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Dubiose Abwrackgeschäfte
Schiffsfonds und ihre Schattenseiten

Bei einem Schiffsfonds können Sparer Geld in ein Containerschiff investieren – gelockt von gewinnträchtigen Versprechen. Auffallend häufig gehen die Schiffsbetreiber pleite, die Anleger machen ein dickes Minus. Profiteure sind letztendlich die Fondsmanager, die die meist alten Schiffe in Indien abwracken lassen – zu einem sehr hohen Schrottpreis. Ein abgekartetes Spiel.

Von Peter Hornung und Jürgen Webermann | 09.03.2015
    Ein Containerschiff im Hamburger Hafen
    Von 46 Schiffen deutscher Reeder wurden im vergangenen Jahr 32 in Indien verschrottet – unter meist haarsträubenden Sicherheitsbedingungen. (picture alliance / dpa)
    Podingi, ein kleines Dorf im Osten Indiens. Dandapani Dakua steht in der Tür seines kleinen, grünen Steinbaus am Dorfrand. Der alte Mann hat ein Wasserbein, die Schwellungen fallen sofort auf. Er ist körperlich behindert. Sein Gesicht ist zerfurcht, sein Blick leer, Dandapani ist nur mit einem Leinentuch bekleidet. Als Dandapani den Besucher aus Deutschland sieht, bricht er in Tränen aus und stürmt davon. Er muss sich erst einmal sammeln. Dann kommt er wieder und beginnt zu erzählen. Über Prashant, seinen Sohn. Prashant hatte in Alang an der Westküste Indiens auf dem größten Schiffsfriedhof der Welt geschuftet. Er ist einer von 35.000 Menschen, die am Strand von Alang Supertanker, Container- und sogar Kreuzfahrtschiffe abwracken. In Podingi, dem Heimatdorf der Familie, gab es für Prashant keine Perspektive. Wie so viele junge Männer musste er sich woanders einen Job suchen.
    "Mein Sohn war immer sieben, acht Monate weg von hier. Zur Ernte kam er immer zurück, um auf den Feldern zu helfen. Aus Alang hat er uns immer Geld geschickt, mal 5.000 Rupien, mal 8.000 Rupien. Ich habe ihn nie um einen speziellen Betrag gebeten. Er war ja noch jung."
    Dandapani weiß, dass die Arbeit seines Sohnes gefährlich war. Die meisten Männer in Alang tragen weder Helm noch Schuhe, wenn sie auf den riesigen Schiffen schweißen und hämmern. Sie sind auch den Schadstoffen schutzlos ausgesetzt. Jederzeit können schwere Stahlteile unkontrolliert hinabstürzen und einen der Arbeiter treffen. Aber Dandapani und Prashant sahen keine Alternative zu dem Job: Von den umgerechnet 150 Euro, die Prashant verdiente, war die ganze Familie abhängig. Am 22. September 2014 erhält Dandapani Dakua einen Anruf aus Alang.
    "Es waren Freunde von Prashant. Leute aus unserem Dorf. Sie sagten, dass Prashant gestorben sei."
    Nach Angaben der Behörden war Prashant auf einer Leiter ausgerutscht und von dem Schiff gestürzt, auf dem er gerade arbeitete. Das Schiff hieß "King Justus" und kam aus Deutschland. In der Gemeinde Pfinztal bei Karlsruhe lebt einer der Mitbesitzer der "King Justus". Martin Girrbach führt durch seinen Betrieb. In einer Fabrikhalle werden Kunststoffe für Industriemodelle abgefüllt. Einen Teil seiner Ersparnisse aus dem Betrieb hat er in einen sogenannten Schiffsfonds investiert, ein Finanzberater hatte ihm dazu geraten. Die Sparer beteiligen sich durch den Fonds an einem Containerschiff; in der Hoffnung, dass es gute Gewinne abwirft.
    "Ich bin selbstständig und ich muss für meine Altersvorsorge selbst vorsorgen und wir wollen halt einfach unser Vermögen aufbauen, sodass wir zu einem Stichtag X eine Summe an Geld zur Verfügung haben, von der wir dann auch später leben können und auch leben müssen."
    Aber statt einer guten Altersvorsorge wird das Unternehmen King Justus für Martin Girrbach zu einem Pleitegeschäft. Im Winter 2014 muss die Fondsgesellschaft der King Justus Insolvenz anmelden. Das Geld, das Girrbach in das Schiff gesteckt hatte, ist weg.
