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„eCheckup-Alkohol“
Hochschule entwickelt Online-Alkoholtest für Studierende

Ein kleiner Schluck führt zu einer Klasse betrunkener Schüler: eine schöne Szene aus der "Feuerzangenbowle". Hier ein Spaß, aber für viele Studierende Alltag. Sie trinken im Schnitt mehr Alkohol als andere. Nun gibt es für sie einen Alkohol-Test. Aber hier wird nicht gepustet, sondern geklickt.

Von Thomas Wagner | 20.02.2020
Studierende in Greifswald trinken Bier.
Der Alkohol-Konsum von Studierenden ist höher als der gleichaltriger Nicht-Akademiker (dpa / Stefan Sauer)
"Ich trinke schon gerne mal ein gutes Bier und genieße das auch sehr. Ein paar Bierchen und das Leben genießen."
"Gin Tonic und Wein, aber kein Bier. Ich glaube, es kommt auf die Phase an im Semester. Nicht jeden Tag."
Stimmen vom Campus der Hochschule Esslingen. So unterschiedlich die studentischen Trinkgewohnheiten auch sein mögen, so spannend ist es für den einzelnen, Näheres über seinen Umgang mit Alkohol zu erfahren – am Rechner, über "eCheckup-Alkohol", das speziell für Studierende entwickelte Testverfahren der Hochschule Esslingen, das nun, nach einer mehrjährigen Erprobungsphase in Baden-Württemberg, an Hochschulen in ganz Deutschland eingeführt werden soll:
"Eine Frage ist zum Beispiel: Wieviel Alkohol habe ich letzte Woche getrunken? Ein anderes Beispiel: Wieviel Geld ich für Alkohol ausgebe. Und das Programm zeigt mir dann beispielsweise, was ich mir für dieses Geld hätte kaufen können", erklärt Psychologin Maja Reuther, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt "eCheckup-Alkohol".
Test gibt sofort Feedback
Der Test beruht auf Freiwilligkeit: Nicht nur, dass die einzelnen Fragen auf die Trinkgewohnheiten der Studierenden abzielen - in Abhängigkeit von den Antworten werden Teilnehmer auch mit weiter gehenden Informationen versorgt: Konsumieren andere Studierende mehr oder weniger? Was könnte man mit dem Geld, das man für Alkohol ausgibt, alternativ machen?
"Es braucht so 20 bis 30 Minuten, das ganze Programm zu machen. Und die Fragen teilen sich auch in den Konsum: Wie viel trinke ich? Aber auch: Was habe ich denn schon so an Auswirkungen gespürt negativer Art? Aber was gibt es auch für positive Dinge? Warum trinke ich. Und ich bekomme direkt im Anschluss mein persönliches Feedback im Programm angezeigt", ergänzt Michael Braun, der als Sozialpädagoge ebenfalls im Esslinger Projektteam mitarbeitet.
Den eigenen Alkoholkonsum reflektieren
Doch die Befragung am Rechner ist nur ein Teil von "eCheckup-Alkohol". Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die "Peers", studentische Hilfskräfte, die besonders geschult werden, und die ihre Kommilitonen dazu motivieren sollen, über ihren Alkoholkonsum zu reflektieren und an dem Test teilzunehmen.
"An der PH Freiburg haben die Studierenden das so gemacht, dass sie eine Rauschbrille mitgebracht haben. Da gibt es einen Rauschbrillen-Parcours. Und die simulieren dann, wie ich mich mit einer bestimmten Promillezahl fühle, wie sich mein Blickfeld verändert. Und da haben die Studierenden dann den Parcours gemacht und danach mit den Studierenden gesprochen."
Die Idee für den studentischen Alkoholcheck kommt von der San Diego State University und wurde vom Esslinger Projektteam auf die deutschen Anforderungen hin angepasst – nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich. Denn Studierende greifen häufiger zum Glas, als gemeinhin vermutet:
"Also wir wissen aus Studien, dass Studierende wesentlich mehr Alkohol trinken als gleichaltrige Nicht-Akademiker, dass etwa 37 Prozent der Studierenden regelmäßig, sprich wöchentlich, Alkohol trinken. Und etwa 42 Prozent trinken Alkohol auch bis zum Rausch", so Marion Busacker, Sprecherin der Krankenkasse Barmer in Baden-Württemberg. Die Gründe dafür liegen für sie auf der Hand:
"Denkbar ist, dass sich mit der Aufnahme des Studiums die Lebensumstände ändern. Oftmals zieht man ja auch fürs Studium weg. Der Freundeskreis verändert sich. Man ist von zuhause weg. Dann kommt auch noch der Studienstress hinzu. Oder man feiert eine bestandene Prüfung."
Test-Teilnahme führt zu geringerem Alkohol-Konsum
Dabei haben sich Experten genau die Rückmeldungen derjenigen angesehen, die an dem Esslinger Testverfahren teilgenommen haben. Überraschendes Ergebnis:
"Es wurde schon nachgewiesen, dass Studierende, die an dem e-checkup-Alkohol teilgenommen haben, im Anschluss weniger Alkohol trinken als ihre Kommilitonen, die an diesem Programm nicht teilgenommen haben."
Was, so Marion Busacker, damit zusammenhängt, dass sich die Studierenden erst durch den Text so richtig über ihre Trinkgewohnheiten klar werden. Aus diesem Grund fördert die Krankenkasse auch eine bundesweite Ausweitung des Projektes: Bislang wurde "eCheckup-Alkohol" an fünf baden-württembergischen Hochschulen erprobt. Bis in zehn Jahren soll der Test an 30 Unis und Hochschulen bundesweit zur Verfügung stehen.