Man kann unserer Sendereihe "Die Neue Platte" nicht nachsagen, sie mache einen großen Bogen um unbekannte oder vergessene Musikwerke. Im Gegenteil: Es ist eher so, dass der Mainstream, das Standard-Repertoire es vermutlich viel schwerer hat, hier Einzug zu halten, da muss es sich schon um eine herausragend gute Interpretation oder um eine neue Sichtweise auf das Vertraute handeln. Insofern stehen hier die Türen weit offen, wenn es im Booklet einer neuen CD der Geigerin Jeanne Christée heißt, sie widme sich neben dem traditionellen Violin-Repertoire besonders auch der Erforschung unbekannter oder vergessener Werke. Im vorliegenden Fall sind das Violinkonzerte von Ferdinand Ries, Allessandro Rolla und Alexander Tschaikowsky. Also hört man sofort neugierig hinein in diese "Welt-Ersteinspielungen".
" Musikbeispiel: Ferdinand Ries - 1. Satz (Ausschnitt) aus: Konzert für Violine und Orchester e-moll, op. 24 "
Da ist dann, offen gesagt, die Enttäuschung doch einigermaßen groß, und schließlich kann man die beim Hören immer drängender werdenden Fragen nicht mehr unterdrücken: Schlummert manches in den Archiven nicht auch zu Recht, muss denn auch Zweitrangiges ans Licht geholt werden? Vieles, was wir inzwischen von Ferdinand Ries, dem Beethoven-Zeitgenossen, kennen, hat durchaus gute Qualität: Klavierwerke vor allem, Kammermusik, auch Sinfonien, die an dieser Stelle bereits positiv besprochen wurden. Aber diesem Violinkonzert von 1810 hätte man vielleicht doch besser weiterhin den Archiv-Schlaf des Gerechten gönnen sollen, zu banal scheinen die Themen, zu vorhersehbar und ohne größere Überraschungen die Durchführungsteile, zu langatmig die Sequenzen und Wiederholungen, zu ermüdend die Aneinanderreihung einfacher Standardfloskeln. Wenn es damals schon unsere heutigen Unterscheidungen gegeben hätte, wäre das eher Musik für ein Unterhaltungsorchester gewesen. Aber die müsste dann mit Leichtigkeit, Witz, ja sogar mit Freude an Parodie und Ironie erklingen. Hier jedoch hört man leider vor allem, was die Interpretation angeht, noch viel von der Mühe, die das Musikmachen für ausübende Künstler nun mal so mit sich bringt. Solistin und Ensemble sind nicht immer beieinander, Intonationsprobleme der Sologeige, ein nicht allzu homogenes Orchester - die Cappella Istropolitana - , das in der Dynamik und auch sonst allzu gleichförmig begleitet - all dies im Konzert vielleicht notfalls hinnehmbar, aber als CD, die man ja vielleicht auch öfter hören möchte, sehr störend.
" Musikbeispiel: Ferdinand Ries - 1. Satz (Ausschnitt) aus: Konzert für Violine und Orchester e-moll, op. 24 "
Neben diesem Violinkonzert von Ferdinand Ries spielen die Geigerin Jeanne Christée und die Cappella Istropolitana unter der Leitung von Volker Schmidt-Gertenbach auch noch ein Violinkonzert des Italieners Allessandro Rolla, das das Vorurteil, italienische Musik, das seien doch vor allem locker-leichte Belcanto-Arien, aufs Schönste bestätigt. Nein, auch diese Ausgrabung war meiner Meinung nach nicht unbedingt nötig. Und auch dieses Violinkonzert bestätigt, was der große niederländische Experte für Alte Musik, Gustav Leonhardt, jüngst in einem Gespräch mit der französischen Wochenzeitung "Nouvel Observateur" sagte: "Das durchschnittliche Niveau der Musik ab etwa 1800 war ja so niedrig! Die Musik war insgesamt so mittelmäßig, so vulgär! Nur die Genies haben überlebt. Aber man darf auch nicht vergessen, dass selbst ein so absolutes Genie wie Beethoven eine ganze Menge miserabler Werke geschrieben hat, die er übrigens in seinem Werkverzeichnis nicht nummeriert hat..... Diese Situation war im 18. Jahrhundert ganz anders: das Durchschnittsniveau war da deutlich höher." Soweit Gustav Leonhardt.
