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E-Mail vom Herzen

Medizin.- Ob Mobilfunk oder Internet: Wir sind alle ständig vernetz. Diesen Trend machen auch Hersteller von Medizingeräten mit und so hat die Firma Biotronic einen Herzschrittmacher entwickelt, der täglich Informationen an den Arzt übermittelt.

Von Volkart Wildermuth |
    "Zum ersten Mal seit langem fühle ich mich wie früher und nicht wie ein Patient. Ein Schrittmacher reguliert meinen Herzschlag, und das Beste ist: Er sendet Daten an meinen Arzt, so dass er meinen Zustand kennt, wo immer ich auch sein mag."

    Ein Werbefilm der Firma Biotronic für den amerikanischen Markt. Dort ist der Herzschrittmacher mit Funkmodul schon seit Mai zugelassen, in Europa gaben die Behörden im November ihr OK. 200.000 Patienten hat Biotronic das kleine Gerät schon im Rahmen von Studien implantiert. An deren Ende wollte niemand es wieder hergeben, erinnert sich Dr. Hans Jürgen Wildau, Projektleiter bei Biotronic.

    "Dann müssen sie schon fast körperliche Gewalt anwenden. Mit solchen Herzerkrankungen ist einfach nicht zu spaßen und da fühlt man sich jenseits aller medizinischen Gründe schon allein deswegen besser überwacht, wenn man so einen Transmitter bei sich führt."

    Das ist nicht nur ein subjektives Gefühl. Die Studien zeigen: Die Überwachung aus der Ferne ist für Schrittmacherpatienten genauso sicher, wie der regelmäßige Gang ins Krankenhaus.

    "Das ist eine gigantische Verbesserung zum Status Quo, die Patienten müssen weniger oft in die Klinik, sie müssen weniger oft den ganzen Apparat durchlaufen. Die Ärzte müssen sich nicht mit dem Patienten, der eigentlich gar nicht die Hilfe benötigt, befassen. Es wird viel Zeit freigesetzt, um das ärztliche Tun den Patienten zugute kommen zu lassen, die wirklich die Hilfe brauchen."

    Um dieses Ziel zu erreichen, war viel Entwicklungsarbeit nötig. Antennen mussten miniaturisiert, ihre Sendeprotokolle stromsparend organisiert werden. Vor allem galt es ein Gesamtpaket aus drei Teilen zu schnüren. Da ist zunächst der zum Gesundheitsreporter aufgerüstete Herzschrittmacher. Er sammelt die Informationen, die er sowieso zur Anpassung der lebensrettenden Stromimpulse benötigt und sendet sie regelmäßig an den Cardiomessenger, den zweiten Teil des Systems. Dieser "Herzbote" steht entweder neben dem Bett oder wird wie ein Handy in die Tasche gesteckt. Um zu verhindern, dass die Kommunikation mit dem implantierten Herzschrittmacher gestört wird, hat Biotronic ein spezielles Frequenzband reserviert. Der Cardiomessenger leitet die Daten vom Herz per Mobilfunknetz weiter an die Servicezentrale in Berlin. Die beherbergt den dritten Teil des Systems, die automatische Auswertungssoftware.

    "Der Arzt stellt dann ein, welche Schwellwerte für den Patienten jetzt hier relevant sind und die Software sagt dem Arzt über so eine Rot-Gelb-Funktion, wie dringlich das Handeln seinerseits ist. Rot würde bedeuten, ruf den Patienten jetzt mal morgen oder übermorgen an oder bestell ihn gleich zu einer Nachsorgeuntersuchung ein. Die meisten Patienten erscheinen für die Ärzte in weiß und dann wissen die, da brauche ich nichts zu machen, alles im Lot."

    Per E-mail oder SMS wird der Arzt über problematische Entwicklungen wie etwa ein Vorhofflimmern auf dem Laufenden gehalten und kann so rechtzeitig eingreifen. Hans Jürgen Wildau und sein Team entwickeln den kommunikationsfreudigen Herzschrittmacher ständig weiter. Neueste Versionen registrieren über den elektrischen Widerstand zwischen den verschiedenen Elektroden die Ansammlung von Lungenwasser, ein Hinweis auf eine Herzschwäche.

    "Wir können dann sagen, die Wasseransammlung in der Lunge, die braucht jetzt entweder eine neue Medikamentierung oder die soll sogar dazu führen, dass der Patient in die Klinik kommt, damit er nicht irgendwann mit dem Notarztwagen eingeliefert wird."

    Die Hightech-Schrittmacher aus Berlin sind in der Anschaffung teuer, auch die Datenauswertung muss bezahlt werden. Unterm Strich sollten die zusätzlichen Ausgaben aber durch die verringerte Zahl der Klinikaufenthalte mehr als ausgeglichen werden. Erste Krankenkassen in Deutschland übernehmen deshalb bereits die Kosten.