Freitag, 03. Mai 2024

Archiv

Echoortung
Seit wann Zahnwale mit den Ohren "sehen" können

Paläontologie. - Zahnwale nutzen Echoortung, um in der Finsternis Beute zu machen. Wie und wann sich diese Fähigkeit bei den Meeressäugern entwickelt hat, lag bisher im dunkeln. Nun legt ein 28 Millionen Jahre altes Fossil nahe, dass sich diese komplexe Fähigkeit schon früher entwickelt hat, als angenommen. Näheres dazu steht in der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature".

Von Dagmar Röhrlich | 13.03.2014
    Pottwale jagen in der lichtlosen Tiefsee, tauchen 1000 Meter tief hinab und manchmal noch sehr viel tiefer. Um dort unten ihre Beute auszumachen, setzen die Tiere auf die Echoortung: Sie nutzen also - genau wie alle anderen Zahnwale - hochfrequente Pfeif- oder Klicklaute:
    "Zahnwale erzeugen die Laute für die Echoortung mit Hilfe von Stimmlippen und leiten die Laute in die Melone, in ein Organ aus Fettgewebe, das hinter der Stirn liegt. Dort wird der Schall so stark fokussiert, dass er wie ein Strahl ausgesendet werden kann. Wird dieser Schall von einem Objekt reflektiert, fängt der Zahnwal die Reflexionen auf und erschafft eine Art Hörbild seiner Umgebung",
    erklärt Jonathan Geisler vom New York Institute of Technology in Old Westbury. Wann die Zahnwale die ihnen gemeinsame Fähigkeit zur Echoortung entwickelt haben, konnten Paläontologen bislang nur grob abschätzen: Es passierte irgendwann vor 35 bis 25 Millionen Jahren, also während der ersten zehn Millionen Jahre, nachdem sich die beiden modernen Gruppen der Barten- und Zahnwale voneinander abgespalten haben. Nun bringt der Fund eines 28 Millionen Jahre alten Fossils die Wissenschaftler weiter:
    "Wir haben nahe der Küste von South Carolina ein Fossil entdeckt, das uns Einblicke in Zeitpunkt und Ablauf der Entwicklung erlaubt. Es handelt sich dabei um einen sehr gut erhaltenen Schädel, drei oder vier Nackenwirbel und ein paar Fragmente von Rippen. Der Schädel ist 56 Zentimeter lang, und wenn man ihn mit denen moderner Zahnwale vergleicht, dürfte das Tier insgesamt drei oder vier Meter lang gewesen sein."
    Das Fossil erhielt den Namen Cotylocara macei. Den Analysen zufolge war Cotylocara noch sehr ursprünglich. So unterscheidet sich sein Schädel von denen aller bisher bekannten Zahnwalen:
    "Wir sehen ungewöhnliche Strukturen. Dabei geht es vor allem um Höhlen am Ansatz der Schnauze und oben auf dem Schädel. Solche Höhlen habe ich bei keinem anderen Säugetier gesehen. Aufgrund von Vergleichen mit modernen Zahnwalen glauben wir, dass sich wahrscheinlich Luftsäcke darin befanden."
    Sie seien vermutlich Teil der Echoortung gewesen, urteilt Jonathan Geisler, hätten eine Rolle bei der Erzeugung der hochfrequenten Töne gespielt:
    "Bei Cotylocara funktionierte die Echoortung wohl noch etwas anders als bei modernen Zahnwalen und war nicht so ausgefeilt. Wir erkennen am Schädel jedoch auch Gemeinsamkeiten mit vielen heutigen Zahnwalen, etwa den lang nach hinten ausgezogenen Oberkiefer."
    Außerdem war der Schädel von Cotylocara asymmetrisch, genau wie bei vielen der modernen Zahnwale. Sein Leben verbrachte das Tier anscheinend in flachen Küstengewässern, und er ernährte sich von Fischen und Tintenfischen:
    "Heutige Zahnwale setzen Echoortung anscheinend ein, um dort zu jagen, wo andere nichts sehen können. Wenn Sie heute in South Carolina an den Strand gehen, ist das Wasser voller Sediment, und das war wohl auch zu Lebzeiten Cotylocara so. Damit hätte er wegen der schlechten Sicht die Echoortung gebraucht, um Beute zu machen."
    Zwar ist Cotylocara 28 Millionen Jahre alt, aber er beweist, dass die Ursprünge der Echoortung bei den Zahnwalen bis in die Frühzeit ihrer Entwicklung zurückreichen. Sie entstand vor mindesten vor 32 Millionen Jahren, schätzt Jonathan Geisler, vielleicht sogar früher.