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Dumpingpreise in der Kultur?

Fischer: Herr Kreile, worum geht es bei dem Streit?

Karin Fischer im Gespräch mit Johannes Kreile, Justitiar des Verbandes der Deutschen Konzertdirektion |
    Kreile: Es geht hier um eine grundsätzliche Fragestellung, die weit über das Land Berlin hinausragt. Wir haben jetzt das Land Berlin und, als das Land Berlin die Stiftung 'Berliner Philharmoniker' gegründet hat, auch die Stiftung 'Berliner Philharmoniker' verklagt. Denn gerade am Beispiel Berlin wird eines deutlich. Die öffentliche Hand subventioniert ja nicht nur ihre eigenen Orchester wie die Berliner Philharmoniker. Das finden wir völlig in Ordnung. Sie betätigt sich auch als Konzert-Veranstalter, indem sie Fremdkonzerte veranstaltet. Dies tut sie nicht mit eigenen Künstlern, sondern mit fremden Künstlern. Dabei setzt sie Subventionen ein, die dann dazu führen, dass keine wettbewerbsfähigen Preise mehr im Verhältnis von privaten zu öffentlichen Veranstaltern erreicht werden können, weil nämlich bestimmte Kosten wie Miete oder Garderobiere und all dies nicht in die Kalkulation der Berliner Philharmoniker einfließt. Weil dies ein grundsätzliches Thema ist, werden wir die Gründe des Gerichtes sehr genau analysieren und gegebenenfalls den Prozess weiterführen.

    Fischer: Machen Sie es doch noch mal ganz konkret, Herr Kreile. Die Stiftung Berliner Philharmoniker kann zum Beispiel, sagen wir mal, die Wiener Philharmoniker einladen und zu einem günstigeren Preis anbieten als eine Agentur eines privaten Konzertveranstalters. Ist das richtig?

    Kreile: Das ist ein hervorragendes Beispiel. Es ist aber nur ein Beispiel von vielen. Es ist immer das gleiche Muster. Die Berliner Philharmoniker laden die Wiener Philharmoniker zu einem Konzert ein. Die teuerste Eintrittskarte kostet in Berlin 95 Euro. Für das gleiche Konzert in München oder Frankfurt von einem privaten Konzertveranstalter durchgeführt kostet die Karte 135 Euro. Warum ist das so? Bestimmte Kosten werden von der Stiftung Berliner Philharmoniker gar nicht kalkuliert, weil das Geld dafür sowieso vorhanden ist, denn sie sind ja subventioniert. Der private Konzertveranstalter muss diese Kosten auf die Eintrittspreise aufschlagen. Das ist der Unterschied.

    Fischer: Nun ist ja gegen ein Konzert für 95 Euro grundsätzlich nichts zu sagen. Aber letztendlich geht natürlich um eine größere Frage. Wie groß ist ein vielleicht kleiner werdender Markt und wer teilt sich den auf?

    Kreile: Es ist sicher richtig, dass der Markt für Konzerte umkämpft ist. Dies ist letztlich auch eine Konsequenz der Ausdehnung der öffentlich subventionierten Konzerte in den vergangenen Jahren. Während früher beispielsweise Konzertreihen der Münchner Philharmoniker oder der Berliner Philharmoniker ausschließlich mit eigenen Orchestern bestückt worden sind, hat sich in den vergangenen Jahren eine Praxis herausgebildet, dass diese Institutionen auch Fremdkonzerte veranstalten. Dadurch findet eine Vielzahl von Konzerten statt, bei denen die Eintrittspreise subventioniert sind, wohingegen der private Veranstalter nach wie vor die gesamten Kosten des Konzertes auf die Eintrittspreise umlegen muss.

    Fischer: Einer der Protagonisten einer solchen Politik ist ja Franz Xaver Ohnesorg, der dieses Modell sozusagen von Köln nach Berlin gebracht hat. Ist Ihre Klagen gegen ihn gerichtet?

    Kreile: Nein, die Klage ist überhaupt nicht gegen Herrn Ohnesorg gerichtet. Sie ist zu einem Zeitpunkt eingereicht worden, als Herr Ohnesorg noch gar nicht Intendant der Stiftung Berliner Philharmoniker gewesen ist. Sie ist nämlich ursprünglich gegen das Land Berlin eingereicht worden. In der mündlichen Verhandlung hat Franz Xaver Ohnesorg darauf hingewiesen, dass er in Köln ein Modell propagiert hat, bei dem es ein geordnetes Nebeneinander von privaten Konzertveranstaltern und seiner Kölner Philharmonie gegeben hat. Diese Modell hat er als Vergleich vorgeschlagen. Sein eigener Anwalt und Senat haben ihm diesen Vergleichsvorschlag in der mündlichen Verhandlung als nicht akzeptabel aus der Hand genommen. Wir hätten nichts dagegen, wenn es zu einem geordneten Nebeneinander von öffentlich subventionierten und privaten Konzerten kommen würde.

    Fischer: Wie soll denn dieses geordnete Nebeneinander aussehen?

    Kreile: Das Nebeneinander soll darin bestehen, dass sich die öffentliche Hand dort zurückhält, wo der private Veranstalter die Konzerte genauso gut veranstalten kann wie die öffentliche Hand. Lediglich dort, wo es um kultur-politisch sinnvolle Ergänzungen am Randbereich geht, macht es Sinn, Konzerte zu subventionieren.

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