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Drohungen gegen Kommunalpolitiker
SPD-Politiker zieht Antrag auf Waffenschein zurück

Weil er sich von Rechten bedroht fühlte, hatte der Bürgermeister von Kamp-Lintfort einen großen Waffenschein beantragt. Als ihm dieser verwehrt wurde, klagte er und löste eine Debatte über Hass und Hetze gegen Mandatsträger aus. Das sei sein Ziel gewesen, gab er nun an und zog den Antrag zurück.

Von Moritz Küpper | 17.01.2020
Christoph Landscheidt (SPD), Bürgermeister von Kamp-Lintfort.
Christoph Landscheidt (SPD) ist Bürgermeister von Kamp-Lintfort in Nordrhein-Westfalen (dpa / Arnulf Stoffel)
Er bedauere, so Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt von SPD, dass die Frage, ob ein gefährdeter Kommunalpolitiker Anrecht auf einen Waffenschein habe, nun nicht juristisch geklärte werde:
"Das Ziel der breiten öffentlichen Diskussion ist jetzt erreicht, über die Gefährdung von Hoheitsträgern. Und ich hoffe, dass die jetzt auch losgelöst wird von meiner persönlichen Situation, von der Gefährdungslage ja oder nein, und deswegen habe ich meine Anwälte beauftragt, die Klage zurückzunehmen", sagte Landscheidt am Abend, nachdem ihn die SPD in Kamp-Lintfort einstimmig erneut zum Bürgermeisterkandidat für die Kommunalwahl im Herbst nominiert hatte.
Bedrohung unterhalb der Schwelle von Polizeigefahr
Landscheidt hatte, nachdem er im Wahlkampf zur Europawahl, seiner Meinung nach volksverhetzend Plakate von der rechtsextremen Partei "Die Rechte" hat abhängen lassen, von Bedrohungssituationen gegenüber seiner Familie und sich selbst berichtet und daraufhin den Waffenschein beantragt.
"Ich denke, diese subtile Vorgehensweise dieser Szene, die eben unterhalb der Schwelle von Bedrohung und unterhalb der Schwelle von Polizeigefahr ist, die muss man thematisieren."
Am kommenden Dienstag hätte sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit dem Thema beschäftigen müssen, dazu kommt es jetzt aber nicht:
"Ich hätte mir gewünscht, dass am Ende das OVG in Münster darüber entschieden hätte, aber die Chance haben wir jetzt nicht. Es sei denn, ein anderer Kollege macht das geltend."
Diskussion ist in Berlin angekommen
Wenige Stunden vor Landscheidts Erklärung, hatte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul, CDU, im Innenausschuss des Landtages bekannt gegeben, dass der Bürgermeister nun – nach einer erneuten Prüfung im Januar – Personenschutz erhalte. Erst im vergangenen Jahr soll der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten erschossen worden sein. 2017 wurde im sauerländischen Altena Bürgermeister Andreas Hollstein, Vertreter einer liberalen Flüchtlingspolitik, attackiert, zwei Jahre zuvor wurde Kölns heutige Oberbürgermeisterin Henriette Reker niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Am vergangenen Wochenende waren in Kamp-Lintfort rund 1.000 Menschen auf die Straße gegangen, um sich mit ihrem Stadtoberhaupt solidarisch zu erklären:
"Ich denke, was wir hier in Kamp-Lintfort erlebt haben, dass sich Leute zusammenstellen und für Demokratie einstehen, unabhängig von der Frage einer bestimmten Person und sagen: Wir sind mehr, wir sind viele, wir wollen das so nicht, das finde ich schon sehr, sehr wichtig."
Er habe, so Landscheidt, mehrfach erklärt, dass er – im Falle einer positiven Entscheidung – nicht von dem Recht, eine Waffe zu tragen, Gebrauch gemacht hätte. NRWs Innenminister Reul, aber auch die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, hatten sich in der Diskussion dagegen ausgesprochen, dass sich Kommunalpolitiker bewaffnen können. Letztendlich, so Landscheidt, sei das Ganze aber eben eine gesellschaftliche und auch juristische Frage, "wie gehen wir eigentlich damit um, was können wir tun? Das haben wir jetzt nicht, aber damit ist es auch gut. Wir haben die Diskussion. Sie ist ja in Berlin sogar angekommen, das finde ich sehr gut."