    Wie konnte es so weit kommen, dass erst der deutsche Unternehmer Martin Girrbach mit der King Justus seine Ersparnisse und dann der indische Dorfbewohner Dandapani Dakua auf diesem Schiff seinen Sohn verlor? Die Spurensuche beginnt im Jahr 2012.
    Damals hört Martin Girrbach zum ersten Mal durch seinen Finanzberater von der King Justus. Ein Schiffsfonds scheint Girrbach eine gute Geldanlage. Die Geschichte, mit der der Fonds verkauft wird, klingt für den Unternehmer glaubhaft. Das Hamburger Fondshaus König & Cie. kann auf einige Jahre Erfahrung mit Schiffsfonds verweisen. Mit blumigen Werbefilmen sucht König & Cie. nach immer neuen Investoren. König & Cie. konzentriert sich bewusst auf besondere Segmente der Containerschifffahrt. Ein klar abgesteckter Kurs.
    Dieser Werbefilm stammt aus dem Jahr 2008 - dem Krisenjahr der internationalen Finanzwirtschaft. In den Jahren danach, als viele Ökonomen längst auch eine Krise auf dem Markt für Schiffe vorhersagten, wirbt König und Cie. mit diesem Film neue Anleger. Das Geschäft für die Fondshäuser ist durch die Finanzkrise eingebrochen. Aber König & Cie. gibt weiterhin vollmundige Werbeversprechen.
    O-Ton aus Werbefilm 2008:
    "Das was wir anbieten, müssen wir wirklich können, verstehen und 100 Prozent dahinterstehen. Sonst lassen wir das lieber. Qualität und Sicherheit stehen eben an erster Stelle."
    Landesbank Nord LB als Mitfinanzierer
    Das Fondshaus aus Hamburg hatte auch eine knackige Verkaufsidee. Eine Geschichte, die zur Finanzkrise passt und über die Helge Petersen nur den Kopf schüttelt. Petersen ist Rechtsanwalt, spezialisiert auf Geldanlagen. Er fasst das Geschäftsmodell von König und Cie., mit dem auch Martin Girrbach gelockt wurde, so zusammen:
    "Das ist klasse, wir haben eine Schiffskrise. Alles ist günstiger geworden. Die Schiffe sind günstiger geworden. Das ist eine Riesenchance, jetzt in Schiffe reinzukommen. Andere sehen die Chance gerade nicht und verkaufen die Schiffe. Und wir kaufen die."
    Doch König und Cie. kann eine vertrauenswürdige Partnerin bei dem Geschäft vorweisen: Die Landesbank Nord LB aus Hannover. Während Anleger wie Martin Girrbach einen Teil der King Justus mit ihren Ersparnissen finanzieren, steuert die Landesbank knapp 60 Prozent des Kaufpreises für das Schiff bei. Eigentlich gilt die Nord LB als eine der wichtigsten Adressen, wenn es um die Finanzierung von Schiffen geht. Umso mehr wundert es Helge Petersen, dass die Landesbank auf das Geschäft mit der King Justus eingegangen ist. "Was sich da so mancher Berater oder manche Bank dabei gedacht hat, das noch ernsthaft in diesen schweren Zeiten zu verkaufen, ist aus unserer Sicht letztendlich, nicht erkennbar, nicht zu verstehen."
    Die Geschäftsidee, mit der König & Cie. Anlegern wie Martin Girrbach die King Justus schmackhaft gemacht hat, geht nicht auf. Ende April 2014 erhält Girrbach einen Brief von König & Cie., der ihm einen Schock versetzt: Die Schiffsgesellschaft der King Justus ist pleite.
    Verfallene Wracks auf einem Schiffsfriedhof
    Verfallene Wracks auf einem Schiffsfriedhof (picture-alliance / dpa - Müller)
    "Das sind so Momente, die man gerne verdrängt. Das ist ja kein Spielgeld, das wir da einsetzen. Wir haben 10.000 Euro investiert. Das ist ja kein Geld, das sie einfach aus dem Ärmel schütteln. Das soll ja der Aufbau für unsere Altersvorsorge sein."
