"Ja, das ist der kühlste Raum im Sommer und im Winter. Hier sind immer so zehn, elf, zwölf Grad."
Johann Hans steht in der hohen Halle des Wasserwerks im niedersächsischen Getelo und zeigt auf eine Reihe riesiger runder Metalltanks.
"Da haben wir das Grundwasser. Und entsprechend wird der Raum hier durch das Grundwasser temperiert."
Das Wasser wird aus bis zu 58 Meter Tiefe emporgepumpt.
"Dann geht es einmal durch die Filtermasse durch, geht dann von hieraus in den Nachfilter, dort findet die zweite Filterung statt. Und dann ist aus unserem Grundwasser Trinkwasser geworden."
Rund 52.000 Menschen versorgt Johann Hans als Verbandsgeschäftsführer des Wasser- und Abwasser-Zweckverbandes Niedergrafschaft mit Trinkwasser. 600 Quadratkilometer ist das Gebiet groß, rund 60 Prozent des Landkreises Grafschaft Bentheim an der Grenze zu den Niederlanden und zu Nordrhein-Westfalen. Eine Region, die stark durch Landwirtschaft geprägt ist - in einem Bundesland, das zu den größten Fleischproduzenten in Europa gehört.
Für Wasserversorger Hans ist das zu einem messbaren Problem geworden.
"Es ist sehr belastetes Grundwasser. Das muss man so sehen. Wir hatten bis vor fünf Jahren sechs Gewinnungsbrunnen im Gewinnungsgebiet Getelo/Itterbeck. Und wir waren zu diesem Zeitpunkt so weit, dass wir aus diesen Hauptbrunnen Wasser gewonnen haben mit einer Nitratbelastung - zuletzt hatten wir im Mischwasser 48 Milligramm. Da hatten wir die Grenze der Trinkwasserverordnung fast erreicht."
Diese Verordnung, die Grenzwerte für die Verunreinigung des Trinkwassers regelt, lässt maximal 50 Milligramm Nitrat pro Liter zu, damit das Wasser noch unbedenklich trinkbar ist. Denn Nitrat und dessen Umbauprodukt Nitrit stehen im Verdacht Krankheiten auszulösen. Die EU hat sogar den Richtwert 25 Milligramm pro Liter ausgegeben.
Wenn Johann Hans heute auf die Zählerstände in seinem Wasserwerk schaut, dann ist er davon nicht allzu weit entfernt.
"Das ist augenblicklich der Nitratgehalt: 28,3. Wird also jetzt kontinuierlich hier auch angezeigt. Eigentlich angestrebt sind 25 Milligramm. Das soll ja überall Ziel sein. Ich sag' mal, aufgrund der Erfahrung, die wir in der Vergangenheit gehabt haben, sind wir mit diesem Wert schon froh. Wenn da 48 steht, dann werden Sie sehr unruhig."
In Ordnung ist der angezeigte Wert aber nur auf den ersten Blick. Denn, um ihn zu erreichen, mussten Hans und seine Mitarbeiter kräftig investieren. In neue Brunnen:
"Wir haben in 2009 fünf neue Brunnen gebohrt." In einem nahegelegenen Moorgebiet.
"Diese waren weniger bis kaum belastet, weil dort noch ein Nitratabbau stattfindet. Und insofern konnten wir durch Mischen dieser zwölf Brunnen die Belastung wieder runterfahren. Aber wir liegen immer noch je nach Brunnenzuordnung zwischen 25 und 35 Milligramm."
Das Wasser aus drei der alten Brunnen liegt sogar konstant weit über dem Nitrat-Grenzwert. Dürfte also nicht ungemischt als Trinkwasser verwendet werden. Dabei ist der Ausgangsstoff des Nitrats - Stickstoff - eigentlich unproblematisch.
"Stickstoff ist sehr wichtig." Erklärt Manfred Niekisch, Professor für Internationalen Naturschutz an der Goethe-Universität in Frankfurt und Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung.
