute und auch wohl in den Köpfen einiger deutscher Politiker bewegt."

    Udo Lindenberg:
    "Die, die mich kennen, wissen, dass ich eigentlich nicht der Typ bin, der auf Orden steht. Aber Richie und Walter Momper sind ja recht edle Politnasen und deswegen nehm' ich dieses Teil dankend an."

    Der Typ und das Teil. Die Sprache und die Sprüche: Keine Panik. Alles unter Kontrolle. Gitarren statt Knarren. Dröhnland und Götterhämmerung. Und Sündenknall und bunte Republik. Für seine geflügelten Kalauer und Volkssubkultur gewordenen Slogans gehörte er eigentlich in ein Literaturmuseum. Aber in ein "Haus der Geschichte" passt er auch. Aus denselben Gründen. Udo Lindenberg hat Geschichte gemacht mit seiner Sprache. Leider wusste man deren historische Dimension in Bonn nicht zu vermitteln - und zeigt stattdessen Gegenständlich-Anekdotische: Hier die Lederjacke für Honecker. Da Honeckers Schalmei für Lindenberg. Dort ein Zigarettenetui mit Widmung von Marlene Dietrich. Und drum herum Lindenbergs patentierte Bildkunst: die Likörelle - Karikaturhafte Skizzen aus dem Rockerleben und Denken, zu Papier gebracht mit buntem Hochprozentigem: von Aprikot bis Curacao. Lässig im Stil und manchmal etwas überambitioniert im Anspruch - so wie der gern operettenschmockig schwelgende Bratgitarrenrock von Lindenbergs Musik. Eigenständig unverwechselbar ist allein der Sound seiner Texte. Texte, die er so nuschelgerecht auf seinen Ton zuschreibt, dass sie zu keinem anderen passen. Im Mund eines beispielsweise Nachrichtensprechers klingen Lindenbergs Verse immer nur ungereimt.

    Tagesthemen:
    "Sein Angebot: "Hey, Honni, ich sing für wenig Money im Republikpalast, wenn ihr mich nur laßt" blieb lange unerhört. "Ich hab ein Fläschchen Cognac und das schmeckt sehr lecker, das trink ich dann zusammen mit dem Erich Honecker"."

    Cool Quengeln - auch eine Sprachkunst. Mit penetrierender Sturheit hat Lindenberg versucht, die Schnodder-Poesie seiner privaten Udopie vom einenden Rock'n'Roll in die politische Realität zu überführen. Wort für Wort, Vers für Vers, löste Lindenberg seine Song-Texte aus, tranchierte sie portionsweise zu Statements und servierte sie der Öffentlichkeit: als Sprüchebuffett in Interviews, als gut abgehangene Slogans bei Aktionen und Demonstrationen oder als Verdauungs-Herausforderung, wenn er sie Politikern vor die Füße schmeißt. Nehmt und fresst. Und Lindenbergs Sprüche wurden gefressen und geschluckt. Anders als andere politisch engagierte Künstler, egal ob sie Campino oder Günter Grass heißen, wechselte er auf Diskussionsbühnen nie den Jargon. Und weil sein Jargon - dieses speziell schnoddrige Lindensprech - keiner bekannten Sprache des Engagements ähnelte, nicht dem Klageklang von Liedermachern, dem Trotzton der Politbarden oder dem Forderungskanon von Protestsängern, - weil Lindenberg in kein Sprachschema passte, konnte er auch durch die heiklen Maschen des eisernen Vorhangs und seiner Kommunikationsregelungen schlüpfen. Lindensprech ist ein Privat-Idiom. Und überwindet deshalb universal Sprachbarrieren. So und nur so konnte er mit Willy Brandt diskutieren und mit Erich Honecker korrespondieren, konnte Weizsäcker Richie nennen und Krenz ein "ach Egon" zurufen:

    "Guten Abend, Herr Staatsratsvorsitzender, und Egon Krenz. ach Egon, Egon, Egon, Egon..."

    Und alle derart von Lindenberg Auf- und Angerufenen wussten immer: der bellt wohl eigenwillig, aber beißen tut er bestimmt nicht. Und was die Dimension des Lindenberg'schen Engagements betraf, war auch jedem klar. Der kratzt zwar heftig an der Einlasstür zur Historie, doch eigentlich will er nur spielen. Rockmusik
    Lindenberg:
    "Ich würd so gerne bei euch mal singen..."

    Und deshalb werden Udo Lindenbergs Spielsachen auch nur im Foyer vom Haus der Geschichte gezeigt. Wo der Eintritt frei ist. Vor dem kostenpflichtigen Gang in die eigentliche deutsche Historie.