    Ein Rechtsanwalt aus Hamburg übernimmt nach der Pleite die King Justus als Insolvenzverwalter. Bereits am 4. März wird die King Justus im Internet von einer Firma namens Sonem Shipping zum Verkauf angeboten. Nirgends findet sich der Name eines Mitarbeiters dieser Firma, und auch die Adresse taucht nirgendwo auf. Wer also ist die Sonem Shipping? Auskunft könnte der Insolvenzverwalter geben. Aber der Anwalt will Fragen zum Verkauf der King Justus nicht beantworten. Ende Juni 2014 wird der deutsche Eigner, die Schiffsgesellschaft der King Justus, im internationalen Schiffsregister gelöscht. Martin Girrbach, der Anleger, ist damit nicht mehr einer der Mitbesitzer des Containerschiffes.
    In Indien macht sich Prashant Dakua im Juni 2014 auf in sein Heimatdorf Podingi. Er lässt für ein paar Wochen die harte Arbeit auf dem Schiffsfriedhof von Alang hinter sich. Prashant heiratet. In Indien ist eine Hochzeit ein Großereignis, das mehrere Tage gefeiert wird. Prashants Vater Dandapani hat das Fest monatelang vorbereitet.
    "Wir haben alle Freunde und Verwandten eingeladen. Es waren bestimmt zwei- bis zweieinhalbtausend Menschen dabei!"
    Um die riesige Hochzeit zu finanzieren, hat sich Dandapani bei Nachbarn Geld geliehen, insgesamt rund 1.000 Euro. Für ihn eine enorme Summe. Prashant müsste in Alang acht Monate dafür arbeiten. Dass sich die Eltern der Brautleute für eine Hochzeit verschulden, ist in Indien normal. Dandapani geht davon aus, dass er das Geld schrittweise zurückzahlen wird, schließlich hat Prashant ja die Arbeit auf dem Schiffsfriedhof und damit ein regelmäßiges Einkommen. Dandapani ist ein stolzer Vater, als sich Prashant im Juli 2014 wieder auf den Weg nach Alang macht.
    "Als er zurück nach Alang fuhr, hat er uns versprochen, bald wieder Geld zu schicken. Er brauchte ja auch dort etwas, um zu essen und zu trinken. Aber er hat mich angerufen und gesagt: Vater, ich werde Dir in 15 Tagen etwas schicken."
    Die King Justus wurde neu registriert
    Während Prashant in seinem indischen Heimatdorf Hochzeit feiert, pendelt die King Justus zwischen den Kanarischen Inseln und dem afrikanischen Festland hin und her. Meistens fährt sie nach Mauretanien. Kleine Sender übermitteln die Position des Schiffs. So lässt sich ihr Weg nachverfolgen. Am 1. Juli liegt die King Justus im Hafen von Las Palmas. Ein spanischer Hobbyfotograf fotografiert sie dort. Am Heck weht jetzt die Flagge des Südseestaates Marschall-Inseln. Das nächste Mal taucht das Schiff knapp drei Wochen später an der Straße von Gibraltar auf, die King Justus ist auf dem Weg Richtung Mittelmeer. Sie hat die Flagge gewechselt und ist jetzt im Karibikstaat Saint Kitts und Nevis angemeldet.
    Ein anonymer Käufer hat das Schiff offenbar neu registriert und dabei die Flagge gewechselt. Doch wer ist dieser Käufer? Hinter der Firma Sonem-Shipping, die die King Justus im Internet zum Kauf angeboten hat, steht ein gewisser M. Hasan. Auf eine E-Mail-Anfrage, ob die King Justus noch zu haben ist, reagiert er. Unter seiner Mail steht eine Handynummer mit ägyptischer Vorwahl. Die weiteren Recherchen ergeben, dass die Telefonnummer auf Mohamed Hasan Ayyad registriert ist. Ayyad ist eigentlich Geschäftsführer der Firma Unimar Shipping im Hafen von Damietta in Ägypten. Unimar ist nach eigenen Angaben ein Schiffsdienstleister. Ist die Sonem-Shipping, die die King Justus angeboten hat, nur eine Tarnfirma und Mohamed Hasan Ayyad ein Zwischenhändler, der die King Justus nur weiterverkauft hat?
    Henning Gramann kennt sich aus in der Branche. Er ist Inhaber einer Firma, die sich auf Schiffsrecycling spezialisiert hat. Gramann ist nicht erstaunt. Er weiß, dass viele versuchen, den Weg der Schiffe nach Indien zu verschleiern. Denn Schrottschiffe aus der Europäischen Union direkt dorthin zu verkaufen, ist illegal. Die europäischen Gesetze verlangen eigentlich, dass die Schiffe als Sondermüll unter vernünftigen Bedingungen entsorgt werden und nicht direkt am Strand wie in Alang.
