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Drucken ja, verkaufen nein

Nach außen hin herrschen in dem nordafrikanischen Land Presse- und Meinungsfreiheit. Seit der Machtübernahme Ben Alis ist die Linie der meisten Medien in Tunesien allerings regierungskonform. Unabhängigen Zeitungen wird der Geldhahn zugedreht - oder die Erlaubnis verweigert, nach dem Druck die Zeitungen auszuliefern.

Von Katharina Stanik |
    Ein weißes Haus in einem Hamburger Hinterhof. Bensedrine / Mestiri steht auf dem Klingelschild und daneben: 4. Etage. Seit Juli 2002 bewohnt Sihem Bensedrine zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter die geräumige Dachwohnung. Bei der Suche half die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte, auf deren Einladung sich die Journalistin aus Tunesien derzeit in Deutschland aufhält.

    In ihrer Heimat kann Bensedrine ihrer Arbeit nicht nachgehen. Die Zeitung "Kalima Tunisie" - das Wort Tunesiens - , die sie zusammen mit ihrem Mann Omar Mestiri im Jahr 1999 gründete, wurde von der tunesischen Regierung verboten, Bensedrine verfolgt und bespitzelt - zu kritisch war die Berichterstattung. Damit teilt sie das Schicksal vieler tunesischer Journalisten.

    "Die meisten haben sich eine andere Arbeit gesucht, weil sie ihren Beruf nicht mehr auf ehrliche Weise ausüben konnten. Man hat von ihnen verlangt, Propaganda zu machen, keinen Journalismus."

    Seit der Machtübernahme Ben Alis ist die Linie der meisten Medien im Lande regierungskonform. Unabhängigen Zeitungen wird der Geldhahn zugedreht - oder das récipicé verweigert: die Erlaubnis, nach dem Druck die Zeitungen auszuliefern. Das geschehe einmal, zweimal, manchmal dreimal: danach seien die meisten Zeitungen pleite, sagt Bensedrine.

    Die Strategie des tunesischen Regimes ist durchaus subtil - dafür umso effektiver. Nach außen hin herrschen in dem nordafrikanischen Land Presse- und Meinungsfreiheit.

    "Mittlerweile gibt es sogar einige - in Anführungszeichen - "private" Zeitungen in Tunesien. Aber wir wissen, dass auch die durch das Innenministerium finanziert werden. Viele Chefredakteursposten sind darüber hinaus mit ehemaligen Polizeispitzeln besetzt."

    "Ben Ali hat die Medienlandschaft verseucht mit Zeitungen, die Boulevardblättern ähneln. Das sind Zeitungen die des-informieren, oder Geschichten erzählen, manchmal völlig erfundene. Das ist die Art von Journalismus, die heute in Tunesien existiert."

    Um zu erfahren, was in ihrem Land passiert, ist die tunesische Bevölkerung darum auf das Internet oder ausländisches Fernsehen angewiesen. Auch die Journalistin Bensedrine hat sich entschieden, auf diesem Weg zu publizieren. Seit dem Jahr 2000 erscheint Kalima Tunisie im Internet. Doch die Webseite ihrer Zeitung ist in Tunesien gesperrt - wie so viele Seiten mit politischem Inhalt.

    "Gerade die jungen Tunesier haben Mittel und Wege, diese Kontrollen zu umgehen und gelangen trotzdem auf die gesperrten Seiten. Natürlich sind wir trotz allem sehr begrenzt in unserer Verbreitung."

    Im November soll in Tunis der Weltinformationsgipfel stattfinden: unter der Ägide der Vereinten Nationen werden 5000 Vertreter aus 174 Nationen über eine gerechtere weltweite Informationsgesellschaft diskutieren. Dass dieser Gipfel ausgerechnet in Tunesien stattfinden soll, empfindet Bensedrine als "zynisch".

    " Das ist, als ob man eine Anti-Atomkonferenz in einem Reaktor abhielte. Viele haben gehofft, dass der Weltinformationsgipfel für die tunesische Regierung ein Anlass wäre, ihre Politik etwas zu liberalisieren. Aber das Gegenteil ist der Fall."

    Pressefreiheit in Tunesien werde es wohl erst dann geben, wenn die Europäische Gemeinschaft anfange, Druck auf den tunesischen Präsidenten aus zu üben. Doch die, sagt Bensedrine, verschließe die Augen vor der Realität.

    "Die europäischen Staaten verlangen keine Rechenschaft von Ben Ali, sie unterstützen seine Politik, weil er vorgibt, den Terrorismus zu bekämpfen. Aber unserer Meinung nach ist Ben Ali nicht dabei, den Terrorismus zu bekämpfen - sondern ihn zu fördern, weil er dem Volk alle Möglichkeiten nimmt, seine Meinung auf friedlichem Wege zu äußern. Das tut er, und zwar mit Unterstützung Europas."