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Düsseldorfer Schauspielhaus in der Existenzkrise
Abreißen oder neu bauen?

Düsseldorfs Oberbügermeister Thomas Geisel hat angesichts prognostizierter 20 bis 40 Millionen Euro für Fassaden-Reparatur und technische Instandsetzung des Schauspielhauses vorgeschlagen, den denkmalgeschützten Bau abzureißen und einen Neubau zu errichten. Ein verheerendes Eingeständnis kultureller Ignoranz, meint Andreas Wilink.

Von Andreas Wilink | 22.10.2016
    Das Düsseldorfer Schauspielhaus, aufgenommen am 26.02.2014
    Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) hat den Abriss des Düsseldorfer Schauspielhauses vorgeschlagen. (picture alliance / dpa / Jan-Philipp Strobel)
    Es ist ein gefährliches Gedankenspiel, das der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) betreibt. Er hat – ausgelöst durch weitere Millionen-Kosten für drängende Sanierungsmaßnahmen – eine Debatte um die Zukunft des Düsseldorfer Schauspielhauses angezettelt. Sie betrifft sowohl das von Bernhard Pfau gestaltete, 1970 eröffnete Gebäude, als auch die Institution selbst. Gemäß dem Motto: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen. Es geht dabei nicht allein um den geradezu demagogischen kulturpolitischen Eingriff, sondern um städtebauliche Grundsätze und finanzpolitische Aspekte. Vieles ist hier miteinander verwoben.
    Das zentrale Problem stellt die Bausituation des exponierten Ortes dar. Durch die akute Sanierung und die Riesenbaustelle für den sogenannten Kö-Bogen II bleibt das Schauspielhaus auf dem Gustaf-Gründgens-Platz bis 2018 oder 2020 unbespielbar. Nachdem der Platz an einen Investor verkauft wurde, ist dort unter anderem ein scharf geschnittener Gebäude-Riegel des Architekturbüros Ingenhoven geplant. Wobei der umfassende Neu-Entwurf klug in Dialog tritt mit dem von Pfau ursprünglich entworfenen Ensemble mit Schauspielhaus und Thyssen-Hochhaus sowie der wieder frei gelegten Sichtachse zur Königsallee hin.
    Verscherbelung eines Filetstücks
    Angesichts prognostizierter 20, vielleicht auch 40 Millionen Euro für Fassaden-Reparatur und technische Instandsetzung des Schauspielhauses, fragt Geisel, ob man den denkmalgeschützten Bau nicht abreißen und einen Neubau errichten soll, ob man das Theater nicht an anderer Stelle in der Stadt platzieren könne, fragt auch, ob das halb von der Landeshauptstadt und dem Land NRW getragene Theater nicht mit seinen Ersatz-Spielstätten im Central nahe dem Hauptbahnhof prima auskommen könne, und ob man aus der Immobilie nicht etwa ein Kongresszentrum machen solle. Womöglich, der Verdacht drängt sich auf, soll hier ein Filetstück verscherbelt werden.
    Blühender Unfug
    Argumentativ lässt sich Geisels forscher Zwischenruf schnell zerpflücken: Die Stadt ist nur halb zuständig für das Haus; sein Vorschlag bedeutet die Zerstörung des Stadtbildes, zumindest der Gesamtkomposition des architektonischen Kleinods; darüber hinaus ist er ein verheerendes Eingeständnis kultureller Ignoranz. Jedenfalls schafft Geisel mit seinem blühenden Unfug ein ungedeihliches Klima, in dem populistische Vorurteile gegenüber der Kultur und deren Subventionierung wachsen.
    Verschärfte Lage
    Die Schadensmeldungen und schnöden Attacken verschärfen die Lage für das Theater noch, das durch Misswirtschaft, die Demission eines Intendanten nach nur einem Jahr und zwei Interims-Intendanzen um sein Renommee und seine künstlerische Bedeutung gebracht wurde. Mit dem neuen Intendanten Wilfried Schulz, der jetzt in Bezug auf Geisels Provokation von einer "Bankrotterklärung der Kunst- und Kulturstadt Düsseldorf" spricht, sollte alles gut werden.
    Er hat dem Theater das Logo "D'haus" verpasst und mittlerweile an die zehn Premieren herausgebracht, die von der Lokalpresse gefeiert werden. Ohne heimischen Enthusiasmus und aus einigem Abstand muss man indes eine nüchterne Bilanz ziehen. Schulz hat kein markantes künstlerisches Signal gesetzt, und eine programmatische Linie lässt sich nur erkennen in einem forciert jungen, offensiv launigen Unterhaltungs-Angebot.
    Eine lange gestörte Beziehung
    Ein Grundproblem liegt in der seit sehr langem gestörten Beziehung zwischen Düsseldorf und seinem Theater, der mangelnden Resonanz und Ausstrahlung in die Stadt. Zwar ist es das Schauspielhaus eines der größten und bestausgestatteten der Republik, doch liegt die letzte wirkungsmächtige, vom eigenen Publikum übrigens nicht besonders geschätzte Inszenierung elf Jahre zurück. Es war Jürgen Goschs "Macbeth". Das Mittelmaß scheint die einzig verlässliche Therapie sein, dem sich Intendanten für dieses Theater verschreiben.
    Das aber ist eine Behandlungsmethode, die über kurz oder lang zum Exitus führen wird. Der Abriss ist indiskutabel, die Sanierung unumgänglich, der Wiedereinzug zwingend. Aber das sind nur die äußeren Bedingungen. Über den Inhalt ist damit noch nichts gesagt.