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"Du hast spitzenmäßig gearbeitet"

Die Heinrich-Böll-Schule bei Frechen legt den Schwerpunkt auf emotionale und soziale Entwicklung. Hier werden Kinder unterrichtet, die mehr oder weniger gruppenunfähig sind. Mit spezieller Betreuung und Förderung soll diesen Kindern eine Rückkehr in eine Regelschule ermöglicht werden.

Von Franziska Rattei | 03.04.2010
    Der Montagmorgen im Klassenzimmer von Gabi Metzner und Heike Schlösser beginnt in ruhigem Tempo. Gegen halb neun trudeln die Schüler ein; alle um die neun Jahre alt. Zwei Lehrerinnen und ein Praktikant für heute acht Kinder. Jungs, die in ihren "regulären" Grundschulklassen aus der Rolle gefallen sind, nicht in einer Gruppe lernen konnten, zum Teil so aggressiv waren, dass sie für sich selbst oder andere Kinder zur Gefahr wurden. Jetzt gehen sie hier zur Schule, und aggressiv wirken sie ganz und gar nicht.

    "Revanche - Ok. - Ok, dann los. Weißt du, was ich mit dir immer so toll finde?" - "Was?"- Du bist ein guter Gewinner und ein guter Verlierer, macht richtig Spaß mit dir zu spielen."

    Während der sogenannten Ankommenszeit spielen die Schüler Karten, puzzeln oder erledigen liegengebliebene Hausaufgaben.

    "Bis zehn vor neun, immer."

    "Alle Schüler hören das Zeichen. Ich höre viele Füße. Das zeigt mir, dass ganz viele Schüler zu ihrem Platz laufen ... " "

    Zeit, um das Stillsitzen zu üben. Erst wenn alle Kinder aufmerksam sind, beginnt der Deutsch-Unterricht. Heute: Silbentrennung. Eigentlich eine ganz normale - in Anführungszeichen - Klasse. Außer: dass sie klein ist, es zwei Lehrerinnen gibt, dass der Alltag bis ins Detail strukturiert ist und die Kinder ständig Rückmeldungen über ihr Verhalten bekommen.

    " Der hat spitzenmäßig gearbeitet, wie war's mit der Freundlichkeit?

    "Ja.""Also, der Robin hat gearbeitet, war freundlich, hat sich ein Sternchen verdient." "

    Sternchen, manchmal auch Bonbons, für Freundlichkeit, Fleiß und Konzentration. Lob für schnelles Reagieren oder Zuhören. Im Minutentakt wird den Kindern ihr Verhalten gespiegelt. Es winken: Gutscheine für Hausaufgaben-Freiheit, Vorlese- oder Spielzeit.

    Konsequentes Belohnen ist ein wichtiger Teil des Erziehungskonzepts an der Heinrich-Böll-Schule. Ein Sternchen für Freundlichkeit, Loben statt Schimpfen. Und im Ernstfall:

    "Wenn der in einer Phase des Selbststeuerungsverlusts eben Gefährdungspotenzial zeigt, dass er meinetwegen Gegenstände durch die Gegend schmeißt, gezielt auf andere, sind die Kollegen angehalten, unser hauseigenes Alarmsystem zu betätigen."
    Was fast jeden Tag einmal nötig ist, sagt der stellvertretende Schulleiter Johannes Krakau. Dabei halten vier Kollegen das Kind fest - nach einem vom Landesjugendamt zertifizierten und schmerzfreien System.

    "Die Kinder machen in der Situation eben auch die Erfahrung, dass sie sich so daneben benehmen können, wo sie sonst die Erfahrung gemacht haben: Ich werde rausgeschmissen oder die Erwachsenen wenden sich von mir ab. Wir stehen das dann mit den Jungs gemeinsam durch. Wir sind die Sicherheit, wir bleiben da. Egal, wie du dich benimmst. Wir finden eine Lösung, es lässt sich alles wieder gutmachen. Wir sind bei dir."

    Wohlwollen, Aufmerksamkeit, Sicherheit, Struktur, Disziplin und ein individuell angepasstes Lerntempo - das sind die wichtigsten Punkte im Schulprogramm. Sagt - während der streng beobachteten Schulpause - die Lehrerin Heike Schlösser.

    "Ich meine, es heißt immer: Eigentlich müssten sie das in dem Alter können. Und dann klappt es eben an der Regelschule nicht, weil sie es noch nicht können - unabhängig von ihrem Alter. Und hier können wir ihnen eben auf ihrer Stufe begegnen und verlangen nichts von ihnen, was sie noch gar nicht leisten können."

    So füllt sie - mit ihren Kollegen - die Entwicklungslücken der Kinder und trainiert sie für die Regelschule. Dorthin kehren 40 Prozent der Heinrich-Böll-Schüler nämlich zurück. Eine Schule für alle - möglich, aber erst nach vorangegangener Förderung. Denn:

    "Sie sind unruhig, sie sind laut. Sie halten auch ihre Mitschüler vom Arbeiten ab, weil sie permanent Aufmerksamkeit einfordern. Alle Schüler, die hier sind, sind in einer integrativen Gruppe nicht haltbar. Das Schulsystem, wie es jetzt ist, verkraftet Kinder mit so hohen Ansprüchen nicht. Ich kann's mir gar nicht vorstellen."

    Bleiben die Kinder, die die Regelschule durchaus einbinden kann: beispielsweise körperbehinderte, zum Teil auch geistig behinderte Kinder. Eine Schule für alle - aus Sicht der Heinrich-Böll-Förderschule ausschließlich für die sinnvoll, die fähig sind, innerhalb einer Gruppe zu lernen.