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Durch die Wüste und das wilde Kurdistan

Sie drehten sich so oft auf dem Plattenteller, dass ihre von Mal zu Mal zunehmenden Kratzer schließlich zum unverwechselbaren Hörspiel-Sound gehörten - die ersten Hörspiel-Schallplatten, die ab 1968 erschienen und eine neue Generation von Hörern hervorbrachten. Unabhängig vom Radioprogramm legten diese neuen Hörspielhörer ihre Favoriten selbst auf - und am liebsten immer wieder.

Von Frank Olbert |
    Dazu gehörten auch an die 30 Hörspiele nach Stoffen von Karl May, eines der ersten war "Winnetou I", erstellt und gespielt von Konrad Halver für den "Europa"-Verlag. In der Reihe "Die Originale" wurde seine Hörspielversion des Karl May-Klassikers nun auf CD wiederaufgelegt.

    An eine ganz neue Karl May- Bearbeitung wagt sich derzeit Regiseur und Autor Walter Adler. Nach den Reise-Erzählungen des Schriftstellers, der im Gefängnis Hohenstein die Abenteuer Kara ben Nemsis im Orient schilderte, erstellt Adler ein 12-teiliges Hörspiel. Walter Adler und seinen Soundscaper Peter Schilske habe ich im Studio besucht.
    Frank Olbert: Herr Adler, wie inszenieren Sie Karl May?
    Walter Adler: Man wird am Ende eine Abenteuergeschichte hören. Es wird der Karl May sein, wie der Karl May ist, so wie man ihn gelesen hat. Er wird aber nicht so sein, wie er verfilmt worden ist oder wie er bei den Karl-May-Festspielen gezeigt wird - als trivial-banal-blöde Abenteurgeschichte. Das hängt damit zusammen, dass ich den Karl May aus seinen Texten heraus inszeniere. Im Orientzyklus heißt die Hauptfigur Kara Ben Nemsi und in den sechs Bänden gibt es nicht einen Satz von Karl May, der die Figur als groß, blond und stark beschreibt. Es gibt aber mehrere Stellen, an denen gesagt wird "Ich, Karl May, bin Kara Ben Nemsi". Daher ist es für mich ganz klar gewesen, dass die Inszenierung, die ich mache, sich aus der Idee herausarbeitet: Es gibt eine Identität Karl May und Kara ben Nemsi.
    Frank Olbert: Wo hat Karl May seine Kentnisse des Orients eigentlich hergenommen?
    Walter Adler: Aus einer großen Bibliothek. Er hat sehr präzise recherchiert, aber er hat das Meiste aus sich heraus geschöpft. Das wiederum hat damit zu tun, dass er nicht wirklich über den Orient geschrieben hat, sondern eigentlich über Sachsen und über seine eigenen Konflikte. Es sind Traumlandschaften, die er beschreibt. Um das zu zeigen, greife ich zu einem kleinen Trick. Ich habe eine Szene geschrieben, kompiliert aus verschiedenen biografischen Ereignissen als Gerichtsverhandlung, mit der jede Folge beginnt. Die Idee ist ein Sich-weg-träumen. Karl May sitzt in seiner Zelle, denkt zurück in die Vergangenheit und aus der heraus in die Geschichte
    Frank Olbert: Herr Schilske, was ist Ihre Aufgabe bei dieser Hörspielproduktion?
    Peter Schilske: Ich erstelle Soundscapes, das heißt ich mache so etwas wie eine Partitur für die Geräusche. Dann setze ich mich hin und überlege, welche Geräusche wir aus dem Archiv nehmen, welche ich zu Hause mache und welche wir hier im Studio produzieren werden.
    Frank Olbert: Klingt Karl May so wie in den Europa-Hörspielen?
    Peter Schilske: Die Europa-Hörspiele hat Hans Paetsch jeweils vor den Schauspielproben bei sich im Wohnzimmer aufgenommen. An Geräuschen gab es da vor allem Kokosnüsse als Fußgetrappel, Indianergesänge und die berühmten drei Schüsse.
    Frank Olbert: Ich fand diese Hörspiele als Kind klasse!
    Peter Schilske: Sie haben mein Interesse an Geräuschen geweckt. Es gab in dem Karl May-Hörspiel "Der Schatz im Silbersee" eine Stelle, an der ein Panther den Kopf seines Dompteurs zermalmt. Das war ein Geräusch, das wir als Kinder nicht ausgehalten haben. Immer, wenn wir die Platte gemeinsam hörten, ging es darum, wer es am längsten aushält, wenn es auf diese Stelle zugeht. Und es ist immer einer aufgesprungen und hat den Tonarm im letzten Moment vor dieser Kopf-zermalm-Sound weitergelupft.
    Frank Olbert: Wie wird Karl May bei Ihnen klingen?
    Peter Schilske: Wie etwas Erdachtes. Es ist ja keine Abbildung des Orients. Es gibt Vorbilder im Filmsound, beispielsweise der Wind in "Lawrence von Arabien", der Zusammenhang von Emotion und dem Klang des Windes.
    Frank Olbert: Wie wird Karl Mays Orient klingen, Herr Adler?
    Walter Adler: Es ist eine Fluchtlandschaft, eine erdachte Landschaft. Sie entspricht nicht der Realität. Was wichtig ist: Es ist trotzdem ganz konkret. Es ist anders, als alles, was bisher darüber gemacht worden ist. Es ist schon in den Büchern sehr viel konkreter und realistischer, als das, was man bisher daraus gemacht hat.