"Einmal ist er Bestandteil unserer Atemluft. Und zweitens ist er ein ganz wichtiger Nährstoff für die Pflanzen, die ja aus dem Stickstoff ihre Eiweiße aufbauen."
Pflanzen können allerdings mit dem reinen Stickstoff in der Luft nicht direkt etwas anfangen. Wie die meisten Organismen können sie nur Stickstoffverbindungen aufnehmen - wie Nitrat oder Ammonium. Seit vor etwa 100 Jahren ein Verfahren erfunden wurde, die Verbindungen künstlich herzustellen, kommt Stickstoff als chemisch hergestellter Mineraldünger auf die Felder. Oder schon viel länger in Form von Festmist oder flüssiger Gülle; tierische Exkremente.
"Dünger an sich ist nichts Schlechtes. Den braucht man in der Tat für die landwirtschaftliche Produktion."
Denn die Pflanzen ziehen die Nährstoffe, die sie brauchen, aus dem Boden. Sind diese Vorräte erschöpft, wachsen sie weniger und langsamer. Die Ernte fällt geringer aus. Durch die Düngung werden Nährstoffe also wieder zugeführt. In der EU liegt der Nutzen in Form zusätzlicher Ernteerträge schätzungsweise zwischen 20 und 80 Milliarden Euro pro Jahr.
"Aber es wird ganz eindeutig zu viel Dünger eingesetzt. Sodass die Überschüsse eben dann im Grundwasser, im Oberflächenwasser und im Trinkwasser landen. Das ist das eigentliche Problem."
Erläutert Biologe Niekisch. Ein Problem, das im Laufe der Jahre immer größer geworden ist. Weil es immer noch keine Obergrenzen für den Einsatz von Mineraldünger gibt. Und gleichzeitig immer mehr Gülle.
Weltweit gelangen jährlich etwa 150 Millionen Tonnen Stickstoff in die Umwelt
Nach Angaben der EU-Kommission sind zwei Drittel aller Lebensräume in der EU massiv überdüngt. Sichtbare Folgen: Pflanzenarten, die stickstoffarme Böden brauchen, verschwinden, dafür wachsen stickstoffliebende: Brombeeren zum Beispiel oder Brennnesseln.
Analysen des Umweltbundesamtes zeigen: Hohe Stickstoff-Überschüsse sind in Deutschland regional unterschiedlich verteilt. Besonders hoch sind die Werte vor allem in Regionen mit hohem Viehbestand. Etwa in Niedersachsen und in Teilen Nordrhein-Westfalens.
"Und das ist für uns ein Alarmsignal, weil damit das Grundwasser als eine wichtige Grundlage für die Trinkwassergewinnung gefährdet wird." Erklärt Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser und Abwasser beim BDEW, dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft.
"Wasser wird nicht verbraucht, sondern gebraucht. Das was wir gebrauchen, muss sich immer wieder im Wasserkreislauf regenerieren können. Und das ist die Begrenzung für jegliche Nutzung. Wenn Sie erst einmal Grundwasser nicht mehr nutzen können oder übernutzt haben, dann ist das möglicherweise über Jahre auch nicht mehr nutzbar."
Zwar haben sich die Werte in Grund- und Oberflächengewässern in den vergangenen Jahren im europäischen Schnitt etwas verbessert oder zumindest nicht weiter verschlechtert, was zeigt, die Bemühungen der einzelnen Mitgliedsstaaten greifen. Dennoch wird der wirtschaftliche Schaden durch zu viel Stickstoff in Europa von Wissenschaftlern auf bis zu dreistellige Milliardenbeträge pro Jahr geschätzt. Damit überstiege der Schaden den Nutzen.