    "Die Bank oder die Fondsgesellschaft, die haben natürlich kein Interesse daran, dass deren Name irgendwo auftaucht. Dementsprechend gibt es Handelsstrukturen, die es wesentlich schwieriger machen, diese Wege nachzuvollziehen."
    Mohamed Hasan Ayyad, der Zwischenhändler aus Ägypten, will Fragen zu dem Geschäft mit der King Justus nicht beantworten. Am 30. Juli befindet sich das Schiff im ägyptischen Port Said, anschließend passiert es den Suezkanal. Am 9. August fährt die King Justus durch das Rote Meer, aber jetzt unter einem anderen Namen. Das "King", das eigentlich für das Fondshaus König und Cie. aus Hamburg stand, wurde gestrichen. Das Schiff heißt jetzt nur noch Justus. Am 19. August erreicht es Alang und wirft vor der Küste den Anker aus.
    Inzwischen ist auch Prashant Dakua wieder in Alang. Die Hochzeit ist bereits zwei Monate her. Seine junge Ehefrau ist schwanger. Am 26. August 2014 wartet Prashant Dakua am Strand von Alang auf die "Justus". Der Strand ist in Abschnitte unterteilt. Der Malwi-Werft, für die Prashant arbeitet, gehört der Abschnitt 58. Genau dort setzt der Kapitän der Justus das Schiff bei Hochwasser in den Sand. Jetzt übernehmen Prashant und seine Kollegen das Wrack. Mit bloßen Händen beginnen sie, die Justus auseinanderzunehmen. Beim Schweißen, Hämmern und auch beim Davontragen tonnenschwerer Stahlplatten sind die Männer völlig ungeschützt. Das bestätigt Krishna, der aus Prashants Heimatdorf kommt und sich mit ihm in Alang eine Hütte geteilt hat.
    "Er war ständig auf dem Schiff, er hat dort gegessen und auch übernachtet. Nur sonntags hatte er frei. Dann kam er zu uns in die Hütte."
    Krishna arbeitete in Alang für eine andere Werft. Dass Prashant tagelang nicht vom Schiffswrack zurück kam, fand er nicht ungewöhnlich.
    "Aber dann stand plötzlich ein Mann vor der Tür. Es war abends um sieben Uhr. Ich habe gerade Essen gekocht. Der Mann sagte: Dein Zimmergenosse hatte einen Unfall! Ich rannte zu dem Schiff. Aber man hatte ihn schon in die Stadt ins Krankenhaus gebracht. Also versuchte ich, ihn anzurufen, auf seinem Handy. Er nahm nicht ab. Da wusste ich, dass es ernst war."
    Zweifel an der offiziellen Unglücksursache
    Krishna kennt die offizielle Version des Unfalls auf der King Justus, wonach Prashant ausgerutscht und gestürzt war. Aber er bezweifelt diese Angaben. Krishna ist der Einzige aus Prashants Heimatdorf, der die Leiche gesehen hat. Er musste Prashant identifizieren.
    "Es war eine Gasverpuffung oder so etwas. Sein Gesicht war völlig entstellt."
    Eine genaue Untersuchung des Unfalls gibt es nicht. Kurz nach seinem Tod wird Prashants Leiche in Alang verbrannt. Als Martin Girrbach die Geschichte von Prashant Dakua und dem Ende der King Justus hört, wird er nachdenklich. Dass Arbeiter wie Prashant in Alang unter lebensgefährlichen Bedingungen ein Schiff zerlegen, in das er Geld investiert hat, das habe er nicht gewollt.
    "Ich habe mir gedacht, das Schiff wird sicher zehn Jahre laufen und wird mit Sicherheit auch gute Erträge einfahren. Dass die Schiffe aber so marode sind, dass sie ad hoc verschrottet werden müssen, darüber war ich mir nicht im Klaren, und schon gar nicht, dass man es in einem Dritte-Welt-Land verschrottet."
