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Dunkles Lehrangebot

Gestandene Männer, die sich in der Prärie ein Süppchen kochen oder im Klettergarten in den Seilen hängen - wer kennt sie nicht, die Bilder vom Managertraining, um Teamgeist und Persönlichkeit zu schulen. Warum damit nicht schon im Studium beginnen, sagte sich die TU Bergakademie im sächsischen Freiberg und bietet ihren Studenten seit dem Herbstsemester eine Lehrveranstaltung an, mit der man von ganz unten nach ganz oben kommen kann. Die montanwissenschaftliche Bildungsstätte nutzt dazu ihr Lehrbergwerk.

15.01.2003
    Ein Beitrag von Heidi Müller

    Auf der Reichen Zeche in Freiberg warten 10 Studenten auf die Seilfahrt. Gemeinsam mit Leuten vom Lehrbergwerk und ihren Sportlehrern werden sie gleich auf die 100-Meter-Sohle des alten Silberbergwerks fahren. Sechsmal haben sie diese Übung schon gemacht, an ihre Premiere können sich alte Hasen wie die Maschinenbaustudenten Uwe Martin und Sebastian Schröder kaum noch erinnern:

    Das ist verdammt lange her, da waren wir sehr neugierig auf das, was kommt.

    Ich persönlich habe Platzangst. Und wenn es da unten eng ist, ist das schon ein bisschen kritisch, aber man gewöhnt sich dran.

    Mit Geleucht, Helm und Bergmannskluft ausgestattet geht es für die Studenten in die Tiefe. Grubenbetriebsleiter Manfred Beyer steuert den Förderkorb.

    Die ersten Übungen sind im modernen Bergbau auf den tieferen Sohlen, die letzten Übungen dann oben im historischen Bergbau. Das ist etwas enger, dunkler und etwas feuchter und dadurch etwas anstrengender.

    Zu den 10 Studenten, die heute wieder Bergmannsluft schnuppern, gehören auch zwei junge Frauen, Jenny Weiher, studiert im 9. Semester Umwelt-Engeneering - was heute im Berg auf sie zukommt, weiß sie nicht.

    Der Kurs heißt ja 'Umgang mit unbekannten Situationen. Wenn wir einfahren ist also noch nicht bekannt, was unten los ist.

    Am Übungsort angekommen, machen sich die jungen Leute kletterbereit. Die heutige Aufgabe ist keine leichte: es gilt einen steilen Erzgang zu erklimmen.

    Sebastian Schröder hängt als erster am Seil. Während die einen oben sichern, geben die anderen unten gute Ratschläge. Das Gestein ist glitschig, Punkte zum Festhalten sind rar. Und so rutscht der Sauerländer immer wieder zum Ausgangspunkt zurück. Die studentischen Kumpel stützen Sebastian von unten- Sie geben seinen Füßen Halt und stemmen ihn in die Höhe. Für Thomas Liebke ist das genau der Sinn der Übung:

    Das ist eine Herausforderung und wir kommen hier nicht weg, also wir müssen uns der Sache stellen. Das ist ja auch das, was wir dann mitnehmen.

    Jemanden mit verbundenen Augen durch einen Stollen führen, gemeinsam einen verschütteten Weg freilegen oder sich im dunklen Berg orientieren - das macht Sinn für den Freiberger Studenten. Er ist überzeugt davon, dass ihm genau das im späteren Leben helfen wird:

    Das Studium wird immer mehr vereinzelgängert, es ist nicht mehr so teamfähig. Wenn man sich dann anschaut, was die Unternehmen haben wollen - Teamfähigkeit, soft skills - dann fragt man sich, wo soll ich das denn hernehmen?

    Die Übung ist vollbracht. Die ganz Harten der Gruppe haben die Wand von unten bezwungen, andere sind weiter oben eingestiegen, gekniffen hat keiner. Nun werden Erfahrungen ausgetauscht, der Denkprozess setzt ein. Für Dr. Bernd Wilhelm, der als Leiter des Universitätssportzentrums die Idee zum Training untertage hatte, eine ganz wesentliche Phase:

    Wir wollen nicht einfach einen Schalter umlegen und sagen. Jetzt haben Sie Entschlusskraft, jetzt haben Sie Entscheidungsfähigkeit und Sie überwinden sich auch mal selbst. Wir wollen Denkprozesse anregen.

    Leicht geschafft, aber zufrieden geht's zurück zur Seilfahrt. Wenn die 10 Studenten den Kurs beendet haben, beginnt ein neuer. Die Anmeldeliste dafür an der Bergakademie Freiberg ist lang.