Weltweit gelangen jedes Jahr etwa 150 Millionen Tonnen Stickstoff in die Umwelt. Durch Verkehr und Industrie. Vor allem aber durch die Landwirtschaft. Deshalb muss rasch und konsequent gehandelt werden, fordert der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung berät. Manfred Niekisch:
"Wir sind nach allem, was wir wissen, der Meinung, und die ist durchaus realistisch, dass wir im Moment etwa das Doppelte dessen an Stickstoff in die Landschaft einbringen, was noch einigermaßen verträglich wäre. Das heißt, wir müssen mit den Stickstoffbelastungen um etwa 50 Prozent runter. Und das ist das Minimum."
Auch die Europäische Union will, dass ihre Mitgliedsländer ihren Stickstoffeintrag deutlich reduzieren. Deshalb gibt es seit 1991 die "Nitratrichtlinie". Sie ist Teil eines europäischen Wasserschutzprogramms. Die Mitgliedsländer müssen sie in nationale Gesetze umsetzen. Sonst droht Ärger. Wie ihn seit letztem Jahr Deutschland hat.
Berlin gehe nicht konsequent genug gegen die Verunreinigung durch Nitrate vor, moniert die Kommission und hat ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Deutschland muss seine Düngeverordnung verschärfen - sonst drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe.
Die Politik tue zu wenig, klagt auch Biologe Niekisch. Viele Ministerien seien ein klein wenig zuständig und jedes hätte andere Interessen. Das gelte für Bund und Länder. Denn Landwirtschaft sei eben ein Wirtschaftsfaktor.
"Hinter der vielen Gülle, die in bestimmten Regionen ausgebracht wird, steht ja eine intensive Viehproduktion. Und in der Tat kann man die Stickstoffbelastung des Grundwassers und der Böden beispielsweise in Niedersachsen zurückführen auf die Land- und Viehwirtschaft. Das ist ein eindeutiger Zusammenhang. Und deswegen muss man auch sagen, wir müssen in Deutschland und Mitteleuropa runter mit dem Fleischverbrauch. Das kann so nicht weitergehen. Das halten unsere Böden nicht aus."
Seit Dezember liegt nun der Entwurf für die Reform der Düngeverordnung vor, erarbeitet vom Landwirtschaftsministerium und dem Umweltministerium. Bund und Länder haben sich inzwischen beraten, Experten Ihre Bewertungen abgegeben. Änderungsvorschläge sind gemacht, den Text hat die Kommission aber noch nicht bekommen. Das müsse aber sehr bald geschehen. Sonst sei die Geduld der Kommission wahrscheinlich am Ende, sagt ein Insider. Dann droht die nächste Stufe des Verfahrens. Der Gang vor den Europäischen Gerichtshof. Erst letzten Herbst hat der EuGH Frankreich wegen des schleppenden Fortschritts beim Thema Stickstoff verurteilt.
Für Rohlmanns Betrieb ist eine längere Sperrzeit im Winter kein Problem
"Mein Name ist Albert Rohlmann. Ich komme aus Hörstel, das ist im Kreis Steinfurt im Münsterland. Wir bewirtschaften hier mit unserer Familie - das ist meine Frau, unsere drei Kinder und einem Auszubildenden - einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau und Schweinemast. Wir bewirtschaften circa 150 Hektar Ackerfläche und haben 4.800 Mastschweineplätze."
Während der Landwirt am Feldrand steht, zieht ein Traktor seine Runden und häckselt dabei abgeknickte, weißbraune Stengel: Senfpflanzen. Gesät nach der Getreideernte im vergangenen Jahr - als sogenannte Zwischenfrucht. Gehäckselt stören die Schnitze die Maschinen nicht, wenn der Boden gedüngt wird. Später werden sie untergepflügt und dienen ebenfalls als Nährstoffquelle.
"Wir sind jetzt bei den ersten vorbereitenden Maßnahmen für die Maisaussaat."
