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DWD-Klimadaten 2017
"Ein ganz normales Klimawandeljahr"

Wiederum sehr warm, wenn auch nicht Temperaturrekord, viele Stürme und extremer Regen - das sind die wichtigsten Eckdaten für das zurückliegende Klimajahr 2017. Oder wie es Thomas Deutschländer vom Deutschen Wetterdienst ausdrückt: ein ganz normales Klimawandeljahr.

Von Philip Banse | 06.03.2018
    Dunkle Wolken über Wasserfläche
    Gewitterfront über dem Chiemsee (imago/ blickwinkel)
    Die Forscher beim Deutschen Wetterdienst haben für 2017 eine anschauliche Bezeichnung gefunden: "Das würde ich als ganz normales Klimawandeljahr einschätzen."
    Thomas Deutschländer ist der Klima-Mann beim Deutschen Wetterdienst. Klimawandeljahr – das heißt, das Jahr 2017 hatte im Kern drei Merkmale: "Es war wiederum ein warmes Jahr – wenn auch nicht mit Temperaturrekord, so wie das letzte Mal 2014. Aber immerhin 1,4 Grad zu warm, das ist auch schon deutlich, Rang sechs unserer 137 Jahre langen Temperaturstatistik."
    Rang 6 in der 137 Jahre langen Temperaturstatistik
    Mehr Wärme bedeutet mehr Energie in der Atmosphäre und das bedeutet auch in den gemäßigten Breiten Europas: extreme Wetter-Ereignisse. So auch 2017: "Wir hatten viele Stürme. Ich habe sofort vier mit Namen im Kopf. Zwei im Januar, zwei im Oktober. Und wir hatten gerade in der Hochsommerzeit wirklich ganz verbreitet in Deutschland wiederholt Starkniederschlagsereignisse."
    Und dieser Regen war teilweise wirklich extrem. Nur ein Beispiel: Der Deutsche Wetterdienst hat mal berechnet, wie viel Wasser bei einem Jahrhundertregen vom Himmel fällt. Ergebnis: 100 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden. Damit müsse man hierzulande einmal in 100 Jahren rechnen. 100 Liter. Am 29. Juni wurden in Berlin Tegel über 196 Liter gemessen, doppelt so viel wie ein Jahrhundertregen. Pro Quadratmeter kam dort also in 24 Stunden eine kleine Badewanne vom Himmel.
    Regenbogen auf Amrum
    Panoramablick mit Regenbogen auf der Nordseeinsel Amrum (imago/ chromorange)
    "Wir Meteorologen unterscheiden einmal diesen sogenannten Sturzflutregen. Das heißt, es regnet – bei einem Gewitter zum Beispiel – in kurzer Zeit wie aus Kübeln. Oder es gibt länger anhaltende Niederschläge, die dann nur mäßigen Regen bringen, der dann aber auch viel Niederschlagwasser über längere Zeit bringt. Und wir hatten beides letztes Jahr. Mehrfach."
    Sturzregen schwer vorherzusagen
    Thomas Deutschländer vom Deutschen Wetterdienst, sagt, auch an heftigen Wind und Stürme werden wir uns gewöhnen müssen. Das geht natürlich einfacher, wenn die Wetter-Vorhersagen besser werden. Sturm lasse sich recht genau vorhersagen, sagt Deutschländer. Bei Regen hänge es von der Regenart ab:
    "Diese Sturzregen sind sehr schwer. Da gibt es Wahrscheinlichkeitsvorhersagen. Da sehen wir in der Regel, ja irgendwo in einer bestimmten Region gibt es dieses Risiko, aber die ganz präzise Aussage, das wir genau dann und dann so und so viel, die ist sehr schwer und nur kurzfristig möglich. Bei diesen Niederschlagsereignissen, die über Stunden, ein Tag vielleicht, größerer Niederschlagsmengen bringen, das kann man wesentlich besser vorhersagen."
    Aber bedeutet mehr Extremwetter öfter Stürme und Starkregen? Oder wird jeder Sturm und jeder Regen für sich auch noch heftiger werden?
    "Das ist eine der Fragen, die die Klimawissenschaft noch zu beantworten hat. Es gibt Untersuchungsergebnisse, die in die eine Richtung deuten, es gibt aber auch welche, die in die andere Richtung deuten. Man kann im Moment noch nicht so richtig sagen, was wird es. Vielleicht wird es so sein, dass es davon abhängt, welches Wetterextrem, dass Wind zum Beispiel stärker wird, wenn er auftritt, aber gar nicht häufiger. Niederschlag aber genau anders herum. Das sind tatsächlich noch offene Forschungsfragen."
    Gute Bedingungen für regenerative Energien
    Erforscht hat der Deutsche Wetterdienst auch, wie sich Wind und Sonne auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien auswirken. Der DWD hat Europa mit einem Raster aus sechs mal sechs Kilometer überzogen und geschaut: Wie oft in der Vergangenheit hätte eine Wind- oder Sonnenanlage in diesen Gebieten über 48 Stunden nur zehn Prozent ihrer Leistung bringen können, weil eben in diesem Bereich kein Wind wehte oder die Sonne nicht schien. Ergebnis: In einem europäischen Verbundnetz hätte es in den letzten Jahren eigentlich immer genug Sonne- und Windenergie gegeben, sagt Paul Becker vom Deutschen Wetterdienst:
    "Die meteorologischen Bedingungen für die Produktion regenerativer Energien sind gut. Wind und Sonne gleichen sich aus und umso größer ich das Gebiet mache, desto besser sind meine Ergebnisse. Aber eine gewisse Reservestrategie bleibt auf jeden Fall notwendig."
    Denn natürlich könne es immer mal eine europaweite Flaute oder ein Hochnebelfeld geben. Aber welche Auswirkungen wird der Klimawandel auf Stromproduktion aus Wind und Sonne haben?
    "Ich denke eigentlich, so gut wie keine."
    Denn das Wetter werde zwar extremer. Die mittlere Windgeschwindigkeit und die mittlere Sonnenscheindauer werde sich – so der Stand der Wissenschaft heute – aber kaum verändern.