    Hätte die King Justus nach ihrer Pleite einen anderen Weg nehmen können? Von 46 Schiffen deutscher Reeder wurden im Jahr 2014 32 in Indien verschrottet. In Indien werden mit die höchsten Preise für Schrott gezahlt, mehr als in der Türkei, wo auch Schiffe verschrottet werden, und auch mehr als in China. Wer den höchsten Schrottpreis erzielen will, kann also keine Rücksicht auf die Bedingungen nehmen, unter denen Schiffe zerlegt werden. Und das Schiff, an dem Martin Girrbach Miteigentümer war, sollte zum höchsten Preis verkauft werden. So steht es in einem streng vertraulichen Dokument des Fondshauses König & Cie. aus dem Jahr 2012:
    "Der Schrottwert beläuft sich aktuell auf circa 3,3 bis 3,5 Millionen US-Dollar", heißt es darin, um die 500 US-Dollar pro Tonne. Die Fondsmanager kalkulierten also von Anfang an mit einem Schrottpreis, der nur in Indien gezahlt wird. Von den mehr als drei Millionen Dollar, die die King Justus durch den Verkauf nach Alang eingebracht haben dürfte, werden die früheren Miteigentümer wie Martin Girrbach aber wohl keinen Cent abbekommen. Die Bank, die das Schiff mitfinanziert hat, will jetzt wahrscheinlich ihr Geld zurück. Die Nord LB in Hannover. Die Landesbank hatte im Jahr 2012 dafür gesorgt, dass das Fondshaus König & Cie. die King Justus bei einer Versteigerung kaufen und Anleger wie Martin Girrbach daran beteiligen kann. Wo das Schiff verschrottet wird und ob das im Einklang steht mit europäischen Regeln, das scheint der Nord LB egal zu sein. Wie der Hamburger Insolvenzverwalter, das Fondshaus König und Cie. und der ägyptische Zwischenhändler will sich auch die Nord LB nicht zu dem Geschäft äußern. Inoffiziell heißt es aus Bankkreisen, man habe ohnehin keinen Einfluss nehmen können, das Schiff sei ja längst verkauft gewesen, als es nach Indien kam. Der Schiffsexperte Henning Gramann bezweifelt das.
    "Die Einflussmöglichkeiten eines Eigners bestehen ganz klar in der Vertragsgestaltung. Was möchte er? Und wenn er das ganz klar formuliert und auch einen gewissen Kontrollmechanismus mit einbaut, dann kann er sehr wohl bestimmen, wo das Schiff hingeht und wie es recycelt wird."
    "Das ist im Prinzip eine schäbige Geschichte"
    Die Bank dürfte durch den Verkauf nach Indien zumindest ihren Einsatz wiederbekommen haben. Martin Girrbach, dem Anleger, bleibt dagegen nur die Enttäuschung.
    "Das ist im Prinzip eine schäbige Geschichte. Dass man das Geld bei uns in Deutschland eintreibt, und dass man sich dann im letzten Schritt an die Dritte Welt wendet, um noch hier das maximale an Ertrag rauszuholen."
    In Podingi muss Dandapani Dakua um jede Rupie kämpfen, seit sein Sohn Prashant auf der King Justus gestorben ist. "Die Leute, die mir für Prashants Hochzeit Geld geliehen haben, fragen schon nach den Rückzahlungen. Wäre mein Sohn noch am Leben, hätte ich es geschafft."
    Frage: Und wenn Sie das Geld nicht auftreiben können?
    "Dann werden wir wohl ziemlich leiden müssen."
    Was Dandapani bislang nicht wusste: Laut indischem Gesetz ist die Malwi-Werft in Alang verpflichtet, Prashants Familie eine Entschädigung zu zahlen. Aber der Sicherheitsbeauftragte der Malwi-Werft ist am Telefon sehr kurz angebunden. Er sagt, er habe die Familie bisher einfach nicht ausfindig machen können.
    "Außerdem müssen die Verwandten hierher kommen. Sonst kann ich nichts zahlen. Außerdem hat mich bisher niemand nach dem Geld gefragt."
    Frage Reporter: Können Sie mir sagen, auf welchem Schiff Prashant gearbeitet hat?
    "Warum wollen Sie das alles wissen? Sagen Sie der Familie, sie soll herkommen, dann zahle ich sie aus."
    Anfang Januar macht sich Dandapani auf den beschwerlichen Weg nach Alang. Er will, dass der Sicherheitsbeauftragte sein Wort hält. Zwei Wochen harrt Dandapani aus. Dann endlich erhält er etwa 2.500 Euro. Davon kann Dandapani immerhin die Schulden bezahlen. Die King Justus, auf der sein Sohn starb, bekommt er in Alang nicht zu Gesicht. Von dem Schiff aus Deutschland ist nichts übrig geblieben.