Die Novellierung der Düngeverordnung macht vielen Landwirten zu schaffen. Etwa, dass der Zeitraum verlängert werden soll, in dem keine Gülle ausgefahren werden darf. Entsprechend groß muss der Speicherplatz zukünftig sein - und weit besser als früher abgesichert, damit nichts von der Gülle in den Boden um den Tank gelangen kann. Wer viele Tiere hat, relativ wenig Land und in den letzten Jahren nicht investiert hat in größere Tanks, dem quillt zukünftig spätestens zum Frühjahr der Speicher über. Das treffe zum Beispiel Bauern, die keinen Nachfolger für ihren Hof hätten, führt Albert Rohlmann aus. Hohe Investitionen lohnten sich für sie nicht. Da müsse es Ausnahmen oder finanzielle Hilfen geben. Für seinen Betrieb sei eine längere Sperrzeit im Winter aber kein Problem.
"Neun Monate können wir gesichert überall lagern. Und wenn wir jetzt irgendwann Anfang Mai im Prinzip das letzte Mal Gülle fahren, dann kommen wir bis Februar schon mal hin."
Um Stickstoffverluste in die Umwelt zu begrenzen, haben viele Landwirte ihre Düngemethoden verändert, erzählt Rohlmann. Gülle wird heute nur wenige Zentimeter über dem Boden ausgebracht. Nicht mehr gespritzt. Dabei wird die Gülle zu ungleichmäßig verteilt und es geht zu viel Stickstoff verloren - in die Luft.
Auch Güllefahren im Herbst - früher gängige Praxis - sei aus heutiger Sicht von Ausnahmen abgesehen nicht sinnvoll. Weil der Stickstoff dann nicht mehr aufgenommen wird - und damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass er im Wasser landet.
"Da ging es sicherlich auch darum, Lagerraum zu schaffen, aber es war auch nicht wider besseres Wissen. Der Fachstand damals war auch so. Selbst von Beratungsseite wurde gesagt, eine gewisse Güllegabe für die Stroh-Rotte des Maisstrohs ist sinnvoll. Das machen wir heute schon lange nicht mehr."
Aber die Folgen genau dieser Praktiken vergangener Zeiten sind bis heute im Grundwasser zu messen. Denn Wasser wandert langsam. Deshalb kann es - je nach Boden - Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis das Wasser beim Brunnen ankommt. Inklusive aller Verunreinigungen. Manchmal dauert es aber auch nur eine relativ kurze Zeit, bis sich neue Entwicklungen im Wasser messen lassen. Diese Erfahrung hat auch Johann Hans mit seinem Wasser in Niedersachsen gemacht. Er hat Flächen aufgekauft oder gepachtet, um sie Bauern günstiger weiter zu verpachten, wenn sie sich an bestimmte Auflagen halten. Keine Kartoffeln, kein Mais, strenge Regeln fürs Düngen. Andere Flächen wurden aufgeforstet. In seinem Büro hängen Schautafeln mit bunten gezackten Linien. Nitratwerte. Tief im Boden und nah an der Oberfläche. Gnadenlos zeigen sie das Ergebnis seiner Bemühungen über die Jahre. Zwischen allen Steigungen ging es mal ein wenig bergab mit der Belastung. Da habe er sich Hoffnung gemacht, erzählt Hans. Dann plötzlich, ab Mitte des letzten Jahrzehnts, wurden die Zackenberge wieder höher und höher.
"Wir haben wirklich sehr viel angezettelt. Wir haben sehr viele Landwirte, die Verständnis dafür haben, die das auch mit begleiten wollen im Rahmen des Möglichen. Und in dem Augenblick, wenn Sie dann solche Entwicklungen sehen, dann ist das schlicht und einfach frustrierend."
Hans macht zwei Gründe dafür aus: Die Zahl der genehmigten Tiermastplätze ist in Niedersachsen seit Mitte des letzten Jahrzehnts stark gewachsen. Dadurch fallen viel mehr tierische Fäkalien an - in Betrieben, die gar kein eigenes Land haben, sondern ihre Gülle auf die Flächen anderer Landwirte fahren müssen. Und: Der Biogasboom hat massive Spuren hinterlassen. Rund 8.000 Biogasanlagen gibt es in Deutschland, in denen Mais vergoren wird oder Gülle. Übrig bleiben die stickstoffhaltigen Gärreste. Die landen auf den Feldern. Bisher ohne Regeln. Mit Düngebedarf hat das wenig zu tun. Eher mit Entsorgung. Doch das soll sich mit der überarbeiteten Düngeverordnung ändern. Auch diese Gärreste müssen die Bauern zukünftig in ihrer Nähstoffbilanz angeben. Die zeigt, wie viel Stickstoff produziert und verbraucht wird in einem Betrieb.
