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Druck auf Digital-Bibliothekare

Eher dröge mutet der Titel der Veranstaltung an, die vom 3. bis 5 Juni in der Messe Frankfurt am Main stattfand: ''Fachmesse für Wissensmanagement – ComInfo 2003''. Doch keineswegs trocken waren die Diskussionen der Konferenz. Immer wieder im Fokus stand dabei das US-dominierte Informationsmonopol, das wissenschaftliche Recherchen immer stärker einzuschnüren droht. So erwarben US-amerikanische Investoren vor kurzem etwa auch den angesehenen Wissenschaftsverlag Springer. So fragen Experten bereits, ob die ''Digitale Bibliothek Deutschland'' überhaupt noch zu retten ist.

07.06.2003
    In Frankfurt am Main versammelten sich in der vergangenen Woche Informationswissenschaftler und Datenbanker zu ihrem jährlichen Stelldichein. Dabei stand die Veranstaltung keineswegs im Zeichen gelassener Routine. Geradezu aufgeschreckt gaben sich viele der zur "ComInfo 2003" angereisten Experten. Denn erst vor kurzem übernahm die britische Investorengruppe Cinven und Candover die Verlagsgruppe Bertelsmann-Springer. Damit verschärft sich der Trend weiter, dass wer als Wissenschaftler in Deutschland Forschungsergebnisse veröffentlichen will, dabei immer stärker auf ausländische und vor allem US-amerikanische Verlage sowie deren digitale Journale angewiesen ist. "Diese Marktbeherrschung bringt auch mit sich, dass ich als Nutzer eigentlich nur einer Handvoll Unternehmen gegenüber sehe. Damit kann natürlich auch ein Monopol und sogar eine Verknappung des Wissens einhergehen. Nur wer den Preis noch bezahlen kann, erhält dann den Zugang zu diesem Wissen", konstatiert Gabriele Beger, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis. Sie sieht daher den Staat gefordert, in diesem Konzentrationsprozess regulierend einzugreifen.

    In der Tat schuf die Bundesregierung mit dreistelligen Millionenbeträgen so genannte Fachinformationszentren, die Wissenschaftler und Entwickler in den Unternehmen mit neuen Forschungsergebnissen und genauen Beschreibungen neuer Technologien versorgen sollen. Allerdings mit ambivalentem Erfolg, meint Professor Marc Rittberger von der Universität in Genf: "Was ich erwarte, ist ein One-Stop-Shopping für den Wissenschaftler in vielen Bereichen. Soweit ich diesen Markt überblicke, bieten Fachinformationszentren häufig nur einen Teil aus dem großen, Informationsmarkt an. Zum Beispiel gibt es ja im Internet jede Menge Informationen, etwa in der Physik. Aber kein Fachinformationszentrum hilft mir, sie qualitativ zu filtern und zu durchsuchen." Das aber soll sich bald andern: Das neue Wissenschaftsportal "Vascoda" soll zentraler Bestandteil der ab August in Betrieb gehenden "Digitalen Bibliothek Deutschland" sein, berichtet Peter Krause vom Bundesforschungsministerium: "Der Benutzer erhält bei Vascoda eine klare Schnittstelle, mit der er laienhaft gesagt wie Google mit einem Suchbegriff recherchieren kann. Aber hinter diesem Portal organisieren sich die Fachinformationsanbieter in eigener Verantwortung. Dann ist die Unübersichtlichkeit der Fachinformationslandschaft für den Benutzer unsichtbar."

    Überdies soll "Vascoda" mit zahlreichen Publikationsservern verknüpft werden, die zurzeit an Hochschulen und Universitäten aufgebaut werden. Davon erwartet Christine Thomas, ebenfalls vom Bundesforschungsministerium, auch eine stärkere Diskussion von Informationen sowie eine schnellere Umsetzung der wissenschaftlichen Ergebnisse: "Dokumente sollen auf diesen Servern zunächst – entsprechend gekennzeichnet – als Vorabversion veröffentlicht werden. Anschließend kann dann die wissenschaftliche Gemeinde zu einem Papier Rückmeldung geben. So entstehen verschiedene Evolutionsformen einer Arbeit bis hin zu einem völlig qualitätsgesicherten Status." Auch sollen wissenschaftliche Fachgesellschaften digitale Verlage aufbauen, wobei Fachinformationszentren unterstützen könnten, betont Sabine Brünger-Weilandt, Geschäftsführerin des Fachinformationszentrums Karlsruhe: "Die Fachinformationszentren müssen sich neue Geschäftsfelder und neue Betätigungen suchen, um der privatwirtschaftlichen Konzentration entgegen zu treten. Wenn sie das nicht tun, dann machen sie sich überflüssig." Viele Wissenschaftler sind indes skeptisch, ob die aus einer alten regierungsamtlich verordneten und hierarchischen Struktur stammenden Fachinformationszentren den neuen Internet-Herausforderungen überhaupt gewachsen sind. Sie sehen die Integration ihrer Publikationsserver an den Hochschulen denn auch mehr als notwendiges Übel. Und das könnte sich beim Aufbau der "Digitalen Bibliothek Deutschland" als ein großes Problem erweisen.

    [Quelle: Peter Welchering]