Ernsthaft nachdenklich macht die offenkundige Dialektik von dick und dünn in globaler und sozialer Hinsicht, denn dort, wo es viel zu essen gibt, unterscheiden sich die Menschen voneinander gerne durch vorsätzlichen Verzicht. Wo aber die Nahrungsmittel knapp sind, wird jedes Gramm am Körper zum Statussymbol. Während in manch ärmlicher Gegend Afrikas junge Frauen wochenlang in einen "Mästraum" gesperrt werden, um die üppige Figur zu erzielen, die die Heiratschancen steigert, wird in den fetten Ländern der westlichen Welt ein absurdes Schlankheitsideal hochgehalten, das dann dazu führt, daß ein koreanischer Dichter, der zu einem Besuch in England weilt, nach Hause berichtet (es muß etwa zur Zeit des berüchtigten Fotomodells Twiggy gewesen sein): "Ich sehe Vogelscheuchen. Ich sehe Skelette. Ich sehe keine Frauen, die wie saftige Kürbisse sind."
Die Ästhetik des Körpers ist für den Lebensvollzug, wie jeder weiß, keine nebensächliche Angelegenheit. Körperkonzepte sind auch Lebenskonzepte, wie Therapeuten wissen; und wer sein Leben ändern will, muß zuallererst den Körper transformieren. Es gibt tatsächlich ein konzeptionelles Verhältnis zum Körper, als wäre er eine formbare Masse, ein knetbarer Teig, der jede beliebige Form annehmen kann. Diese Überzeugung entspringt ganz konsequent der modernen Grundidee, nichts als gegeben hinzunehmen, nichts so zu belassen, wie es ist; alles ist veränderbar, und was zählt, ist allein die Veränderung. Nach langer Resistenz geben sich die modernen Subjekte heute ernsthaft alle Mühe, ständig andere zu sein, Madonna vorneweg. Würde man all diese Körpertransformationen eines einzigen Menschen namens, sagen wir, Joschka Fischer, im Zeitraffer verfolgen, würden wohl Lachsalven diesen Film begleiten: Die Wangen plustern sich allmählich auf und fallen wieder in sich zusammen, der Gürtel dehnt sich weiter und weiter und plötzlich ist die Luft wieder raus; bei vielen anderen wechseln die Haarschnitte so schnell wie die Filmschnitte in Videoclips, die aufeinander folgenden Farben sind dem Federkleid von Papageien ähnlich, und die Gesichtsfarbe changiert, als würde zwischen kreidebleich und sonnenverbrannt ständig auf- und abgeblendet.
Nein, nicht der Beliebigkeit des Umgangs mit dem Körper will dieses Buch das Wort reden, vielmehr der bewußt getroffenen individuellen Wahl, für die es keine anderen Kriterien gibt als die eigene Vorstellung von der äußeren Gestalt: Dafür plädiert beispielsweise in diesem Buch die Anti-Diät-Autorin Rachel Swift. Die einzige Grenze, die zu überschreiten man sich füglich hüten sollte, ist nur die des Ekels, des Ekels vor sich selbst, auch des Ekels, den andere empfinden, an deren Wertschätzung dem Selbst sehr liegt. Im Verhältnis zu sich selbst ist die bewußte Sorge um den Körper eine Frage der Selbstachtung, im Verhältnis zu anderen droht die Vereinsamung, wenn die Grenze überschritten wird. Aber keine Sorge, der Spielraum ist dehnbar, er ist eine Frage der Interpretation, und da mühen sich die hier versammelten Autoren so redlich, daß man sagen kann: Vergessen Sie die Waage, schmökern Sie in diesem Buch! Aus dem Potpourri der Texte lugt auch noch der schmale Woody Allen irgendwo hervor, der sich die Folgen vorstellt, die sich ergäben, wäre er vollgefressen bis obenhin, um dann wieder zwanzig Pfund abzunehmen. Drohte da nicht die Gefahr, daß gerade diese Pfunde seine Genie enthielten? Das soll in der Tat die vordringlichste Sorge sein, die auch uns umtreibt.