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Duell von Gallarate

Die Kommunalwahlen am Sonntag und Montag sollen eine nationale Bestätigung für seine Regierung werden - so hat Berlusconi im Vorfeld der Abstimmung getönt. Ein Blick in die Provinz zeigt allerdings, wie es um die Autorität des Regierungschefs bestellt ist: In Gallarate im Norden des Landes bekämpfen sich die beiden Regierungsparteien gegenseitig.

Von Kirstin Hausen | 16.05.2011
    Morgens in der Botega del caffè an der Piazza della libertà: Die hübsche Bar ist der Treffpunkt im Zentrum von Gallarate. Hier frühstücken die Einheimischen mit Cappuccino und Croissant, grüßen Bekannte mit einem Kopfnicken, überfliegen die Zeitungsmeldungen. Und natürlich läuft der Fernseher.
    Das ungewöhnliche Duell um den Bürgermeisterposten von Gallarate ist eine der Topmeldungen im Regionaljournal des dritten Programms der RAI, des italienischen Staatsfernsehens. Lega Nord, die rechtspopulistische Partei gegen PdL, die Partei von Silvio Berlusconi – Vorzeichen eines Auseinanderbrechens der Koalition oder nur ein kurioser Fall aus der Provinz? Die Menschen in Gallarate zucken die Achseln. Sie haben andere Sorgen.

    "Ich bin Lehrerin und an unserer Schule wurden die Unterrichtsstunden gekürzt. Das Gehalt wird immer später überwiesen", sagt Silvia, 38 Jahre alt und alleinstehend.
    "Jeden Tag werden Leute entlassen und wir müssen immer mehr Arbeit übernehmen. Für die Mittagspause bleibt keine Zeit mehr", erzählt Marisa, die sich in einer Papierfabrik um die Buchhaltung kümmert. Ohne die Unterstützung ihrer Eltern kämen sie und ihr Mann, ein freiberuflicher Elektriker, nicht über die Runden. Dabei hat Gallarate ein überdurchschnittlich hohes Pro-Kopf-Einkommen in Italien. Doch die Statistik sagt wenig aus über die Schere zwischen Reichen und Armen. Sie gehe immer weiter auseinander, behauptet der Gewerkschafter Mario Rocca. Er vertritt die Interessen von 360 Beschäftigten am nahe gelegenen Flughafen Mailand-Malpensa, die um ihre Arbeitsplätze bangen.

    "Die Fluggesellschaft Meridiana will ihre Aktivitäten in Olbia konzentrieren, obwohl Flüge von hier aus starten", sagt Mario Rocca. Einer der Betroffenen verlangt Hilfe aus der Politik.
    "In einem Jahr sind hier viele Arbeitsplätze verloren gegangen", klagt er und schimpft über den Gemeinderat von Gallarate, der dem tatenlos zugesehen habe. In der Tat ist die Bilanz der amtierenden Stadtregierung von Berlusconis Partei bescheiden. Korruptionsskandale im Bausektor haben die Steuerzahler viel Geld gekostet, jeder neu geschaffene Parkplatz hat 30.000 Euro verschlungen. Und die Pläne für die Zukunft werden von den Anhängern der rechtspopulistischen Lega Nord als realitätsfern gegeißelt. Acht neue Einkaufszentren sollen auf dem Gebiet der Gemeinde gebaut werden, dabei haben viele Bürger von Gallarate kaum noch Geld zum Shoppen, erklärte der lokale Parteisekretär der Lega Nord Giorgio Caielli in einem Interview mit dem politischen Wochenmagazin "Espresso".

    Er hält den Alleingang der Lega Nord für den einzig richtigen Weg. In Gallarate, aber auch in Rom. Rückendeckung bekommt er sogar aus der Führungsriege der Lega Nord. Innenminister Roberto Maroni hat den Wahlkampfstand der Lega-Nord-Kandidatin in Gallarate besucht und die Situation vor Ort mit einem Hinweis an den Unternehmer Silvio Berlusconi erklärt, die Lega habe eben keinen Besitzer.