"Das ist ein Schritt, der in der öffentlichen Diskussion um die Düngeverordnung immer wieder gerne übersehen wird. Und der wird ganz viele Regionen erheblich unter Druck setzen. Aber der Punkt ist auch dazu geeignet und dazu angetan - vor allem auch in denjenigen Regionen, wo es Probleme mit hohen Nitratgehalten im Grundwasser gibt, eine Lösung zu schaffen."
Sagt Bernhard Krüsken, der Generalsekretär des deutschen Bauernverbandes. Für den geht es in erster Linie darum, sicherzustellen, dass es trotz verschärfter Regeln weiter möglich bleibt, genug düngen zu können, damit der Ernteertrag stimmt. Mit der Biogas-Vorschrift ist er nicht glücklich. Denn die wird es Landwirten mit Biogasanlagen noch schwerer machen, die gesetzlichen Richtwerte einzuhalten und gleichzeitig ihre Gülle loszuwerden. Eine Nährstoff-Bilanz müssen sie schon jetzt erstellen, um zu sehen, wie viel Gülle sie auf die eigenen Felder ausbringen dürfen.
Es gibt eine Idealrechnung
Die Idealrechnung lautet: Ein Landwirt hat nur so viele Tiere, dass sein eigenes Land deren Gülle aufnehmen kann, ohne die vorgegebenen Grenzwerte zu reißen.
Davon sind große Betriebe wie der von Albert Rohlmann weit entfernt. Also muss er rechnen. Faktor eins: Wie viele Schweine hat er innerhalb des Wirtschaftsjahres erzeugt:
"Und man weiß bei den Fütterungstechniken heute, da gibt es verschiedene Rechenwege, wie viel Kilogramm Phosphor und wie viel Kilogramm Stickstoff mit jedem erzeugten Schwein entstanden sind."
Dann wird geschaut, wie viel Stickstoff oder Phosphat brauchen seine Pflanzen als Dünger.
"Da gibt es für jede Frucht und Ertragserwartung gibt es Kalkulationsgrößen, wie viel Nährstoffe entzogen werden."
Diese Zahl und die gesetzlichen Grenzwerte pro Fläche bestimmen, wie viel der Gülle, die auf dem eigenen Hof entsteht, Albert Pohlmann auf seinen Feldern ausbringen darf.
"Darüber hinaus muss ich schauen, wo ich die anderen Mengen an Nährstoffen, an Gülle verwerten kann."
Gülle auf die Felder spritzen bis die Tanks leer sind, das habe es vielleicht einmal ganz früher gegeben, sagt der Landwirt. Heute sei das undenkbar. Stattdessen muss der Münsterländer schauen, wer sein "Zuviel" an Gülle gebrauchen kann. Nachbarn vielleicht. Aber auch die müssen erst ihre Nährstoffbilanz prüfen. Fällt diese Prüfung negativ aus, dann muss die Gülle woanders hin gebracht werden. Zu Landwirten, die genau jene Nährstoffe brauchen, die Rohlmann zu viel hat.
Quer durch Deutschland ist so ein regelrechter Gülleverkehr entstanden. Wobei viele Umweltschützer den Verdacht haben, dass dieser oft nur auf dem Papier stattfindet.
