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Ebola
Liberia hofft auf Hilfe aus den USA

Das Vertrauen der meisten Liberianer in die eigene Regierung ist schon lange erschüttert und so glauben viele, dass eigentlich nur noch die Amerikaner die Krise lösen können. Doch die entsandten 3.000 US-Soldaten stehen vor einer Mammutaufgabe. Sie müssen Behandlungszentren aufbauen, für Luftbrücken sorgen - und vor allem das Vertrauen der Menschen gewinnen.

Von Benno Müchler | 27.09.2014
    Das Rote Kreuz in Liberia in einer Nachbarschaft in Banjor, in der Ebola-Fälle aufgetreten sind.
    Das Rote Kreuz in Liberia in einer Nachbarschaft in Banjor, in der Ebola-Fälle aufgetreten sind. (AFP / Dominique Faget)
    Der Himmel über Monrovia ist verhangen. Es ist das Ende der Regenzeit in Liberia. Ein paar Fischerboote treiben draußen auf dem Meer.
    Das West-Point-Viertel entlang der Küste Monrovias gehört zu den ärmsten Gegenden der liberianischen Hauptstadt. Seit jeher haben die Menschen hier ihr Geld mit der Fischerei verdient.
    Vor einem Monat machte West Point Schlagzeilen, als die Regierung den gesamten Bezirk unter Quarantäne stellte, denn die Ebola-Fälle dort hätten erheblich zugenommen. Die Menschen protestierten. Die Polizei setzte Tränengas ein, mehrere Menschen wurden verletzt.
    Marta Cowla sitzt auf einem Holzkahn am Wasser. Hinter ihr steht eine Plastikschüssel mit frisch gefangenem Fisch. Inzwischen habe sich die Lage wieder beruhigt, erzählt sie. Die Quarantäne wurde aufgehoben, doch das Leben sei seither schwerer geworden.
    "Wenn wir unseren Fisch oben auf dem Markt verkaufen wollen, kommt niemand mehr an unseren Stand. Die Leute sagen: Oh, ihr kommt von dort, ihr habt alle Ebola. So haben wir am Tagesende kaum etwas verkauft."
    Doch nicht nur der Handel habe gelitten, klagt Robert Sayon, ein junger Arbeitsloser aus West Point. Auch das Leben in der Nachbarschaft, die Beziehungen untereinander, seien betroffen:
    "Wenn wir im Café sitzen und zusammen Kaffee trinken, dann teilen wir uns heute keine Tasse mehr. Wir wissen doch nicht, ob und wer das Virus in sich trägt. Jeder hat Angst. Wir leben in Furcht."
    Ein Mann schiebt am 15. September 2014 in der liberianischen Hauptstadt Monrovia eine Karre mit Brot über eine Straße. Im Hintergrund hängt ein Schild mit der Aufschrift Stop Ebola.
    Die Ebola-Epidemie breitet sich vor allem in Liberia stark aus. (pa/dpa)
    Angst vor enormen Opferzahlen
    Monrovia gilt als das Epizentrum des Ebola-Ausbruchs in Westafrika. Bislang sind nach offiziellen Angaben rund 2.800 Menschen an der Virus-Krankeit gestorben. Laut Weltgesundheitsorganisation könnte die Zahl der Infizierten schon bald bei 20.000 liegen, wenn nicht sofort Hilfe geleistet würde.
    "Wir brauchen unbedingt Hilfe aus dem Ausland. Unsere Regierung kriegt das doch nicht hin. Sie ist verantwortungslos und inkompetent."
    Wie die meisten Liberianer glaubt Sayon, dass eigentlich nur noch die Amerikaner die Krise lösen können. Amerika ist Liberias engster Verbündeter. Vor 200 Jahren gründeten ehemalige amerikanische Sklaven den kleinen Staat an der Westküste Afrikas. Doch die 3.000 US-Soldaten, die Präsident Obama nun geschickt hat, stehen vor einer Mammutaufgabe. Im ganzen Land müssen sie umgehend Behandlungszentren aufbauen, für Luftbrücken sorgen, vor allem aber auch Vertrauen bei den Menschen schaffen, von denen viele nicht an staatliche Institutionen glauben.
    "Jetzt kommt der riskanteste Teil unserer Arbeit. Jetzt müssen wir die Leiche vom Boden heben und in den Leichensack legen. Das ist der einzige Moment, in dem wir direkten Kontakt mit dem infizierten Körper haben."
    Emmanuel Flomo steht in einer Lehmhütte, eine knappe dreiviertel Stunde außerhalb von Monrovia. Auch in Margibi-County hat die Ebola-Epidemie um sich gegriffen. Flomo und sein vierköpfiges Bestatterteam bergen gerade eine junge Frau. Die Tote liegt auf dem Boden, in rosa Kleider gehüllt, hat die Arme angewinkelt. Flomo und seine Männer tragen schneeweiße Sicherheitsanzüge, Masken und Gummistiefel. Einer der Männer desinfiziert die Tote von oben bis unten mit Chlor.
    "Die Ansteckungsgefahr liegt jetzt bei hundert Prozent"
    In diesem Augenblick liege - ungeschützt - die Ansteckungsgefahr bei einhundert Prozent, warnt Flomo. Als die Männer die verstorbene Frau in einem Leichensack zu ihrem Kleintransporter tragen, redet der Vater der Verstorbenen auf die Bestatter ein. Flomo meint allerdings, es sei die Schuld des Vaters, dass seine Tochter nicht mehr am Leben sei. Als man der Familie vor ein paar Tagen geraten habe, in ein Krankenhaus zu gehen, habe der Vater dies abgelehnt. Weshalb, wisse er, Flomo, eigentlich nicht so recht, aber:
    "In jedem Fall ist die Zahl derjenigen in Liberia, die nicht an die Existenz von Ebola glauben, zweimal größer als umgekehrt. Zu viele unserer Menschen sind ungebildet."
    So argumentiert auch die Regierung und schiebt damit die Katastrophe mindestens teilweise der Bevölkerung in die Schuhe. Robert Sayon in West Point sieht das allerdings anders. 50 Menschen seien seit Ende Juli in den engen Behausungen des Viertels schon gestorben. Oft habe es aber bis zu fünf Tagen gedauert, ehe die Leichen abgeholt worden seien. Und, setzt er hinzu, wer wolle schon freiwillig in eines der überfüllten Ebola-Behandlungszentren, wo man sich womöglich erst recht den Tod hole.
    "Jeden Tag stirbt hier ein Mensch. Doch die Regierung hilft uns nicht. Wir sind ihr doch egal. Sie zeigt nur Interesse, wenn Wahlen anstehen und sie unsere Stimmen will. Schauen Sie doch selbst, wie wir hier leben."