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Drohungen von der Insel

Die Krise bei Airbus erscheint zuvorderst als deutsch-französische Angelegenheit. Doch auch in Großbritannien sind Arbeitsplätze bedroht. Und Premierminister Tony Blair versichert, mit allen Mitten um sie kämpfen zu wollen. Martin Zagatta berichtet.

Von Martin Zagatta |
    Mitzubestimmen haben die Briten eigentlich nicht. Der Rüstungskonzern BAE Systems hat seinen 20-Prozent-Anteil an Airbus schon im vergangenen Jahr verkauft. Dennoch droht die Londoner Regierung mit ernsthaften Konsequenzen, sollte die Sanierung jetzt übermäßig zu Lasten der beiden Airbus-Werke auf der Insel gehen. Das, so der für Rüstungseinkäufe zuständige Staatssekretär Lord Drayson ganz unverhohlen, könne wirtschaftliche Repressalien nach sich ziehen. Diese Warnung ist nach Gewerkschaftsangaben dem Unternehmen übermittelt worden, was die britische Regierung auch gar nicht erst dementiert hat.

    Das Airbus-Werk in Broughton habe so viele Bestellungen vorliegen, dass es keinen Grund gebe, die Produktion einzuschränken, versichert Handelsminister Alistair Darling bei einem demonstrativen Rundgang durch die Fabrik im Norden von Wales. Hier und in Filton im Südwesten Englands sind insgesamt mehr als 13.000 Beschäftigte für die Entwicklung und die Montage der Trageflächen zuständig für alle Airbus-Modelle. Ginge es allein nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, müssten sie sich auch keine großen Sorgen machen, denn sie produzieren billiger als ihre Kollegen auf dem Kontinent. Die Airbus-Angestellten in Großbritannien werden zwar genauso gut bezahlt wie die Deutschland und Frankreich, wenn nicht sogar besser. Doch die Lohnnebenkosten sind auf der Insel deutlich niedriger.

    Zudem beruft man sich in London auf eine Studie der Airbus-Führung, die in Deutschland veröffentlicht worden ist. Der zufolge ist das Werk in Broughton weit produktiver als alle anderen, und auch in der Länderrangliste liegt Großbritannien vor Deutschland und Frankreich.

    Wenn man auf die Airbusfertigung in Deutschland, Frankreich und in Wales schaut, dann hat das Werk in Broughton langfristig doch sehr gute Aussichten, meint der Luftfahrtexperte Howard Whealdon. Schließlich sind nach dem Öffentlichwerden der Studie in Deutschland auch Befürchtungen aufgekommen, ein Teil der Produktion könne nach Großbritannien verlegt werden. Eine Werksschließung steht hier wohl nicht zur Debatte. Inzwischen machen in Broughton und Filton allerdings Informationen die Runde, wonach auch 1000 britische Arbeitsplätze dem Sanierungsplan zum Opfer fallen sollen.

    Die Regierung hat Hilfe versprochen, und da London mit dem Airbus-Mutter-Konzern EADS gerade über einen Rüstungsauftrag von 20 Milliarden Euro verhandelt, kann man es durchaus auch als Warnung verstanden, wenn Premierminister Tony Blair im Unterhaus versichert, alle" zu unternehmen, um Airbus zu unterstützen, gemeint natürlich die britischen Airbus-Werke.

    Die britische Regierung hat bei Airbus 25 Militärtransporter bestellt. Großbritannien gibt ohnehin mehr als doppelt soviel für Rüstung aus wie Deutschland. Und wenn jetzt London und Berlin Airbus mit finanziellen Konsequenzen drohen, gibt es, so schreibt das Handelsblatt, einen entscheidenden Unterschied: London traue man zu, diese Drohung auch in die Tat umzusetzen.

    Das Tony Blair nicht zimperlich ist, wenn es um Milliarden und Arbeitsplätze geht, hat er ohnehin gerade unter Beweis gestellt. Der Premierminister hat die britische Justiz angewiesen, Korruptionsermittlungen einzustellen. BAE Systems wird verdächtigt, saudische Mittelsmänner, womöglich die Königsfamilie selbst, mit 90 Millionen Euro bestochen zu haben, um an einen lukrativen Rüstungsauftrag zu kommen. Als Riad damit gedroht hat, das Geschäft platzen zu lassen, hat Tony Blair das Ermittlungsverfahren stoppen lassen, - nicht klammheimlich, sondern ganz offiziell, mit Hinweis auf übergeordnete Interessen des britischen Staates.