Neue, strengere Regeln könnten das Problem für viele Landwirte noch verschärfen. Da ist zum einen der neue Grenzwert für Phosphat. In manchen reinen Landwirtschaftsgegenden verbrauchen die Pflanzen mehr als im Boden ist. Dort muss nachgedüngt werden. In Gegenden mit hoher Tierdichte gibt es sehr viel Phosphor im Boden. Für Schweinezüchter wie Albert Rohlmann ein Problem. Denn Schweinegülle ist besonders phosphatreich. Deshalb kann er zukünftig noch weniger eigene Gülle auf den eigenen Acker bringen, ohne die den Phosphatgrenzwert zu reißen. Und wird sie wahrscheinlich auch schwerer los.
"Warum will man Phosphor beschneiden, begrenzen, wenn es um Stickstoff geht. Das ist es, was wir als Praktiker überhaupt nicht verstehen."
Auch der Bauernverband ist gegen die Begrenzung, die für viele große Mastbetriebe problematisch ist. Peter Röhrig vom Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft hingegen erklärt, warum auch die Phosphatgrenze wichtig ist für den Wasserschutz:
"Also, wenn es um Oberflächengewässer geht, ist Phosphat eine sehr, sehr relevante Größe. Wir haben dort beträchtliche Probleme, die aufgrund von den Phosphateinträgen in die Oberflächengewässer entstehen können."
Ein weiteres Problem für die Landwirte sieht der Deutsche Bauernverband in der sogenannten Hoftorbilanz. Die hat das Bundesumweltministerium in den Entwurf der neuen Düngeverordnung hineingeschrieben. Gegen den Willen des Landwirtschaftsministers. Wird diese neue Bilanzierung 2018 eingeführt, bedeutet das, auch Stickstoff, der auf den Hof gelangt - etwa in Form von Futter und Dünger - soll mitgerechnet werden. Dann wird erfasst, was den Hof in Form landwirtschaftlicher Erzeugnisse wieder verlässt. Die Differenz ist nach diesem Modell wohl auf dem Acker geblieben. Ist das zu viel, gibt es Probleme mit den erlaubten Obergrenzen.
"Der Punkt ist der, dass man mit einer Hoftorbilanz nicht automatisch Präzision in der Düngung und Nährstoffversorgung herstellt."
Argumentiert Bernhard Krüsken, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Die Befürworter halten dagegen, dass die Hoftorbilanz ein viel realistischeres Bild vom tatsächlichen Nährstoffumsatz ergebe.
Grün scheint noch immer die Signalfarbe für Gefahr zu sein
"Bisher muss man sich vorstellen, ist das Interesse der Düngeverordnung ja nicht der Schutz des Trinkwassers oder des Grundwassers. Sondern im Vordergrund steht das Pflanzenwachstum. Wir brauchen eine ganz andere Herangehensweise an das Thema."
Findet Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserunternehmen. An dieser Stelle zeigen sich die unterschiedlichen Interesse und Erwartungen, die mit der Novelle der Düngeverordnung verbunden sind, ganz deutlich.
Wasserschutz muss Priorität haben, sagt Weyand.
"Man muss ja Landwirtschaft möglich machen. Man muss Pflanzenernährung möglich machen."
Sagt Bauern-Vertreter Bernhard Krüsken. Besonders kritisch ist für ihn daher ein weiterer Punkte im Entwurf der Düngeverordnung: Der ermöglicht es den Bundesländern, die besonders große Stickstoffprobleme haben, Regeln zu verschärfen.
"Weil wir die Befürchtung haben, dass dann am Ende des Tages, hier im Extremfall bis zu 16 Düngeverordnungen stattfinden und jedes Bundesland nach seinem Gusto entscheidet."
Heißt: nach der Farbe der Landesregierung. Dabei scheint vor allem Grün noch immer die Signalfarbe für Gefahr zu sein.
"Man darf sich keine Illusion machen: Mit dem Düngerecht macht man auch Strukturpolitik."
Seine Befürchtung: Treffen könnte das am Ende besonders jene Betriebe, die viel mehr Stickstoff produzieren als sie auf eigener Fläche unterbringen können. Wenn sie denn überhaupt eigenes Land haben. Die riesigen Mastbetriebe zum Beispiel in Niedersachsen und im Münsterland.