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Eau de Cologne für den Adel

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts revolutionierten die Gebrüder Farina den Parfummarkt: Johann Maria erfand aus destilliertem Alkohol und Essenzen von Zitrusfrüchten ein leichtes Duftwasser, das die europäischen Herrscherhäuser unter dem Namen Eau de Cologne begeisterte. Johann Baptiste gründete am 13. Juli 1709 in Köln das Familienunternehmen.

Von Alexandra Wach | 13.07.2009
    "Ich habe einen Duft gefunden, der mich an einen italienischen Frühlingsmorgen erinnert, an Bergnarzissen, Orangenblüten kurz nach dem Regen. Es erfrischt mich, stärkt meine Sinne und Fantasie."

    Die frohe Nachricht gelangte im Frühjahr 1709 in einem Brief nach Santa Maria Maggiore im Piemont. Johann Maria Farina teilte sie seinem älteren Bruder Johann Baptiste aus dem fernen Köln mit. Eigentlich galt Wasser als verschmutzt und gesundheitsschädlich. Aber der Mann mit dem genialen Geruchssinn hatte eins erfunden, das Körpergerüchen den Kampf ansagte. Das Echo auf das neue aqua mirabilis war groß und so stellte der französische Philosoph Voltaire erleichtert fest:

    "Endlich ein Duft, der den Geist inspiriert und nicht den Körper verklebt."

    Johann Baptiste folgte seinem Bruder in die Domstadt. Am 13. Juli 1709 gründete er eine Firma und nannte sie nach der italienischen Schreibweise seines Namens Giovanni Battista Farina. Fünf Jahre später stieg Johann Maria in das Geschäft ein. Ihr hochprozentiges Duftwasser bekam zu Ehren der neuen Heimat den Namen Eau de Cologne. Die Rezeptur blieb unverändert, wie der heutige Geschäftsführer und direkte Nachfahre Johann Maria Farina versichert. Er stellt in der achten Generation das Eau de Cologne her.

    "Bergamotte, Pampelmuse, Limette, Orange, also es sind hauptsächlich Zitrusnoten, die vor 300 Jahren verfügbar waren."

    Um diese Inhaltsstoffe zu kaufen, bedurfte es Kontakte in die südlichen Handelszonen. Um sie zu lagern und zu destillieren, chemischer Kenntnisse. Johann Maria blieb bescheiden und schrieb 1752 an einen Kunden in Frankreich:

    "Ich für meinen Teil vermeide gerne das Anpreisen namentlich medizinischer Eigenschaften (obgleich ich deren nicht verneine), dies unter allen Bedingungen der besten Einsichten der Ärzte."

    Die Erfindung revolutionierte den Parfummarkt, indem sie auf schwere Essenzen wie Zimt oder Moschus verzichtete. Es war die Zeit des Rokoko. Der Adel feierte rauschende Feste. Erkennbar war das Kult-Wasser der damaligen High Society an dem Etikett.

    "Die rote Tulpe ist entstanden aus dem Siegel. Ursprünglich wurden ja alle Flaschen gesiegelt und am Anfang auch alle handschriftlich von Johann Maria Farina unterschrieben."

    Auf den niederländischen Börsen wurden Tulpen gerade mit Gold aufgewogen. Im Hause Farina standen sie für Reinheit und Qualität, für das Gegenteil von Schmutz und Elend. Kaiser und Könige bestellten das Kölnisch Wasser ebenso wie Dichter und Denker. Zum illustren Kundenkreis gehörten Friedrich der Große und Maria Theresia. Später gesellte sich Napoleon dazu. Er goss sich jeden Morgen die erfrischende Mixtur über Kopf und Schultern. Und auch Goethe schwärmte für den Duft der "feinen Gesellschaft".

    "Wenn man 300 Jahre zurückgeht, dann war es so, dass Parfum in einem Maße Luxus war, den man sich heute gar nicht vorstellen kann. Eine Flasche Eau de Cologne kostete einen Reichstaler 1720 etwa. Und vergleichbar ein selbstständiger Handwerksmeister verdiente also vier Reichstaler etwa im Monat."

    Das Geschäft florierte, zog aber auch Nachahmer magisch an. Erst 1881 durfte zum Beispiel die Kölner Familie Mühlens nach langem Rechtsstreit den Namen Farina nicht mehr für ihr Duftwasser verwenden. Es war die Geburtsstunde der neuen Marke 4711. Die war in der Herstellung billiger und im Verkauf preiswerter. Das Massenimage färbte auf das Original ab, der Bedeutungsverlust von Großbürgertum und Adel kam hinzu. Dass die Luxusmarke Farina nicht gänzlich in Vergessenheit geraten ist, verdankt sie dem neuerlichen Bedürfnis nach Distinktion. Ihrem Erfinder blieb das Auf und Ab erspart. Johann Maria starb 1766, 30 Jahre nach seinem Bruder, als wohlhabender Patriarch der italienischen Gemeinde in Köln.