Nun möchte ich Ihnen jetzt nicht unbedingt noch mehr mittelmäßige Musik in ebensolcher Interpretation bieten, also verlassen wir die Weltersteinspielungen, auf die wir hier immer neugierig sind, und wenden uns Musik des Standard-Repertoires zu, den Sinfonien Nr. 6 und neun von Antonin Dvorak. Sie kommen neu angerichtet daher, ohne mächtige Sauce, ohne Sahne, knackig frisch. Denn das Schwedische Kammerorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Thomas Dausgaard führt sie in kleiner Besetzung auf, setzt auf Durchsichtigkeit, klare Konturen. Ähnlich wie andere moderne Kammerorchester in Bremen, Köln, Basel oder New York profitiert offensichtlich auch das Schwedische Kammerorchester von den Erkenntnissen und Erfahrungen der historischen Aufführungspraxis und der Beschäftigung mit Neuer Musik. Auf modernen Instrumenten und in kleiner Besetzung gelingt ihm eine ausgesprochen farbige, engagierte Darstellung dieser hochromantischen Musik, fernab von weihevollem Zeremoniell. Damit setzt das Orchester seine erfolgreiche Produktionstätigkeit fort, die bereits Sinfonien von Beethoven und Schumann zahlreiche neue Aspekte abgewonnen hatte. Hier der letzte Satz von Dvoraks 6. Sinfonie.
" Musikbeispiel: Antonin Dvorák - Finale aus: Sinfonie Nr. 6 D-dur, op. 60 "
Die Neue Platte - zuletzt mit dem Schluss-Satz der 6. Sinfonie von Antonin Dvorak, gespielt vom Schwedischen Kammerorchester unter der Leitung von Thomas Dausgaard, einer CD des schwedischen Labels BIS-Records. Im Studio verabschiedet sich Ludwig Rink.
Diskographie
CD 1:
Titel: Violinkonzerte von Ries, Rolla & A. Tchaikovsky
Solistin: Jeanne Christée, Violine
Orchester : Capella Istropolitana
Sinfonia Varsovia
Leitung: Volker Schmidt-Gertenbach
Label: Aperto
Bestellnummer: apo 86428
CD 2:
Titel: Dvorák: Symphonies Nos 6 & 9
Orchester: Swedish Chamber Orchestra
Leitung: Thomas Dausgaard
Label: BIS / Vertrieb: Klassik Center Kassel
Labelcode: LC 03240
Bestellnummer: BIS-SACD-1566
" Musikbeispiel: Ferdinand Ries - 1. Satz (Ausschnitt) aus: Konzert für Violine und Orchester e-moll, op. 24 "
Da ist dann, offen gesagt, die Enttäuschung doch einigermaßen groß, und schließlich kann man die beim Hören immer drängender werdenden Fragen nicht mehr unterdrücken: Schlummert manches in den Archiven nicht auch zu Recht, muss denn auch Zweitrangiges ans Licht geholt werden? Vieles, was wir inzwischen von Ferdinand Ries, dem Beethoven-Zeitgenossen, kennen, hat durchaus gute Qualität: Klavierwerke vor allem, Kammermusik, auch Sinfonien, die an dieser Stelle bereits positiv besprochen wurden. Aber diesem Violinkonzert von 1810 hätte man vielleicht doch besser weiterhin den Archiv-Schlaf des Gerechten gönnen sollen, zu banal scheinen die Themen, zu vorhersehbar und ohne größere Überraschungen die Durchführungsteile, zu langatmig die Sequenzen und Wiederholungen, zu ermüdend die Aneinanderreihung einfacher Standardfloskeln. Wenn es damals schon unsere heutigen Unterscheidungen gegeben hätte, wäre das eher Musik für ein Unterhaltungsorchester gewesen. Aber die müsste dann mit Leichtigkeit, Witz, ja sogar mit Freude an Parodie und Ironie erklingen. Hier jedoch hört man leider vor allem, was die Interpretation angeht, noch viel von der Mühe, die das Musikmachen für ausübende Künstler nun mal so mit sich bringt. Solistin und Ensemble sind nicht immer beieinander, Intonationsprobleme der Sologeige, ein nicht allzu homogenes Orchester - die Cappella Istropolitana - , das in der Dynamik und auch sonst allzu gleichförmig begleitet - all dies im Konzert vielleicht notfalls hinnehmbar, aber als CD, die man ja vielleicht auch öfter hören möchte, sehr störend.
