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"Drücken, nicht wickeln"

Über 9000 Tonnen Schokolade werden jährlich allein in Deutschland in Weihnachtsmannform gebracht. In den Mantel hilft den nackten Schoko-Männern das Familienunternehmen Rasch. Ihre Wickelmaschinen verpacken fast alles - auch Ramadan-Gebäck für den königlichen Hoflieferanten in Jordanien oder Kamelmilch-Schokolade in Dubai.

Von Philipp Schnee | 23.12.2011
    So klingt Weihnachten - zumindest bei der Firma Rasch. Denn hier in Köln-Bickendorf fängt, wenn man so will, Weihnachten an. Und Ostern. Mit ihren Produkten

    "Hohlkörperverpackungsmaschine Type FI für Figuren"

    sorgt das Familienunternehmen dafür, dass der nackte Schoko-Weihnachtsmann in den Mantel, und der nackte Schoko-Hase ins Fell kommen – ganz ohne Verletzung.

    "Als Marke, als Familienbetrieb, als Weltmarktführer für die Hohlkörper-Spezialmaschinen",

    sagt Tina Gerfer, die Geschäftsführerin. Wie das genau funktioniert, das erklärt Produktionsleiter Ralf Rumpel, vor der Maschine mit dem Förderband und den Greifern:

    "Die nackte Figur wird hier zugeführt, das heißt, sie wird hier mit dem Teller, den Formen in die Maschine eingeschwenkt. Da kommt die Verpackungsfolie, die wird drübergelegt, wird vorgeformt, wie so ein Schlauch, und wird dann hier weitervergeben in die erste Station."

    Und das ist gar nicht einfach: "Wenn Sie sich mal einen Sitzhasen vor Augen führen, der hat einen sehr breiten Fuß und einen sehr schmalen Kopf."

    Aber kein Problem, auf diesem Gebiet kennt sich die Firma Rasch aus. Man ist für diese speziellen Verpackungsmaschinen Weltmarktführer. Das zumindest steht auf dem Pokal in der Vitrine im Eingangsbereich des Firmensitzes.

    Und dort stehen auch die Produkte der Kunden, alle bunt in Silberfolie verpackt. Die Enkelin des Gründers Wilhelm Rasch, Tina Gerfer, führt hier seit drei Jahren die Geschäfte.

    Aber Schokofiguren, Weihnachtsmänner, die treiben die gut gelaunte Geschäftsführerin mit den langen blonden Haaren schon seit ihrer Kindheit um, als sie ihren Großvater zu den Schokoladenproduzenten begleiten durfte.

    "Früher waren die ja viel bischöflicher als sie heute sind. Heute habe ich wirklich das Gefühl, da ist viel von einer bekannten Limonade geprägt und darum ist alles rot und weiß, bunt und schrill, früher waren die wirklich in Bischofsgewändern, und das kann man an den alten Figuren auch ganz schön sehen."

    Alle bekannten Marken beliefert Rasch. 50 Prozent des Umsatzes macht die Firma im deutschsprachigen Raum. Aber Rasch-Verpackungsmaschinen werden auch in weit entfernte Länder geliefert: Ramadan-Gebäck für den königlichen Hoflieferanten in Jordanien, Kamelmilch-Schokolade in Dubai oder aber Radiergummis in Deutschland: Rasch-Wickelmaschinen verpacken fast alles.
    Und selbst bei einem kleinen Familienunternehmen in der Schoko-Branche spielt die große Politik eine Rolle:

    "Weil unsere traditionell sehr starken Märkte, nämlich die arabischen Märkte, die arabischen unter anderem, sehr schwer zu bedienen sind. Iran ist nahezu unmöglich geworden, wirklich zu unserem großen Bedauern."

    Die Firmengeschichte ist eine Wirtschaftswundergeschichte. Gerfers Großvater, Wilhelm Rasch, ein Ingenieur, gründet die Spezialmaschinenfabrik 1950. Am Anfang hat er mit seinem Mitgesellschafter fünf Mitarbeiter, stellt Temperiermaschinen und Zubehör her für das Erhitzen von Schokolade – und kommt so in Kontakt mit den Süßwarenherstellern. Weihnachtsmänner, Schokohasen, die werden zu dieser Zeit noch von Hand gepackt:

    "Es war ja Wirtschaftswunderzeit. Es ging vieles. Und dann hat man sich wirklich dran gemacht für einen namhaften Hersteller einen sehr bekannten Schokohasen maschinell einzuwickeln, eine Maschine zu bauen. Und so sind die Hohlkörperverpackungsmaschinen entstanden. Also, ganz, ganz viele unserer Maschinen sind um ein bestehendes Produkt herum gebaut worden."

