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Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Umwelt. - Geht es um das letzte Lager für radioaktive Materialien, erhitzen sich die Gemüter der Beteiligten schnell. So auch auf einem Symposium zur sicheren Endlagerung hochaktiver, Wärme entwickelnder Abfälle in Berlin. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Rückholbarkeit des strahlenden Mülls.

Von Dagmar Röhrlich | 03.11.2008
    "Für viele Menschen kommt es deswegen, weil sie Angst haben, weil man nicht genau voraussagen kann, wie es funktioniert, und man hat sozusagen einen Notausstieg über die Rückholbarkeit, wenn etwas schief geht,"

    erklärt Michael Sailer, Vorsitzender der Entsorgungskommission des Bundes. In Deutschland ist derzeit nicht vorgesehen, die radioaktiven Abfälle wieder aus einem Endlager herauszuholen. Aber international gesehen ist die Rückholbarkeit ein starkes Argument. Dabei geht es um die Akzeptanz bei den Anwohnern, die beruhigt werden sollen:

    "Die Sicherheitsgründe waren nie eine treibende Komponente für die Rückholbarkeit, es war mehr eine Frage der Akzeptanz, zu demonstrieren, dass man offen ist, alle neuen Einflüsse, die kommen könnten, in Betracht zu ziehen."

    Hans Riotte von der Kernenergieagentur der OECD. In der Schweiz etwa hofft man auf künftige Technologien wie die Transmutation. Funktioniert sie, könnte man den Müll aus dem Endlager herausholen und die hochaktiven Abfälle in harmlosere umwandeln. Die Transmutation liegt jedoch noch in weiter Ferne. In der Diskussion um die Rückholbarkeit spielen inzwischen etwas ganz anderes die Hauptrolle: die Renaissance der Kernenergie. Deshalb sehen viele Länder in den abgebrannten Brennelementen eines Endlagers einen Rohstoff, den man sich für ein paar hundert Jahre lang sichern möchte, so Riotte:

    "Die Länder, die Kernenergie betreiben mit Wiederaufbereitung haben natürlich ein starkes Interesse daran, dass abgebrannte Brennelemente in einer rückholbaren Weise gelagert werden."

    Beispielsweise setzen Frankreich oder die USA darauf. Die Frage ist, wie die Rückholung technisch realisiert werden soll. Die USA wollen in ihrem Endlagerbergwerk die Stollen offen halten. Einen solchen Ansatz hält Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt und Vorsitzender der Entsorgungskommission für problematisch:

    "Wenn man die Rückholbarkeit so einfach versteht, wie sie klingt, muss man ja die ganzen Wege an die Abfälle offen lassen, das wären aber auch die Wege, über die Wasser rein kommen kann und Radioaktivität rauskommen kann."

    Michael Sailer spricht sich deshalb dafür aus, das Bergwerk so schnell wie möglich so dicht wie möglich zu verschließen - nur dann seien die Abfälle geschützt. Außerdem: Wer will schon ein 100, 200 oder 300 Jahre altes Bergwerk nutzen, wenn er an den Atommüll heran will. Es ist einfacher und sicherer, ein neues zu bauen:

    "Wenn ich das neue Bergwerk machen will, muss ich natürlich genau wissen, wo die Abfälle liegen und deswegen ist es sehr wichtig, dass man alles dokumentiert, die genaue Lage der Abfälle, die genauen Inhalte der Abfälle, auch wo die Einlagerungskammern, die Schächte, die Strecken, und dann können nachfolgende Generationen auf eine so gute Dokumentation aufbauend doch eben dann wieder in den Berg gehen und es rausholen, wenn es nötig wird."

    Gordon MacKerron von der University of Sussex hat die britische Regierung in Sachen Kernenergie beraten. Er hält den Notausgang Rückholbarkeit für eine Illusion. Prinzipiell sei es zwar immer möglich, den Müll zurückzuholen - aber:

    "Wenn in einem Endlager etwas schief geht, möchte man die Abfälle vermutlich gar nicht mehr zu Tage fördern, weil das viel gefährlicher ist und mehr passieren kann. Man müsste ohnehin im schlimmsten Fall die Leute evakuieren. Ich persönlich halte es allerdings für unwahrscheinlich, dass im Endlager etwas passiert, wenn man vernünftig arbeitet. Wenn es um die Sicherheit geht, sollten wir nicht damit rechnen, dass man den Abfall wieder zurückholen kann: Das ist keine Basis, auf der wir aufbauen können."

    Ganz egal, ob nun in Deutschland beschlossen wird, die Abfälle rückholbar ins Endlager zu bringen oder nicht: Auf jeden Fall bleiben alle Gesteinsoptionen für die Standortsuche bestehen. Ob es nun Ton wird oder ein Salzstock wie Gorleben - ein neues Bergwerk lässt sich immer auffahren:

    "Man kann das bergmännisch in jeder Formation machen, das heißt, es ist keine Entscheidung, ob man jetzt in Salzstöcke oder in Tonsteinformationen geht."