Freitag, 17. Mai 2024

Archiv


"Du Schwein, ich hau dir in die Schnauze"

Die Schimpf- und Prügelanfälle des tschechischen Finanzministers Miroslav Kalousek und seine mögliche Verwicklung in dubiose Rüstungsgeschäfte beschäftigen das Parlament: Die Opposition hat eine Vertrauensabstimmung gefordert - die Regierung nimmt jedoch ihren Pöbelminister in Schutz.

Von Stefan Heinlein | 18.07.2012
    Kritik kann Miroslav Kalousek nur schwer ertragen. Als ihn vor Monaten ein junger Mann beschimpft, macht der Finanzminister kurzen Prozess. Vier Ohrfeigen auf offener Straße. Die öffentliche Prügelszene sorgt für Schlagzeilen. Kurz darauf greift Miroslav Kalousek zum Hörer und beleidigt den Abgeordneten Petr Skokan mit groben Worten. "Du debiler Idiot – du Schwein – ich hau dir in die Schnauze – warum hast du die Journalisten informiert?" Das Gespräch wird aufgezeichnet und jetzt unter dem Gejohle der Abgeordneten von Petr Skokan im Parlament vorgetragen:

    Nicht zum ersten Mal ist Miroslav Kalousek verhaltensauffällig geworden. Seit Wochen beschäftigt die Öffentlichkeit eine mögliche Korruptionsaffäre um ein dubioses Rüstungsgeschäft. Die mögliche Anklage gegen die damals zuständige Kabinettskollegin ist Miroslav Kalousek ein Dorn im Auge. Vehement verteidigt er die vermutlich völlig überteuerte Anschaffung von vier militärischen Transportflugzeugen.

    "Wir sind Zeugen eines beispiellosen Angriffs der Polizei auf unser demokratisches System. Hier wird eine völlig legale Entscheidungspraxis kriminalisiert. Das ist der Beginn eines Polizeistaates."

    Anschließend wird bekannt: Der Finanzminister soll die Ermittler und den tschechischen Polizeipräsidenten angerufen und persönlich bedroht haben. Damit ist für die Opposition das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Auf Antrag der Sozialdemokraten muss sich die Regierung heute der Vertrauensfrage stellen, erklärt Vize-Parteichef Zaoralek:

    "Wir wollen von jedem einzelnen Abgeordneten hören, was er von der Affäre und den vulgären Ausbrüchen des Ministers hält. Warum ohrfeigt er Menschen auf offener Straße – warum versucht er die Polizei einzuschüchtern? Kann man einen solchen Minister noch stützen?"

    Schon drei Mal hat die Opposition vergeblich versucht, mit Misstrauensvoten die Regierung zu stürzen. Trotz der nur hauchdünnen Regierungsmehrheit im Parlament sind auch diesmal die Erfolgschancen eher gering. Außenminister Karel Schwarzenberg stärkt seinem Parteifreund den Rücken:

    "Leider ist Miroslav Kalousek ein cholerischer Charakter. Unser Reformprogramm trägt aber seine Handschrift. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ohne ihn in dieser Regierung bleiben."

    Als Finanzminister ist Miroslav Kalousek zuständig für die harten Sparmaßnahmen der Regierung. Zum Jahreswechsel wird erneut an der Steuerschraube gedreht. Es gibt Kürzungen im öffentlichen Dienst, die Einführung von Studiengebühren und Einschnitte für die Rentner. Die Geduld vieler Tschechen mit den politischen Affären ihrer Regierung ist deshalb erschöpft, meint Martin Fendrych von der Wochenzeitung "Tyden":

    "Die Stimmung in der Gesellschaft hat sich geändert. Die Menschen sind nicht mehr bereit, die Korruption und die täglichen Skandale einfach hinzunehmen. Es muss endlich Schluss damit sein."

    Viele Beobachter in Tschechien halten deshalb die Aufdeckung der Affären durch die Medien und das neuerdings energische Vorgehen der Polizei auch gegen hochrangige Politiker für ein positives Signal. Auch ein mächtiger Finanzminister müsse sich an die Spielregeln der Gesellschaft halten, schreibt die renommierte Wochenzeitung Respekt. Die Affäre Kalousek sei mit der Vertrauensabstimmung heute noch lange nicht beendet.