    Weltweit – als kleines Familienunternehmen mit knapp 60 Mitarbeitern muss man da, um neue Kunden zu gewinnen auch mal ungewöhnliche Wege gehen:

    "Ich setzte mich auch oft hin und gucke nach Produkten oder kaufe wirklich im Geschäft, wenn ich ne Marke nicht kenne, oder auch mal im Urlaub ein Produkt ein, schau das nach und recherchiere und schreib die dann auch frech an, dass es mal klappen könnte"

    Besonders gute Erfahrung hat die Geschäftsführerin gerade in exotischen Ländern gesammelt, zum Beispiel mit einem Kunden aus Ghana:

    ""Der bespricht, bestellt und bezahlt. Das ist schon erwähnenswert in der heutigen Zeit. Das ist für uns ganz interessant zu sehen, dass da, wo man eher mal die Nase rümpfen würde, ich sag mal Drittland, für uns eigentlich ganz, ganz gute Märkte sind"

    Aber krisensicher, das ist auch die Schoko-Verpackungs-Branche nicht. Maschinen sind klassische Investitionsgüter – auch wenn sie lediglich Weihnachtsmänner in Folie hüllen. Und bei Investitionsgütern wird schnell mal gespart. Das bekam das Unternehmen in der Krise nach den Bankenpleiten in den USA sehr, sehr stark zu spüren. Die Umsätze brachen ein um fast 40 Prozent. Ein harter Sparkurs wurde verordnet. Die Sonderzahlungen wurden gekürzt, 18 Monate wurde kurzgearbeitet:

    ""Hartes Brot, aber wir konnten alle noch mitnehmen durch die harte Zeit, sind alle noch da."

    Zum Beispiel Robert Sacher. Seit 31 Jahren ist er im Betrieb. Hat hier schon gelernt, Maschinenschlosser, und hat an unterschiedlichsten Stellen der Produktion gearbeitet.

    "Natürlich, anfangs ist man erstmal enttäuscht, dann hat man vielleicht so was wie ich sag mal ein kleines bisschen Wut im Bauch. Aber wenn man dann doch sieht, was im ganzen Land passiert oder in ganz Europa das mit sich gebracht hat, dann war ich doch froh den Arbeitsplatz als solches überhaupt durch diese Krise gehalten zu haben."

    Es war keine einfache Zeit bei Rasch, das merkt man. Es hat auch geknirscht. Aber die Firma hat es geschafft. Gemeinsam – betont Geschäftsführerin Gerfer.

    Wo aber beginnen jetzt genau Weihnachten und Ostern' Exakt im Büro von Axel Störmer, dem Konstruktionsleiter von Rasch. Er bekommt die genauen Zeichnungspläne der Schoko-Figuren. Diese muss er dann so anpassen, dass die Formen für die Ankleide-Maschinen gefräst werden können.

    In kariertem Hemd sitzt er vor seinem Bildschirm, ein 3-D- Modell eines Hasen dreht sich da, neben ihm auf dem Schreibtisch liegen drei in Goldfolie verpackte, sogenannte Sitzhasen – mit Mängeln. Die Folie sitzt etwas schief, ist noch sehr faltig, an einer Hasen-Flanke klafft gar ein Loch:

    "Das ist halt ein Probeprojekt, da sind die Formen noch nicht so ordentlich gearbeitet gewesen und da passieren dann genau diese Geschichten. Das ist halt ein Beispiel, wenn man vom Handling nicht sauber an dieses Produkt rangeht, dann kriegt das solche Löcher oder bricht komplett ein diese Figur."

    Konstrukteur Störmer und der Sitzhase, kurz vor Heilig Abend? Ja, denn in der Weihnachtszeit, da ist bei Rasch Ostern angesagt: Aber ganz so groß ist der Unterschied sowieso nicht, sagt Tina Gerfer. Und verrät ein lange schon vermutetes Geheimnis:

    "Sind alles dieselben Formen, eben mit einer gewechselten Folie!"