" Musikbeispiel: Ferdinand Ries - 1. Satz (Ausschnitt) aus: Konzert für Violine und Orchester e-moll, op. 24 "
Neben diesem Violinkonzert von Ferdinand Ries spielen die Geigerin Jeanne Christée und die Cappella Istropolitana unter der Leitung von Volker Schmidt-Gertenbach auch noch ein Violinkonzert des Italieners Allessandro Rolla, das das Vorurteil, italienische Musik, das seien doch vor allem locker-leichte Belcanto-Arien, aufs Schönste bestätigt. Nein, auch diese Ausgrabung war meiner Meinung nach nicht unbedingt nötig. Und auch dieses Violinkonzert bestätigt, was der große niederländische Experte für Alte Musik, Gustav Leonhardt, jüngst in einem Gespräch mit der französischen Wochenzeitung "Nouvel Observateur" sagte: "Das durchschnittliche Niveau der Musik ab etwa 1800 war ja so niedrig! Die Musik war insgesamt so mittelmäßig, so vulgär! Nur die Genies haben überlebt. Aber man darf auch nicht vergessen, dass selbst ein so absolutes Genie wie Beethoven eine ganze Menge miserabler Werke geschrieben hat, die er übrigens in seinem Werkverzeichnis nicht nummeriert hat..... Diese Situation war im 18. Jahrhundert ganz anders: das Durchschnittsniveau war da deutlich höher." Soweit Gustav Leonhardt.
Nun möchte ich Ihnen jetzt nicht unbedingt noch mehr mittelmäßige Musik in ebensolcher Interpretation bieten, also verlassen wir die Weltersteinspielungen, auf die wir hier immer neugierig sind, und wenden uns Musik des Standard-Repertoires zu, den Sinfonien Nr. 6 und neun von Antonin Dvorak. Sie kommen neu angerichtet daher, ohne mächtige Sauce, ohne Sahne, knackig frisch. Denn das Schwedische Kammerorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Thomas Dausgaard führt sie in kleiner Besetzung auf, setzt auf Durchsichtigkeit, klare Konturen. Ähnlich wie andere moderne Kammerorchester in Bremen, Köln, Basel oder New York profitiert offensichtlich auch das Schwedische Kammerorchester von den Erkenntnissen und Erfahrungen der historischen Aufführungspraxis und der Beschäftigung mit Neuer Musik. Auf modernen Instrumenten und in kleiner Besetzung gelingt ihm eine ausgesprochen farbige, engagierte Darstellung dieser hochromantischen Musik, fernab von weihevollem Zeremoniell. Damit setzt das Orchester seine erfolgreiche Produktionstätigkeit fort, die bereits Sinfonien von Beethoven und Schumann zahlreiche neue Aspekte abgewonnen hatte. Hier der letzte Satz von Dvoraks 6. Sinfonie.
" Musikbeispiel: Antonin Dvorák - Finale aus: Sinfonie Nr. 6 D-dur, op. 60 "
Die Neue Platte - zuletzt mit dem Schluss-Satz der 6. Sinfonie von Antonin Dvorak, gespielt vom Schwedischen Kammerorchester unter der Leitung von Thomas Dausgaard, einer CD des schwedischen Labels BIS-Records. Im Studio verabschiedet sich Ludwig Rink.
Diskographie
CD 1:
Titel: Violinkonzerte von Ries, Rolla & A. Tchaikovsky
Solistin: Jeanne Christée, Violine
Orchester : Capella Istropolitana
Sinfonia Varsovia
Leitung: Volker Schmidt-Gertenbach
Label: Aperto
Bestellnummer: apo 86428
CD 2:
Titel: Dvorák: Symphonies Nos 6 & 9
Orchester: Swedish Chamber Orchestra
Leitung: Thomas Dausgaard
Label: BIS / Vertrieb: Klassik Center Kassel
Labelcode: LC 03240
Bestellnummer: BIS-SACD-1566