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Düstere Zukunft

Ökologie. – Die Folgen der Klimaerwärmung fallen an den Polen besonders drastisch aus. Es wird erwartet, dass sich am Nordpol das Meereis in den kommenden Jahrzehnten immer weiter zurückzieht. Was das für die Tiere und Pflanzen der Arktis bedeutet, haben kanadische Forscher untersucht. Ihre Ergebnisse stellten sie auf der Konferenz "Arctic Frontiers" vor, die jetzt im norwegischen Tromsö zu Ende ging.

Von Monika Seynsche | 26.01.2007
    Eigentlich dürfte es sie gar nicht geben: offene Wasserflächen mitten im meterdicken Meereis der Arktis. Bis zu 10.000 Quadratkilometer groß sind diese sogenannten Polynyas. Und doch hat es sie immer schon gegeben. Bei einigen sind es warme Ozeanströmungen, bei anderen ist es der Wind, der diese Polynyas den größten Teil des Jahres offen hält. David Barber von der Universität von Manitoba in Kanada hält sie für ein ideales Studienobjekt zur die Zukunft der Arktis. Barber:

    "”Diese Polynyas gibt es überall in der Arktis und unserer Ansicht nach sind sie ein gutes Modell, um zu untersuchen wie sich der Rest der Arktis verändern wird, wenn das Meereis verschwindet.""

    Für Biologen wie den Kanadier Louis Fortier von der Universität Laval in Québec sind die Wasserlöcher Oasen in der Wüste: Nirgendwo in der Arktis gibt es so viel Leben.

    "”Im Herbst, wenn die Arktis langsam zufriert, sind die Polynyas die letzten offenen Wasserstellen. Dann sammeln sich Wale und Vögel, die nur hier noch ans Plankton herankommen.""

    Um heraus zu finden, wie es den Tieren der Arktis in Zukunft ergehen wird, hat sich Louis Fortier auf einen unscheinbaren kleinen Fisch in den Polynyas konzentriert: den arktischen Kabeljau. Fortier:

    "”Er ist der Dreh- und Angelpunkt des arktischen Nahrungsnetzes. 96 Prozent aller Fische, die Sie in der Arktis fangen, sind arktische Kabeljaue. Er frisst die Kleinstlebewesen, also das Plankton, und die größeren Fische, Robben, Wale und Vögel fressen wiederum den Kabeljau.""

    Louis Fortier entdeckte, dass die Larven des arktischen Kabeljaus, die in den eisfreien Wasserlöcher schlüpfen, viel schneller groß werden, als Artgenossen, die unter dem Meereis heranwachsen. Und damit steigen natürlich ihre Überlebenschancen denn je länger sie brauchen um groß zu werden, desto eher werden sie gefressen. Die Erwärmung der Arktis hat also durchaus ihre Vorteile. Und das gilt nicht nur für den Kabeljau sondern für alle Lebewesen in der Arktis. Fortier:

    "Für die meisten Tiere der Arktis werden sich die Bedingungen erstmal verbessern. Das Eis zieht sich zurück, so dass mehr Licht in den Ozean gelangt und dadurch kann sich mehr Plankton bilden. So finden die Fische mehr Nahrung und je mehr Fische es gibt, desto besser für die großen Säuger wie Robben und Eisbären."

    Das ist die Vorhersage für die nächsten 50 Jahre. Danach sieht Louis Fortier die Zukunft nicht mehr ganz so rosig. Denn je wärmer es in der Arktis wird, desto mehr südliche Arten werden aus dem Atlantik in den arktischen Ozean einwandern und die dort heimischen Tiere verdrängen. Und auch wenn die im Moment vom Rückgang des Meereises profitieren, ganz können sie auf das Eis nicht verzichten. Fortier:

    "” Es ist schwer vorstellbar, dass zum Beispiel alle zwölf Eisbärpopulationen aussterben werden und es nichts geben soll, was wir dagegen tun können. Aber gucken Sie sich die Treibhausgasemissionen an und die Art wie sich der Planet erwärmt – wir können es nicht mehr verhindern.""

    Das Ende der Eisbären wird seiner Einschätzung nach nicht mehr lange auf sich warten lassen: vielleicht noch hundert Jahre.